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Mehr Energieautarkie wagen - Wenn der Vermieter zum Energieversorger wird

Dr. Thomas Henne hat mit dem energetischen Umbau seines Mehrfamilienhauses einen mutigen Schritt gewagt. Entstanden ist ein zukunftweisendes Sanierungsobjekt, das zum Vorbild für Tausende private Vermieter werden könnte. Hauseigentümer Henne setzt durch die Neuausrichtung seiner Energieversorgung auf möglichst hohe Energieautarkie. Mit einer Kombination aus PV-Anlage, Stromspeicher, Mikro-BHKW und Brauchwasserwärmepumpe will er sein Haus in Oldenburg und dessen sechs Mietparteien ein großes Stück weit unabhängig machen von steigenden Energiepreisen.

Über das Webportal von Discovergy können die Mieter ihren Stromverbrauch nachvollziehen.

Hausverbrauch und Produktion von Strom im Henne-Haus an einem sonnenreichen Sommertag. Die Netzeinspeisung ist hoch, die Autarkiequote liegt bei 99%.

Dr. Thomas Henne und Installateur Holger Laudeley im Heizungskeller. Die Mikro-KWK-Anlage wird mit einer Brauchwasserwärmepumpe kombiniert.

 

Ein unspektakulärer 70er-Jahre-Bau, rotbrauner Klinker, drei Stockwerke hoch. Auf jeder Etage zwei Mietwohnungen, zwischen 52 und 69 m² groß, jeweils mit gemütlichem Balkon. So präsentiert sich das Mehrfamilienhaus im Waterender Weg in Oldenburg, das sich seit 40 Jahren im Besitz der Familie Henne befindet. Der heutige Eigentümer übernahm es erst 2013 – in baulich gutem Zustand.
Lediglich das Flachdach und die sanierungsbedürftige Heizung, die pro Jahr 200000 kWh Gas schluckte, bereiteten Dr. Henne Sorgen. Denn laut der Energieeinsparverordnung EnEV 2013 müssen veraltete Heizkessel erneuert und die obers­te Geschossdecke bis Ende 2015 gedämmt werden, um den Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2 zu erfüllen. Schließlich entweichen etwa 50% der Wärme in Gebäuden über das Dach. Auf den reinen Heizungsaustausch und die Dämmung wollte sich Dr. Henne nicht alleine verlassen: „Die Isolierung von Flachdächern mit innen liegender Entwässerung bereitet häufig Probleme“, erklärt der Eigentümer. Daher habe er bewusst nach einer anderen Lösung gesucht.
Durch einen Zufall lernte er im vergangenen Jahr den Fachplaner und Elektro­meister Holger Laudeley aus Ritterhude kennen. Dieser hatte erst einige Monate zuvor den energetischen Umbau eines 70er-Jahre-Einfamilienhauses abgeschlossen. Dessen Energiekonzept hielt Laudeley auch für übertragbar auf ein Mehrfamilienhaus, da die dort eingesetzte Technik skalierbar ist. Dr. Henne: „Die Lösung klang für mich schlüssig. Funktioniert es, kann ich langfristig Kosten sparen, meinen Mietern verlässliche Nebenkosten bieten und gleichzeitig etwas für die Umwelt tun.“

Erster Umbauschritt: Satteldach mit PV

Ziel des Umbaus war es nicht nur, die CO2-Bilanz des Gebäudes essenziell zu verbessern, sondern auch die möglichst autarke Versorgung der Bewohner mit Strom und Wärme zu erreichen. Ein Gewinn für Mieter und Vermieter gleichermaßen. Mit der Umsetzung des Sanierungskonzeptes beauftragte Dr. Thomas Henne neben Laudeley Betriebstechnik die Handwerksbetriebe Wille Bedachung und Klenke Elektrotechnik (beide aus Ritterhude) sowie Jürgen Ahlers Heizung und Sanitär aus Bremen.    
Die energetisch-technische Sanierung des Gebäudes startete im Juni 2015 und dauerte sechs Wochen. Zunächst erhielt der ursprüngliche Flachbau zur besseren Isolierung ein Satteldach, auf dem eine 28,8 kWp PV-Anlage in Ost-West-Richtung installiert wurde. Diese deckt seither einen Großteil der Stromproduktion ab. „Auf der Ostseite gibt es oft bereits ab 6 Uhr Sonne, somit kann der morgendliche Verbrauch abgesichert und mit dem Aufladen der Akkus früh begonnen werden. Am Abend werden hingegen die Sonnenstrahlen über die Westseite des Daches bis zuletzt ausgenutzt“, begründet Holger Laudeley die Ost-West-Ausrichtung.
Das neu entstandene Satteldach für Solarthermie anstatt für PV zu nutzen, stand überhaupt nicht zur Debatte. Aus Kostengründen. „Strom ist fünfmal so viel Wert wie Wärme. Deshalb hätte es hier gar keinen Sinn gemacht, Solarthermie aufs Dach zu packen“, so Laudeley.

