Grenzenlose Vernetzung - Das Internet der Dinge hat fundamentale Auswirkungen auf die TGA-Branche
Das Internet der Dinge startet seinen Siegeszug. Unternehmen etwa der Heizungs-, Sanitär- und Klimatechnik müssen sich auf grundlegende Veränderungen einstellen, ebenso Fachplaner in der Gebäudeentwicklung. Gleichzeitig bieten die 1,5 Mio. Solar-Anlagen auf deutschen Dächern riesiges Potenzial für intelligente Steuerung des Stromverbrauchs.
Die technologische Aufrüstung privater Wohnungen und Häuser ist unübersehbar. In der Küche gibt es immer mehr elektronische Helfer, die Haustür wird jetzt per elektronischem Schloss und Video-Gegensprechanlage gesichert, die Programmierung von Heizung, Lüftung sowie Beleuchtung bietet - oft im Zusammenhang mit Apps - immer mehr Möglichkeiten, und die Vielfalt der neuen Medien zeigt sich in fast jedem Zimmer. Die Wünsche der Bewohner nach mehr Komfort und Sicherheit sind also offensichtlich. Zudem müssen sich alle Beteiligten auf eine vollkommen neue Dimension für den Einsatz der elektronischen Geräte einstellen. Diese werden nämlich nach und nach in das Internet integriert, als "Networked Connections". Dort tauschen sie Informationen mit anderen Stellen im Netz aus.
Die Dimension dieser "industriellen Revolution" ist gewaltig: Die Zahl der Internet-Anschlüsse auf der Welt wird sich bereits bis ins Jahr 2020 dank der Gerätevernetzung von jetzt 7 Mrd. verzehnfachen, auf voraussichtlich 50 bis 70 Mrd. Das "Internet der Dinge" entsteht, "The Internet of Things".
Geschäftsmodelle müssen grundlegend angepasst werden
Wie interessant vor dem Hintergrund dieser Entwicklung gerade die Bereiche der Heizungs- oder Klimatechnik sind, belegte Anfang dieses Jahres eine Akquisition des Internet-Giganten Google. Dieser kaufte für 3,2 Mrd. Dollar den kaum bekannten Thermostat- und Feuermelder-Hersteller Nest Labs. Der Grund für dieses Geschäft: Bei diesen elektronischen Geräten wird dank des "Internets der Dinge" ein Austausch von Informationen aus der Ferne selbstverständlich. Darin sieht Google offensichtlich eine Grundlage für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells.
Doch nicht nur für Weltmarktführer ergeben sich durch die Vervielfachung der "Networked Connections" wichtige Veränderungen. "Auch bei vielen anderen Unternehmen im Bereich der Gebäudetechnik sind erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle unvermeidbar", ist Markus Beckmann, Geschäftsführer des Kölner High-Tech-Unternehmens Kellendonk Elektronik, überzeugt. "Das wird Produktions- und Entwicklungsbereiche erfassen, die sich viele Verantwortliche in den Unternehmen heute noch gar nicht vorstellen können." Betroffen sind unter anderem Sanitär-, Heizungs-, Lüftungs-, und Klima-Unternehmen sowie Handwerks-Betriebe, aber auch Anbieter von Regelungs-, Solar- und Elektrotechnik. Auch für Gebäudetechnik zuständige Ingenieure im Planungsbüro können die Chancen der allgemeinen Konnektivität nutzen.
Die Umstellungen bei der Planung und Ausführung sind grundlegend: In solchen Smart Home- / Smart Building-Systemen werden Geräte und Anwendungen miteinander verknüpft, die bisher nichts miteinander zu tun hatten - ebenso bisher autarke Automatisierungssysteme und Regelkreise. Wo es früher eine Vielzahl technischer Insel-Lösungen und unterschiedlichste Technologien gab, sind künftig übergreifende Lösungen zwingend. Immer mehr Unternehmen ist dabei bewusst, dass sie den technologischen Anschluss verpassen, wenn sie sich jetzt nicht richtig positionieren und Kooperationen öffnen. "Die Vorbehalte gegen einen markt-, branchen- und gewerkeübergreifenden Austausch von Informationen verschwinden", so Peter Kellendonk, Vorstand der EEBus Initiative: "Denn Voraussetzung für den dauerhaften Erfolg am Markt ist, dass man eine konnektive Komplett-Lösung anbietet".
