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Innenraumbelastungen durch Luftundichtigkeiten in Gebäuden

Probleme mit Schadstoffen, Geruchsbelästigungen und Schimmelpilzbefall in Gebäuden sind nicht neu. Ein hingegen häufig unterschätztes Problem ist, dass die Ursache für derartige Innenraumbelastungen sich nicht automatisch auch im selbigen Raum befinden muss, in dem die Probleme wahrgenommen werden. Luftundichtigkeiten innerhalb eines Gebäudes transportieren über interzonale Luftströmungen Innenraumbelastungen in andere Räume und erschweren so die Ursachenermittlung erheblich.

Schimmelpilzbefall im Spitzboden eines Neubaues durch eine undichte Bodeneinzugtreppe.

Leckagen führten zu einem Pilzbefall im Decken­aufbau.

Typischer Messaufbau einer Blower-Door-Messeinrichtung.

Schematische Darstellung interzonaler Luftströmungen im Gebäude.

Baubiologe Uwe Münzenberg

 

Ursache für Schadstoffausdünstungen oder Geruchsbelästigungen sind in der Regel die Bauprodukte, mit denen das Gebäude ausgestattet wurde. So wird der Geruchseindruck eines Raumes von den großflächig in den Räumen eingesetzten Materialien für Wände und Bodenbeläge wesentlich beeinflusst. Neben ausgasungsaktiven Materialien trägt häufig jedoch eine Unverträglichkeit von verschiedenen Materialien durch fehlerhafte Verarbeitung oder Anwendung zur Innenraumbelas­tung bei. So kommt es immer wieder vor, dass z.B. Spachtelmassen oder Kleber sich nicht mit dem alkalischen oder feuchten Untergrund vertragen und chemische Reaktionen einsetzen, welche zu einer Belas­tung durch Innenraumschadstoffe führt, die durch chemische Verbindungen ursprünglich gar nicht in den Bauprodukten enthalten waren. Kurzfristige Hilfe kann zwar intensives Lüften bieten, da jedoch durch die anhaltenden chemischen Reaktionen die Immissionen immer wieder nachgeliefert werden, sind die Probleme nicht durch Fensterlüftung zu lösen. Viele Innenraumschadstoffe mit Gefährdungspotenzial werden von der Nase jedoch nicht wahrgenommen. Ein Warnsignal wie Geruchsbelästigung bleibt aus. Daher können sie sich mittel- oder langfristig nachteilig auf die Gesundheit auswirken, ohne dass der Nutzer ihre Exis­tenz ahnt.
Der Verdacht ist naheliegend, die Quellen für Innenraumbelastungen auch dort zu suchen, wo sie wahrgenommen werden. In der Regel stehen Oberflächen wie Teppiche und Wandfarben oder die Holzwerkstoffe und Oberflächenbehandlung der Einrichtungsgegenstände unter Generalverdacht. Liegt ein Schimmelpilzbefall vor, wird häufig der schnelle Schluss gezogen, dass die Ursache hierfür im befallenen Raum zu finden sein muss. Dies muss jedoch nicht so sein. Immer häufiger müssen wir in unserem Institut feststellen, dass die eigentliche Ursache in sogenannten interzonalen Luftströmungen bedingt durch Luftundichtigkeiten oder Gebäudeleckagen innerhalb des Gebäudes zu suchen ist.
Auf den ersten Blick werden Luftströmungen oder Luftbewegungen in einem Gebäude für harmlos oder sogar für wünschenswert gehalten. So verbindet man mit Luftbewegung eher Positives, bis hin zu der romantischen Vorstellung von einem gesunden, weil „atmenden“ Gebäude. Ungewollt luftdurchströmte Bauteile ziehen jedoch stellenweise ernst zu nehmende Folgen für die Haltbarkeit des Gebäudes und für die Gesundheit der Nutzer nach sich. Unkontrollierte Luftströmungen durch Gebäudeleckagen können neben den „Klassikern“ Energieverlust, Zugerscheinungen und brandschutztechnische Mängel weitere gravierende negative Effekte nach sich ziehen:

  • Schimmelpilzbefall durch Kondensation von warmer Innenraumluft in kühleren Bauteilen oder Räumen,
  • Geruchsbelästigungen durch Undichtigkeiten zwischen einzelnen Gebäudeteilen,
  • Eintrag von Schadstoffen in die Raumluft durch luftdurchströmte Bauteile, welche mit Schadstoffen belastet sind.