Dämmung ausreichend

Von einer Dämmung der Außenwände riet der Fachplaner von Anfang an ab. „Wichtig ist, dass das Gebäudeklima erhalten bleibt. In Häusern aus den 70er-Jahren wie diesem, ist eine Dämmung von Kellerdecke und Dach völlig ausreichend. Würde man zusätzlich die Wände dämmen, wäre das Risiko von Schimmelbildung viel zu groß“, so Laudeley. Bei Häusern aus den 60er-Jahren sei das ähnlich, nur dass hier häufig noch der Einbau von neuen Fenstern nötig werde, so Laudeley.
Um in dem Sechsfamilienhaus eine zeitgemäße Wärmeversorgung zu realisieren, wurde die alte, ohnehin sanierungsbedürftige Gasheizung ausgebaut. Stattdessen stehen nun zwei Mikro-BHKWs vom Typ Remeha „eVita 25s“ im Keller. Die beiden Mikro-BHKWs mit Stirlingmotor werden kaskadiert und produzieren Strom und Wärme im Verhältnis 1:5. „Wenn ein KWK-Gerät ausfallen sollte oder gewartet werden muss, bleibt die Wärmeversorgung gesichert“, erklärt Heizungsmonteur Jürgen Ahlers die Vorzüge dieser Vernetzung. Daneben gibt es zwei Spitzenlastkessel auf Brennwertbasis.
Die Mikro-BHKWs kommen im Haus überwiegend in der kalten Jahreszeit zum Einsatz. Bei entsprechendem Wärmebedarf springen zunächst die beiden Stirlingmotoren an. Um deren Überhitzung zu vermeiden, wird die produzierte Wärme in einem Pufferspeicher „zwischengelagert“, bevor sie im Mietshaus verbraucht wird. „Was beim Automotor Fahrtwind und Kühler übernehmen, macht hier der Wärmespeicher“, erklärt Laudeley.
Erst wenn die gepufferte Wärme aus dem Speicher nicht mehr ausreicht, übernehmen die Spitzenlastkessel die zusätzliche Produktion – etwa im Falle eines langen, kalten Winters. Im Sommer genügt hingegen die Brauchwasser-Wärmepumpe von Brötje zur Warmwasserbereitung. Die Wärmepumpe verfügt über einen Warmwasser-Speicher mit 300 l Fassungsvermögen und befindet sich, ebenso wie die Mikro-BHKWs, im Heizungsraum des Henne-Hauses. Sie wird entweder direkt mit dem PV-Strom vom Dach oder zwischengespeichertem Strom betrieben.