Kellendonk hat für die Umsetzung von mehr Konnektivität - im Rahmen eines Programms der Bundesregierung - die Vernetzungs-Technologie EEBus entwickelt. Diese sorgt dafür, dass die Schnittstellen zwischen den einzelnen Märkten definiert und die zu übermittelnden Inhalte standardisiert werden. Dabei können die Akteure im intelligenten Haus auf die unterschiedlichsten Arten Informationen austauschen - etwa per Powerline, per Funk oder drahtgebunden. Für die Akzeptanz dieses Vernetzungsansatzes setzt sich auch die gemeinnützige Initiative EEBus ein, in der sich mehr als 40 Unternehmen, Verbände und Akteure der deutschen und internationalen Energie-, Telekommunikations- und Elektrowirtschaft zusammengeschlossen haben.1)
Lösungsraum-Konzept führt Akteure zusammen
Die Initiative hatte auf der IFA 2013 -der Messe für Consumer Electronics und Home Appliances - 26 Produkte unterschiedlicher Hersteller vernetzt. Präsentiert wurden Kozepte eines intelligenten Stromeigenverbrauchs - und zur Stabilisierung der Stromnetze durch Last Management (siehe Kasten). Mehr als 20 Anwendungsszenarien wurden entworfen.
Auch die konkrete Übersetzung (Mapping) in neue oder existierende Technologien beschreibt die EEBus Initiative: Keine der bewährten Kommunikationstechniken von ZigBee. KNX & Co. soll ersetzt werden. Jeder Konzern kann weiterhin seine implementierten Standards und etablierte Datensprachen verwenden. Gegebenenfalls nötig ist dabei nur eine vergleichsweise geringfügige Erweiterung der Kommunikationsmodelle. Die Industrie kann dann unabhängig von den eingebundenen Technologien die Inhalte in eigenen Applikationen verarbeiten. EEBus schafft hierbei die Voraussetzungen, dass die Informationen einheitlich zur Verfügung gestellt werden und somit universell verarbeitbar werden.
Damit sich mehrere Kooperationspartner - etwa aus der Gebäude-Konzeption, Bau-Ausführung, Industrie und High-Tech-Bereich - auf die Herausforderungen des "Internet of Things" vorbereiten und Komplett-Lösungen erarbeiten können, hat Kellendonk zudem ein Lösungsraum-Konzept entwickelt. Dies ermöglicht es, im Zusammenspiel mehrerer Akteure auf die unterschiedlichsten Herausforderungen zu reagieren. Der Grund für diesen Ansatz ist klar: Die Lösungsfindung in der total vernetzten Welt ist so komplex geworden, dass sich ein einzelnes Unternehmen dabei zwangsläufig schwer tut.
Das wirtschaftliche Potenzial des Smart Home-Marktes
Die Vernetzung aller elektronischen Geräte birgt zwar nicht nur die Notwendigkeit, das eigene Geschäftsmodell anzupassen, sondern bietet auch erhebliche Chancen. Der Smart Home-Markt in Europa wird laut einer Untersuchung der Unternehmensberater von Deloitte in den nächsten vier Jahren um jährlich 20 % wachsen - auf ein Gesamtvolumen von 4,1 Mrd. Euro in 2017. Möglich ist das, weil die Smart Home-Lösungen nicht mehr länger nur auf das Premium-Segment beschränkt sind und es in der Bevölkerung den verbreiteten Wunsch gibt, das eigene Zuhause aufzuwerten. Auch für den Massenmarkt werden deshalb Lösungen angeboten und auch nachgefragt. Auch andere Studien offenbaren ein großes wirtschaftliches Potenzial der Vernetzungs-Lösungen. Das US-Beratungsunternehmen Pike Research prognostiziert für 2019 alleine bei smarter, energieeffizienter Technik einen weltweiten Umsatz von 26,1 Mrd. Dollar.