Undichtigkeiten durch Gebäudeleckagen – auf der Suche nach den Ursachen

Im Zuge der Energieeinsparung werden Gebäude immer luftdichter gebaut. Dies ist auch sinnvoll, da durch unkontrollierte Luftströmungen durch Gebäudeleckagen in der Luftdichtheitsebene Heizenergie verloren geht. Bei zunehmender Dichtigkeit der Außenfassade gewinnen jedoch einzeln verbleibende und ungewollte Undichtigkeiten innerhalb des Gebäudes an Bedeutung. Beispielsweise führen einzelne Gebäudeleckagen in einem alten Fachwerkhaus wie etwa Leitungs- und Rohrdurchführungen erst zu einem ernsthaften Problem, wenn im Zuge einer energetischen Sanierung die „Hunderten“ von kleinen Undichtigkeiten in der Gebäudehülle abgedichtet werden.
Wie kommt es zu Luftströmungen in einem Gebäude? In einem Gebäude entstehen durch Winddruck und Temperatur­unterschiede oder aber auch durch Lüftungsanlagen Druckdifferenzen, ähnlich wie zwischen einem Hoch- und Tiefdruckgebiet im Wetterbericht. Und wie auf der Wetterkarte dargestellt, strömt die Luft vom höheren zum tieferen Druck. Bestehen Undichtigkeiten, z.B. durch Rohrleitungen oder Elektrokabel, so können durch die entstehenden Luftströmungen Schadstoffe, Gerüche oder Feuchtigkeit von einem Gebäudeteil in den anderen transportiert werden.
In der Praxis kommt es daher vor, dass beispielsweise ein Architekturbüro ein ernst zu nehmendes Schadstoffproblem in seinen Räumen hat, weil sich im selben Gebäude eine Werkstatt befindet und dessen Lösemitteldämpfe durch Luftundichtigkeiten in die Räume der Architekten gelangt. Oder eine Anwaltskanzlei sich durch ständig frischen Kaffeegeruch aus dem im Gebäude befindlichen Café belästigt fühlt. Ein sehr häufiges Problem ist auch Schimmelpilzbefall im Dachstuhl, weil beispielsweise durch eine undichte Bodeneinzugtreppe warme Luft (und damit Feuchtigkeit) in den Dachboden gelangt.
Geruchsbelästigungen wie etwa Zigarettenrauch oder Fischgeruch lassen sich in der Regel leicht einem Verursacher zuordnen. Es bleibt jedoch für die Betroffenen oft unklar, wie und wo der Geruch aus der Nachbarwohnung in die eigenen vier Wände gelangt. Die Zeiten, in denen die Geruchsbelästigungen auftreten, lassen sich nicht immer einem erkennbaren Rhythmus oder einem Ereignis zuordnen, welches auf die Ursache der Gerüche schließen lässt. Dies ist ein Hinweis, dass die Quelle für die Gerüche wahrscheinlich nicht in Einrichtungsgegenständen zu finden ist. Vielmehr rücken andere Gebäudeabschnitte oder Hohlräume in der Bausubstanz in den Fokus der Untersuchungen.