„Energiefarm“ regelt Stromspeicherung

Das eigentliche Herzstück der neuen Energieversorgung im Henne-Haus bilden zwei Hauskraftwerke vom Typ „S10-E12“ des Osnabrücker Stromspeicherherstellers E3/DC. Sie optimieren die Stromversorgung und übernehmen gleichzeitig das intelligente Energiemanagement im Haus. An die Hybridgeräte können sowohl Wechselstromerzeuger (wie das Mikro-BHKW) als auch Gleichstromerzeuger (wie die PV-Anlage) angeschlossen werden.
Die Hauskraftwerke haben eine Kapazität von jeweils 15 kWh und speichern den selbst erzeugten Strom in Lithium-Ionen-Akkus von Panasonic/Sanyo. Auch sie werden parallelgeschaltet und bilden eine sogenannte „Energiefarm“. Dabei ist nur ein Anschluss ans öffentliche Stromnetz notwendig.
Das mit dem Netz verbundene Gerät wird „Master“ oder „Farmmanager“ genannt. Dieser erhält sämtliche Informationen aus dem Energienetz, misst die Energieflüsse im Haus und speichert alle Daten – von der Stromerzeugung, über den Ladestand der Batterien bis hin zum Verbrauch. Mit dem zweiten Speicher, dem „S10-Slave“, kommuniziert er via Internet und gibt „Befehle“, wenn Strom gespeichert oder ausgespeist werden soll.
„Mit der Kaskadierungsschaltung der Stromspeicher können wir die Ausspeiseleistung auf 6 kW verdoppeln. Dadurch ist es möglich, dass sich die Mietparteien den selbst erzeugten Strom auch dann nach Bedarf aufteilen, wenn die PV-Anlage in der Nacht oder im Winter keinen Strom produziert“, erklärt Laudeley den Nutzen und die Effektivität der Energiefarm. Für absolute Lastspitzen sowie die Einspeisung überschüssigen Stroms bleibt ein Anschluss an das öffentliche Netz bestehen.
Die Lithium-Ionen-Akkus der Hauskraftwerke speichern den Strom aus PV- und KWK-Anlage – bis er in den sechs Wohnungen oder den Gemeinschaftsflächen gebraucht wird. Sind die Akkus voll, werden entstehende Stromüberschüsse automatisch ins Netz eingespeist. Dafür erhält Dr. Henne eine Einspeisevergütung von 12,7 Ct./kWh für den PV-Strom. Für den KWK-Strom würde er lediglich 5,7 Ct. als KWK-Bonus erhalten. Daher ist es sinnvoll, diesen Strom entweder direkt zu verbrauchen oder im Hauskraftwerk zwischen zu speichern und dadurch zu „veredeln“. Strom aus dem öffentlichen Netz muss der Hauseigentümer nur selten in kleinen Mengen beziehen: Im Fall, dass alle Akku-Reserven mal aufgebraucht sind.

Vom Vermieter zum Energieproduzenten

Durch seine Energieumstellung gilt Dr. Henne nun als Strom- und Wärmeproduzent, der seinen Mietern Nutzungsrechte gegen Entgelt gewährt. Zu diesem Zweck hat er eine GbR gegründet. Seine Mieter hat er über die Hausverwaltung frühzeitig über seine Pläne informiert. „Alle waren mit dem Umbau einverstanden“, so Henne. Das ist nicht verwunderlich, denn Strom- und Gaskosten sind für die Mieter jetzt niedriger als früher bei den großen Energieversorgern. Eine Preisgarantie verspricht ihnen mindestens zehn Jahre konstante Kosten. Hinzu kommt das gute Gewissen, einen kleinen Teil zur gro­ßen Energiewende beizutragen.
Die Nebenkostenabrechnung im Mietshaus erfolgt über intelligente Stromzähler des jungen Unternehmens Discovergy. Acht unterschiedliche Zähler erfassen die Daten – für die Bewohner bedeutet das größtmögliche Transparenz. „Im Discovergy-Portal sehen die Mieter jeweils den Verbrauch ihrer Wohnung – allein dadurch können wir von einem deutlich sparsameren Umgang mit Strom ausgehen“, prognostiziert der Vermieter.
Neben dem Verbrauch in den Wohnungen erfassen die Zähler auch die Daten des Allgemeinstroms und die der Wallbox. Letztere dient dem Laden von Elektroautos. Denn Dr. Henne will mit dem Kauf eines E-Mobils die autarke Energieversorgung im Haus perfekt machen. Das Fahrzeug könnte gemeinschaftlich von den Mietern genutzt werden, so seine Vision. Für ihn wäre dies eine weitere Möglichkeit, den überschüssigen PV- und KWK-Strom auch selbst zu nutzen und nicht mit Verlust ins Netz einspeisen zu müssen.

