Plagiate: minderwertige Qualitäten kosten Arbeitsplätze
Die Deutsche Sanitärindustrie im Kampf gegen Produktpiraterie
Jahr für Jahr entstehen der deutschen Wirtschaft durch Plagiate Schäden in Milliardenhöhe. Doch damit nicht genug: Durch Produktpiraterie gehen nicht nur Arbeitsplätze in Deutschland verloren, es kommen auch minderwertige Produkte in Umlauf, die der Umwelt und im schlimmsten Fall der Gesundheit schaden können. Die Mitglieder der Initiative Blue Responsibility setzen sich daher aktiv für die Verwendung von Markenprodukten ein, die hohe Qualitätsstandards garantieren und umweltgerecht sowie unter fairen Arbeitsbedingungen produziert werden.
Es ist wie so oft: Unternehmerischer Erfolg weckt Begehrlichkeiten und findet nicht selten illegale Nachahmer. Die Produktpiraterie begleitet die deutschen Sanitärhersteller bereits seit Jahrzehnten. Fortschreitende Trends wie die Globalisierung, das Internet und technische Werkzeuge, beispielsweise 3-D-Drucker, begünstigen das Zustandekommen von Plagiaten. „Die Fälschungen sind keine preisgünstige Alternative zum Original. Sie sind lediglich eine Täuschung, die harmlos wirkt, aber unkalkulierbare Risiken mit sich bringt“, weiß Wolfgang Burchard, Sprecher der Initiative Blue Responsibility.
Ein gesamtwirtschaftliches Problem
„Plagiate stören die Wertschöpfungskette“, bestätigt auch Dirk Lückemann von Schell. „Produkte werden in aufwendigen Prozessen entwickelt, durchlaufen Produktzyklen und erfordern irgendwann einen Re-Invest.“ In diesem Prozess stellt die Produktfälschung eine enorme Bedrohung dar: Der geistige Diebstahl führt dazu, dass sich Investitionen in Forschung und Entwicklung kaum noch lohnen. Dabei sind Innovationskraft und Erfindergeist die treibenden Kräfte unserer Wirtschaft.
Auch die Vernichtung qualifizierter Arbeitsplätze – mehrere Zehntausend pro Jahr in Deutschland – stellt die Unternehmen vor Herausforderungen. „Wir gehen davon aus, dass wir ohne die vielen Plagiate rund 100 neue Arbeitsplätze schaffen könnten“, erklärt Andreas Dornbracht des gleichnamigen Unternehmens. Selbst wenn Arbeitsplätze erhalten werden können, sind die wirtschaftlichen Einbußen durch Produktpiraterie ein großes Manko: Laut einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young von 2015 beläuft sich der Schaden für deutsche Unternehmen auf jährlich 56 Mrd. Euro.
Mit Qualitätsprodukten auf der sicheren Seite
Neben den deutschen Sanitärherstellern sind Handel, Installateure und Endverbraucher von erheblichen Sicherheitsrisiken betroffen, denn Plagiate reichen qualitativ nie an die Originalprodukte heran. „Unsere Produkte kommen mit unserem höchsten Gut in Berührung: dem Trinkwasser. Daher legen wir größten Wert darauf, die Anforderungen bis ins kleinste Detail zu erfüllen“, sagt Bianca Federer von Neoperl. In Deutschland sind Industrie und Installationsunternehmen verpflichtet, nur Materialien einzusetzen, die den Normen entsprechen und damit die Reinheit des Trinkwassers sicherstellen. Diese im sensiblen Trinkwasserbereich geforderten Zulassungen für Werkstoffe und Farbpigmente werden von den Produktfälschungen jedoch nur selten erfüllt. „Plagiate enthalten oft einen hohen Anteil Altmetall. Die Messinglegierungen weisen zu viel Blei, Nickel und Cadmium auf. Das kann zu allergischen Reaktionen und langfristig sogar zu Organschäden führen“, weiß Dirk Lückemann. Außerdem begünstigen die gefälschten Produkte die Übertragung von Infektionen: Ein fehlender Rückflussverhinderer zum Beispiel ist ein Risiko für bakterielle Verunreinigungen in der gesamten Trinkwasserinstallation.
Miserable trinkwasserbeeinflussende Materialien, unzureichende mechanische Stabilität und Verletzungsgefahren stellen nicht nur eine Gefahr für die Gesundheit dar, sondern resultieren zusätzlich in erheblichen Rufschädigungen für die jeweiligen Unternehmen. Design kann zwar ansatzweise kopiert werden, aber die deutsche Manufakturqualität und das Qualitätssiegel „Made in Germany“ nicht. „Die deutschen Sanitärhersteller erbringen nicht alleine ein Produktangebot, sondern gleichzeitig ein Serviceversprechen, das den Kunden einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert bietet“, sagt Volker Röttger von Geberit.