Bilder: Wenn nicht anders angegeben, Kellendonk ElektronikAutor: Anselm Berg
1) Zu den Unterstützern gehören unter anderem ABB, Bosch, Bosch und Siemens Hausgeräte, E.ON, EnBW, Gira, Kabel Deutschland, Liebherr, Miele, Schneider Electric, Somfy, SMA, SolarWorld, Telekom oder Vaillant. Ein Mitgliederverzeichnis findet sich im Internet unter www.eebus.org/initiative-eebus-ev/mitglieder/.
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Smart Energy: Intelligente Lastverschiebung mit EEBus
Ein wesentlicher Anwendungsfall im Internet der Dinge werden neben den komfortablen Smart Home-Anwendungen auch Smart Energy-Systeme sein. Denn die Energiewende ist ein Innovationstreiber für die Vernetzung bisher getrennter Märkte: Energieerzeugung, Stromnetze, Gebäude, Verbrauchsgeräte, Mobilitätskonzepte, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Sicherheitslösungen wachsen zu einem neuen großen Zukunftsmarkt zusammen. Zwingend ist dies, weil Wind- und Solarstrom in Deutschland und vielen anderen Ländern dieser Welt einen immer größeren Platz einnehmen. Das Energiemanagement muss sich demnach grundlegend wandeln, ansonsten klaffen Verbrauchs- und Produktionsspitzen zeitlich auseinander. Dann drohen großflächige Stromausfälle, sogenannte Blackouts.Der Anpassungsdruck steigt weiter, wenn beispielsweise in Deutschland wie von der Bundesregierung geplant, der Energie-Anteil aus Wind, Sonne & Co. weiter zunimmt. Dieser soll von aktuell etwa 25 auf 35 % bis 2020 und bis 2050 sogar auf 80 % steigen. So sehen auch Gesetze die Steuerung von erneuerbaren Energieanlagen explizit vor, etwa § 6 des Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG (Reduzierung der Einspeiseleistung) oder das Energiewirtschafts-Gesetz EWG in § 14a (Lastabwurf).Doch die Stabilisierung der Energieversorgung ist auch ohne solche Zwangseingriffe in das Energiekonzept eines Gebäudes möglich, durch ein intelligentes Strommanagement. Dadurch wird der Stromverbrauch auf Zeiträume verschoben, in denen auch das Stromangebot groß ist. Um das zu erreichen, werden die Informationen der Energieversorger, Netzbetreiber und der Millionen Stromerzeugungskunden abgeglichen, in Steuersignale übersetzt und an alle angeschlossenen Geräte im Gebäude weitergeleitet. Millionenfach werden Geräte sowie bisher autarke Automatisierungssysteme und Regelkreise miteinander verknüpft. Den Informationsaustausch ermöglicht wie im Smart Home das durch den Kölner Mittelständler Peter Kellendonk entwickelte EEBus-System. Die von der EEBus Initiative entwickelten Anwendungsszenarien decken dabei eine große Bandbreite ab. Sie reichen von einem kritischen Netzzustand, an dem eine Last abgeschaltet werden soll, bis hin zu notwendigen Mechanismen, um nahezu ausschließlich den Strom aus der eigenen Photovoltaik-Anlage (PV) zu nutzen und dabei den Verbrauchszeitpunkt zeitlich zu variieren. Die PV-Anlage liefert dabei auf Grundlage der Wettervorhersage einen Prognosewert, wie viel Strom an diesem Tag wann produziert wird, und sendet das Profil an Wärmepumpe, Waschmaschine, Trockner, Kühl- und Gefrierschrank etc. Die Geräte melden dem System zurück, wann und wie viele Möglichkeiten es gibt, Energie zu verbrauchen. EEBus ermöglicht, dass diese Dateien durch ein einheitliches Datenmodell standardisiert übertragen werden, egal von welchem Hersteller die Haushaltsgeräte sind. Diese Anpassung des Stromverbrauchs an die Erzeugung der PV-Anlage ermöglicht den Eigentümern eine interessante finanzielle Ersparnis. Produziert wird der Strom mithilfe der Sonnenkraft bei neuen Anlagen nämlich für etwa 15 Cent, während die Energie im Netz 28 Cent fremd eingekauft werden muss.Auch künftige lastvariable Stromtarife sowie weitere Informationen, z. B. die verursachten CO2-Werte pro Kilowattstunde, können Steuer-Grundlage für den Verbrauch sein. Die Programmierung ist so variabel, dass eine Waschmaschine z. B. auf ihre CO2-Werte hin optimiert werden kann. Bestimmt werden kann ebenfalls, ob die Energie aus Kraftwerken in der Umgebung kommt oder aus erneuerbaren Energiequellen. Kellendonk: "Was man unter dem Thema Energiemanagement versteht, lässt sich mit den 20 bis 30 Anwendungsszenarien heute abdecken." Dabei sind alle Protokolle, Datenmodelle- und -profile standardisiert. "Ein weiterer Vorteil ist, dass alle relevanten Hersteller an einem Tisch sitzen", betont Kellendonk. Diese haben sich darüber verständigt, welche relevanten Informationen zur Verfügung gestellt werden können, die später auch über eine Plattform mit anderen Marken genutzt werden können - z. B. sich den Status der Hausgeräte über einen TV-Screen anzeigen lassen. Das Potenzial des Strom-Matchings, also einer Harmonisierung zwischen Energieangebot und -nachfrage, ist riesig. So können laut einem Gutachten des Verbandes für Elektrotechnik (VDE) gegenüber der heutigen Situation fast neun Gigawatt weniger Strom im deutschen Netz vorgehalten werden.