Gasverbrauch wird halbiert

Neben den Stromzählern will der Hausbesitzer auch Wärmemengenzähler installieren lassen. „Die Gasabrechnung erfolgt im Moment noch auf Basis der Wohnungsgröße“, so der Vermieter. Sein Installateur Holger Laudeley rechnet durch die neue Heizung und die verbesserte Dämmung damit, dass der vorherige Gasbedarf von 200000 kWh um die Hälfte reduziert werden kann. „Alleine dadurch spart die Gemeinschaft in 20 Jahren mindestens 112000 Euro“, erklärt er zuversichtlich.
Dr. Henne hat in den energetischen Umbau insgesamt 200 000 Euro investiert. Zur Amortisation der Kosten tragen mehrere Faktoren bei: Die Einspeisevergütung für PV- und KWK-Strom und die KWK-Förderung der Heizgeräte in Höhe von 2700 Euro machen dabei nur den geringsten Teil aus. Wesentlich größer ist da schon der Anteil des stark verminderten Strom- und Gasbezugs aus dem öffentlichen Netz, verbunden mit dem Verkauf der Energie an seine Mieter.

Fazit: Der Winter wird es zeigen

Ob das energetische Konzept in Oldenburg zu 100 % aufgeht, wird erst der kommende Winter zeigen. Fest steht schon jetzt, dass Dr. Thomas Henne mit seinem Hausumbau einen Weg eingeschlagen hat, der für viele Eigentümer ähnlicher Gebäude zum Paradebeispiel werden könnte. Noch ist energetische Selbstversorgung im Mietshaus ein Novum. Aber durch die fortschreitende Entwicklung im Bereich von Energie- und Speichertechnologien wird Autarkie vielleicht bald für jedermann erschwinglich. Das Potenzial jedenfalls ist gewaltig, denn in Deutschland gibt es zwei Millionen Mehrfamilienhäuser, in denen Privatpersonen wie Dr. Thomas Henne Wohnungen vermieten. Laut der Deutschen Energieagentur (dena) sind zwei Drittel dieser Gebäude energetisch sanierungsbedürftig. Und die Vorschriften zur Modernisierung seitens der Bundesregierung nehmen zu.
In unmittelbarer Nachbarschaft vom Henne-Haus stößt das Sanierungskonzept jedenfalls schon auf großes Interesse. Dort stehen im Waterender Weg zwei weitere, exakt baugleiche Mehrfamilienhäuser – mit identischen energetischen Voraussetzungen. Einer der Besitzer plant in seiner Immobilie bereits den Umbau, wie er im Gebäude nebenan vorgenommen wurde. Ein bisschen Paradebeispiel ist es also jetzt schon – das Henne-Haus in Oldenburg.

Bilder: Andreas Burmann

Kontakt: E3/DC GmbH, 49074 Osnabrück, Tel. 0541 7602680, Fax 0541 760268-19,  info@e3dc.com, www.e3dc.com


Abrechnung und Transparenz
Um als Energieversorger für seine Mieter agieren zu können, hat Immobilienbesitzer Dr. Thomas Henne eigens ein Gewerbe angemeldet und eine GbR gegründet. Für die Abrechnung des Stroms hat Dr. Henne vier der insgesamt zwölf von Discovergy neu gesetzten Smart Meter übernommen. Diese erlauben insbesondere die differenzierte Abrechnung von überschüssigem PV- und KWK-Strom nach EEG (PV) bzw. dem KWK-Gesetz / KWK-Bonus (KWK). Die übrigen Stromzähler dienen zur Erfassung der Wohnungsdaten sowie des Allgemeinstroms und der an das Haus angedockten Wallbox.
Vorteil für die Mieter: Sie erhalten Zugriff auf das Online-Portal von Discovergy und können sich hierüber jederzeit über ihren aktuellen Stromverbrauch sowie die Stromkosten informieren. In Zukunft sollen auch Wärmemengenzähler hinzukommen – bislang erfolgt die Wärmeabrechnung auf Basis der Gaskosten und wird umgelegt auf die jeweilige Wohnungsgröße.
Mit dem Online-Portal von E3/DC schließlich erhält Dr. Henne einen Überblick über den
Gesamtverbrauch des Hauses sowie den aktuellen Status seiner Energiefarm.

 


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