Scheinbar identisch
Unternehmen und Verbände der deutschen Sanitärindustrie wehren sich nach Kräften gegen die Bedrohung durch Produktpiraten. So gehen die Markenhersteller im Falle einer Verletzung von Schutzrechten (Marke, Gebrauchs- und Geschmacksmuster, Patente) mit juristischen Schritten gegen die Produzenten und Händler gefälschter Waren mit dem Ziel vor, die Produktkopien dauerhaft vom Markt zu entfernen. „Die Grenze ist sehr vage: Sobald ein Produkt anders geschwungen ist, haben wir rechtlich kaum eine Chance“, erklärt Sabine Meissner von Burgbad. „Denn dann ist es unserem Modell zwar sehr ähnlich, aber eben nicht identisch.“ Damit sich die Originale bereits auf den ersten Blick abheben, werden alle Produkte mit dem Firmenlogo gekennzeichnet.
„Verdächtig ist immer ein vergleichsweise niedriger Preis“, erklärt Veit Szpak von Mepa. Viele Plagiate sind zudem an fehlenden Prüfzeichen bzw. fehlender DVGW-Zulassung erkennbar. „Und natürlich an schlechter Material- und Verarbeitungsqualität. Aber das ist für den Endkunden leider schwer zu erkennen.“ Wenn diese auf Nummer sicher gehen möchten, bleibt ihnen nur der Bezug über Handwerksbetriebe, die ihre Produkte aus dem Fachgroßhandel für Haustechnik beziehen. Nach Erfahrungen des deutschen Zolls stammen 95 % der gefälschten Artikel aus China. Aber selbst innerhalb Europas ist die Konkurrenz nicht untätig und kopiert gern die Markenartikel aus deutscher Produktion. Angezogen vom weltweiten Erfolg der hiesigen Markenanbieter kommen die Wettbewerber häufig sehr schnell mit sehr ähnlichen Produkten auf den Markt.
Nachhaltige Produktion in Deutschland
Aufgrund minderwertiger Materialien und umwelt- und gesundheitsbelastender Substanzen erfüllen Plagiate keinesfalls die Ansprüche der Nachhaltigkeit. Ihr frühzeitiger Verschleiß ist ökonomisch unberechenbar. Zusätzlich lassen fehlende Garantien bei den Plagiaten kaum Regressansprüche der Anwender zu, was wiederum in Unmut endet.
Auch versicherungstechnisch kann es Probleme geben, wenn beispielsweise ein Wasserschaden durch eingebaute Falschfabrikate verursacht wird. Plagiate sind daher auf keiner Ebene – weder ökonomisch, noch ökologisch oder sozial – nachhaltig. „Wir müssen uns gemeinsam gegen die fortschreitende Produktpiraterie wehren“, sagt Wolfgang Burchard. Eine effektive Maßnahme sieht er beispielsweise in dem Zollrundgang auf der ISH, bei dem in den vergangenen Jahren je über 200 Produkte beschlagnahmt wurden. Die Mitglieder von Blue Responsibility werden sich auch dieses Jahr wieder aktiv für ihre Markenrechte einsetzen.
Blue Responsibility
Unter dem Titel „Blue Responsibility“ informiert die deutsche Sanitärindustrie über nachhaltige Sanitärlösungen, z. B. effiziente Trinkwassernutzung, Trinkwasserhygiene oder Baddesign. Der Initiative haben sich 16 Markenhersteller angeschlossen.
„Plagiate sind eine große Gefahr für unser Trinkwasser“
Boss-Jeans für 35 Euro, Armani-Sonnenbrille für 20 Euro. Was man im eigenen Auslandsurlaub häufig als harmlos betrachtet, dürfte zurück im eigenen Land anders gesehen werden, z. B. wenn eine nachgemachte Markenbadarmatur für einen Bruchteil des normalen Wertes angeboten wird. Die IKZ-HAUSTECHNIK sprach mit Wolfgang Burchard über die Entwicklungen, die Folgen und wie man sich als professioneller Akteur davor schützen kann.
IKZ-HAUSTECHNIK: Plagiate kommen in allen Lebens- und Produktbereichen vor: Unterhaltungselektronik, Werkzeuge, Designertaschen, Kleidung und noch viel mehr. Auf den ersten Blick – und manchmal auch auf den zweiten – wirken sie täuschend echt. Wie können Plagiate im Sanitärbereich erkannt werden?