Bewährte Lösungsansätze für die Praxis

Die Druckverhältnisse in einem Gebäude können sich auch durch Lüftungsanlagen nachteilig verändern. Beispielsweise können in einem Hotel kritische ungewollte Druckunterschiede entstehen, wenn in der Küche die Dunstabzugshauben auf voller Leistung arbeiteten und sich im Res­taurant Kanalgerüche ausbreiten. Daher stellt sich die Frage: Wie können Innenraumbelastungen durch interzonale Luftströmungen messtechnisch erfasst werden?
Die messtechnische Lösung besteht darin, unterschiedliche Druckverhältnisse im Gebäude zu simulieren. Praktisch durchgeführt wird dies mit einer Blower-Door-Messung, welche in Verbindung mit der Aufzeichnung der Differenzdruckverhältnisse eine gute Möglichkeit darstellt, Schadstoffe und Gerüche in Gebäuden quasi auf „Knopfdruck“ darzustellen und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
Die meisten Probleme reduzieren sich der Erfahrung nach auf zwei typische Fälle:
Fall 1: Nach Aufbau eines Unterdrucks nimmt die Geruchsintensität aufgrund des erhöhten Luftwechsels ab. In dieser Situation ist davon auszugehen, dass sich die Geruchsquelle im Raum befindet und nicht in anderen Bereichen des Gebäudes. Solche Quellen können zum Beispiel Kleber, Wandfarben, Teppiche, Fußböden oder Oberflächenbeschichtungen sein. Für die weitere Ursachenklärung ist es daher sinnvoll, Materialproben großflächig eingebauter Materialien zur olfaktorischen und chemisch analytischen Untersuchung ins Labor mitzunehmen.
Fall 2: Die Geruchsintensität nimmt zu oder tritt erst nach dem Aufbau des Unterdrucks auf. Der zunächst  undefinierte homogene Geruch erfährt eine räumliche Differenzierung, sodass der Eintrittsweg in den Raum olfaktorisch oder chemisch analytisch, beispielsweise mit einem Photo­ionisationsdetektor, bestimmt werden kann. Die Eintrittswege können Kabelführungen, Installationsschächte, Bodendehnungsfugen, Durchdringungen von Rohrleitungen aber auch Abwasserleitungen sein. Aufgrund der räumlichen Zuordnung wird eine Problemlösung möglich.
Dieses Konzept lässt sich auch auf die Erstellung von Sanierungskonzepten für Formaldehyd in Fertighäusern übertragen. Ohne die Undichtigkeiten der einzelnen Wände und Wanddurchbrüche in einem Fertighaus mittels Differenzdruckverfahren ermittelt zu haben, ist eine sinnvolle Sanierungsplanung kaum möglich. Die Hohlräume der Fertigbauteile verhalten sich wie korrespondierende Röhren. Eine Abdichtung der raumseitigen Oberflächen der Wände wird keinen Erfolg haben, wenn die Emission über die wandseitigen Oberflächen über Leckagen weiter in die Innenräume dringt. Auch kann der Einbau einer Lüftungsanlage kontraproduktiv sein, wenn diese das Formaldehyd über unerkannte Leckagen beispielsweise aus den Steckdosen zieht.

Um die Lage der kritischen Leckagen oder den Weg, den die Luftströmung durch ein Gebäude nimmt, zu ermitteln, hat es sich in der Praxis bewährt, einen sogenannten Nebeltest durchzuführen. Mittels einem Nebelgenerator und einer Blower-Door-Messeinrichtung können die Leckagen für alle Beteiligten anschaulich visualisiert werden.


Nachgefragt

IKZ-HAUSTECHNIK: Interzonale Luftströmungen als Ursache von Innenraumbelas­tungen. Wie häufig tritt dieses, nennen wir es mal Phänomen, in der Praxis auf?
Uwe Münzenberg: Auch wenn wir regelmäßig Anfragen in unserem Prüfinstitut bekommen, so ist dies sicher nur die kleine Spitze des Eisberges. Ich bin überzeugt, dass es in komplexeren Gebäuden eine häufige Ursache für Geruchsbelästigungen ist.
IKZ-HAUSTECHNIK: Undichtigkeiten zwischen Gebäudeabschnitten durch Rohre oder Kabel leuchten ja noch ein. Aber die Lüftungsanlage als Quelle allen Übels?
Uwe Münzenberg: Ja und Nein. Eine mangelhaft ausbalancierte Lüftungsanlage schafft häufig erst die Voraussetzungen, dass Undichtigkeiten zum Problem werden. Denken Sie beispielsweise an ein nicht seltenes Phänomen in Bürogebäuden mit einer eigenen Mensa-Küche. Mit Beginn des Kochvorganges riecht es in einzelnen Büros nach Essen. Warum? Durch das Zuschalten der Lüftungsanlagen in der Küche werden die Druckverhältnisse im Gebäude dahingehend verändert, dass es zu Geruchsbelästigungen in Büroräumen kommt. Was ist nun die Henne und was das Ei: die Gebäudeleckagen oder die Druckdifferenzen durch die starken Ventilatoren?
IKZ-HAUSTECHNIK:  Welche ersten Schritte kann ein SHK-Unternehmer einleiten und an wen sollte er sich wenden, wenn er vom Kunden auf Gerüche, vielleicht sogar in Zusammenhang mit der neu installierten Lüftungsanlage, angesprochen wird?
Uwe Münzenberg: Wenn der Verdacht nicht ausgeräumt werden kann, dass die Geruchsbelästigungen durch die Ausstattung des Raumes verursacht werden, sollte ein Dichtheitstest durchgeführt werden. Spezialisten findet der SHK-Unternehmer bei der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF) oder beim Berufsverband Deutscher Baubiologen (VDB e.V). Selbstverständlich helfen wir auch gerne weiter.



Autor: Uwe Münzenberg, Baubiologe (VDB), anbus analytik GmbH, E-Mail: um@anbus-analytik.de

www.anbus-analytik.de

 


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