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Sicherheit erhöhen - Bedienungsfreundlichkeit beibehalten
Für Ingenieure im Bereich Gebäude- und Energietechnik spielt die allgemeine Vernetzung elektrischer Geräte bereits bei der Planung eine zentrale Rolle. Denn anders als bei traditionellen elektronischen Produkten, müssen Daten - um sich mit anderen Akteuren im System abzustimmen - häufig das geschlossene System einer Firma verlassen. Wer Lücken im Sicherheitskonzept lässt, riskiert unangenehme Folgen. Zum einen könnten im Smart Home beispielsweise persönliche Daten in die Hände Unbefugter gelangen. Auch gab es zuletzt alarmierende Berichte in der Presse über Kühlschränke, deren Vernetzung für Spam-Attacken missbraucht wird. Bei Smart-Energy-Systemen kann durch eine Manipulation sogar die Stabilität des Stromsystems angegriffen werden. "Für alle sicherheitsrelevanten Fragen sind deshalb überzeugende Konzepte unverzichtbar, und diese werden die Geräte- und Elektronikentwicklung der nächsten Jahre entscheidend beeinflussen", so Markus Beckmann, CEO von Kellendonk. "Ein vernünftiges Sicherheitskonzept ist ein zentrales Kriterium für jedes erfolgreiche Produkt in den Bereichen Smart Home und Smart Energy.": Bereits bestehende Normen, wie die IEC 62 351 oder IEC 27 002 und die Ergebnisse aus der Smart Grid Normung, im speziellen SGIS (Smart Grid Informationssicherheit) sowie das aktuelle Smart Meter Gateway Schutzprofil, können in diese Arbeiten einbezogen werden.Zudem stellt Kellendonk einen modularen Baukasten zur Verfügung, damit man bei der Konzeption von Sicherheitskonzepten die im jeweiligen Fall notwendigen Anforderungen erfüllt. Die Bestandteile sind:
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- AES (Advanced Encryption Standard),
- ECC (Elliptic Curve Cryptography),
- Embedded TLS (Transport Layer Security) - und auch DTLS für UDP,
- CMS (Cryptographic Message Syntax),
- Secure Plattformen (Secure Boot, Secure Module, Secure App).
"Aus diesem Mix kann das System auf die unterschiedlichsten Anwendungsfälle individuell ausgerichtet werden", erläutert Beckmann: "Dazu haben wir in den letzten Jahren viele Erfahrungen bei konkreten Umsetzungen gesammelt. Insbesondere konnten wir in den bisher für Kunden umgesetzten Projekten zeigen, dass bestehende Feldbus-Systeme mit den ihnen immanenten Sicherheitsmaßnahmen sinnvoll und mit Augenmaß eingebunden werden können". Denn es mache wenig Sinn, dieselben Maßnahmen sowohl bei einer Anbindung an eine WLAN-Cloud umzusetzen, als auch bei einer verkabelten KNX-TP-Lösung, die per se das Gebäude nicht verlässt. Hier sei eine differenzierte Betrachtung nötig.