Wolfgang Burchard: Ein vergleichsweise niedriger Preis – insbesondere beim Einkauf auf internationalen und auch nationalen Webseiten – ist ein Hinweis auf ein Plagiat. Auch eine minderwertige Material- und Verarbeitungsqualität kann durch das geschulte Fachauge erkannt werden.
Spätestens bei der Verwendung von gefälschten Produkten merken auch Endverbraucher, wenn sie einem Plagiat aufgesessen sind: Unappetitliche Ablagerungen am Auslauf von Sanitärarmaturen lassen fehlende Hygienestandards erkennen. Und nicht selten resultieren sogar Wasserschäden aus der Schnäppchen-Jagd.
IKZ-HAUSTECHNIK: Inwiefern stellen Plagiate vor diesem Hintergrund eine Gefahr für die Unternehmen dar?
Wolfgang Burchard: Neben erheblichen Umsatzeinbußen und weniger Arbeitsplätzen stellen auch Imageschäden die Unternehmen vor besondere Herausforderungen. Die Mitglieder von Blue Responsibility stehen für Qualität, Hygiene und ein großes Serviceversprechen. Produktpiraterie macht ihnen hier aber einen Strich durch die Rechnung, wenn nämlich Kunden ihre vermeintlichen Reklamationsansprüche geltend machen und ihren Unmut äußern, obwohl die in Rede stehenden Produkte gar nicht vom Originalhersteller stammen. Aus unternehmerischer Sicht ist es daher völlig verständlich, wenn die Unternehmen über weniger Forschung und Entwicklung nachdenken. Gleichzeitig ist das aber eine erhebliche Gefahr für die deutsche Wirtschaft!
IKZ-HAUSTECHNIK: Was bedeuten Plagiate im Sinne der Nachhaltigkeit? Spielt das überhaupt eine Rolle?
Wolfgang Burchard: Wir von Blue Responsibility legen großen Wert auf die Trinkwasserhygiene. Sauberes Trinkwasser für alle Menschen bereitzustellen, ist eine der größten globalen Herausforderungen. Denn immer noch hat rund jeder neunte Mensch auf der Erde keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Und auch wenn wir in Deutschland aufgrund ausreichender Wasserressourcen kein Wasser sparen müssen, so sollten wir es doch bewusst nutzen. Plagiate sind wegen ihrer minderwertigen Materialien und umwelt- und gesundheitsbelastenden Substanzen eine große Gefahr für unser Trinkwasser.
IKZ-HAUSTECHNIK: Augenscheinlich geht von diesen minderwertigen Produkten eine große Imagegefahr für die Markenhersteller aus. Wie schützen die Mitglieder der Nachhaltigkeitsinitiative ihre Qualitätsprodukte?
Wolfgang Burchard: Die herausragende Produktqualität unserer Mitgliedsunternehmen beginnt bei der sorgfältigen Lieferanten- und Rohstoffauswahl, erstreckt sich über umweltschonende Produktionsverfahren und den Einsatz von nachhaltigen Materialien bis hin zu umfassenden Funktions- und Sicherheitstests der fertigen Produkte. Wir stellen Produkte im Sinne der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit her und belegen dies unter anderem auch mit unserem europäischen Water Efficiency Label WELL.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie kann sich jeder Einzelne gegen Produktpiraterie schützen? Denn erst Markenprodukte versprechen Sicherheit auf ganzer Linie.
Wolfgang Burchard: Proaktive Schutzmaßnahmen gegen Produktpiraterie gibt es wenige. Manche Markenhersteller versuchen, durch Kennzeichnungen ihre Produkte vor Fälschern zu schützen. Finanzielle Mittel im sechsstelligen Bereich werden jährlich in Patente und Markenschutz investiert.
Tatkräftige Unterstützung im Kampf gegen Plagiatoren erhalten die Sanitärhersteller auch durch den VDMA Fachverband Armaturen, dessen Rechtsabteilung bei juristischen Fragestellungen berät und informiert. Er pflegt die Kontakte zur Politik, um auch auf dieser Ebene den Druck für den Kampf
gegen Produktpiraterie zu erhöhen. Aktionen wie der Zollkontrollrundgang auf Messen, den der VDMA Fachverband Armaturen seit 2007 initiiert, gehören dabei zu einem der wirkungsvollsten und effizientesten Mittel im Kampf gegen die Produktpiraterie. Mit unserer Initiative Blue Responsibility nehmen wir am Zollrundgang teil und richten uns gezielt an potenzielle Kunden wie auch an die breite Öffentlichkeit – für die Verwendung von hochwertiger Sanitärtechnologie.