Gefahren einsperren
Wie sich die Feuer- und Rauchausbreitung bei Kabel- und Rohrleitungsführungen durch Brandabschnitte verhindern lässt
Kabelstränge und Rohrleitungen durchziehen Gebäude wie ein Spinnennetz. Für einen sicheren, komfortablen und energieeffizienten Gebäudebetrieb müssen alle Anlagen zuverlässig versorgt werden. Die Vielzahl an Leitungen stellt aber auch ein hohes Risiko für die Brandausbreitung dar, denn sie durchqueren zwangsläufig viele Brandabschnitte des Gebäudes. Vorbeugender baulicher Brandschutz spielt bei der Absicherung dieser Durchführungen eine wichtige Rolle.
Gebäudetechnische Anlagen werden immer zahlreicher und leistungsfähiger: Stromversorgung, Sicherheitstechnik, Heizung, Klimatechnik, Lüftung, Trink- und Abwasseranlagen, Solarkollektoren. Damit wächst in Gebäuden auch die Anzahl an Kabeltrassen und Rohrleitungen in den unterschiedlichsten Ausprägungen.
Rohre in verschiedensten Durchmessern transportieren vielfältige Medien bis hin zu brennbaren Stoffen in Industriebetrieben. Sie können aus nichtbrennbaren Materialien wie Stahl, Gusseisen oder Kupfer oder aus brennbaren Kunststoffen bestehen. Aus Energieeffizienz- oder Schallschutzgründen werden sie häufig mit unterschiedlichen Dämmstoffen ummantelt. Besonders brennbare Rohre oder brennbare Dämmungen stellen im Brandfall ein hohes Risiko dar: Rohr oder Dämmung erweichen, verformen sich und brennen schließlich ab. Ohne Schutzmaßnahmen entstehen dabei je nach Rohrdurchmesser und Dämmstoffstärke große Öffnungen, durch die sich Feuer und Rauch nahezu ungehindert ausbreiten können.
Über Kabeltrassen kann es vor allem in ausgedehnten Nutzungseinheiten zu sehr schneller Brandausbreitung kommen. So wurden bei ungeschützten Kabeltrassen mit PVC-Isolierungen eine Entzündung der Kabel und eine schlagartige Brandausbreitung mit fast 5 m/Sek. beobachtet. Darüber hinaus stellen brennbare Isolierungen eine erhebliche Brandlast dar. Korrosive Gase aus der Verbrennung PVC-haltiger Isoliermaterialien können zu gravierenden Folgeschäden an konstruktiven Bauteilen führen. Fehlender Brandschutz in Kabelanlagen kann vor allem bei Industrieanlagen existenzielle Großschäden verursachen, die mit den Mitteln des modernen baulichen Brandschutzes bei geringem Aufwand vermieden werden können.
Gesetzliche Grundlagen
Abschottungen verhindern eine Brandausbreitung über Rohre und Kabelanlagen durch Decken und Wände, indem im Brandfall der Durchbruch dicht gegen Feuer und Rauch verschlossen bleibt. Gemäß MLAR (Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie) müssen sie dabei den gleichen Feuerwiderstand besitzen wie die raumabschließenden Bauteile selbst. Kabelabschottungen werden nach DIN 4102 Teil 9 entsprechend ihrer Feuerwiderstandsdauer in die Feuerwiderstandsklassen S30 bis S180 eingestuft. Für Rohrabschottungen gilt Teil 11 der DIN 4102, der eine Klassifizierung in die Feuerwiderstandsklassen R30 bis R120 vorsieht (Tabelle 1).
Die Feuerwiderstandsdauer muss in Brandversuchen in einer akkreditierten Materialprüfanstalt nachgewiesen werden. Für Kabel- und Rohrabschottungen gelten ähnliche Kriterien: die Verhinderung des Austritts von Feuer und Rauch und die Begrenzung der Temperaturerhöhung. Die Anforderung der jeweiligen Feuerwiderstandsklasse ist erfüllt, wenn während der definierten Zeit auf der brandabgewandten Seite der Abschottung keine Flammen austreten, der Umfang des Rauchdurchtritts unbedenklich ist und die Oberflächentemperatur um nicht mehr als 180 K ansteigt.
Kabel- und Rohrabschottungen sind gemäß Bauregelliste des DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik) nicht geregelte Bauarten und benötigen deshalb einen bauordnungsrechtlichen Verwendbarkeitsnachweis. Kabel- und reaktive Rohrabschottungen benötigen eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ), nichtreaktive Rohrabschottungen ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfungszeugnis (abP). Dort sind immer auch die zulässigen Randbedingungen beschrieben, z. B. Angaben zur Art der verwendbaren Leitungen, Verarbeitung und Montage, Maximalgröße des Durchbruchs oder Abstände zu anderen Installationen und Bauteilöffnungen. Nur wenn diese Bedingungen eingehalten werden, ist ein ausreichender Brandschutz gegeben.
Im Zuge der europäischen Harmonisierung erfolgt die Klassifizierung und Prüfung von Bauprodukten zukünftig nach der Norm DIN EN 13501 (Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten) sowie diversen europäischen Prüfnormen. Die für Abschottungen maßgeblichen Eigenschaften sind
Raumabschluss (E) und Isolation (I), sodass sich die europäischen Klassifizierungen für Kabelabschottungen aus dem Kürzel „EI“ und der Feuerwiderstandsdauer in Minuten zusammensetzen (Tabelle 2).
Rohrabschottungen verhindern Brandausbreitung
Rohrabschottungen aus feuerwiderstandsfähigen Materialien verhindern eine Brandausbreitung zuverlässig. Bei brennbaren Rohren oder Dämmungen werden Systeme mit hitzebeständigen, reaktiven (intumeszierenden) Materialien eingesetzt, die im Brandfall auf das Mehrfache ihrer Ausgangsgröße aufschäumen und entstehende Öffnungen sicher verschließen. Am meisten werden dazu Rohrmanschetten aus einem Stahlblechmantel mit einer aufschäumenden Einlage verwendet. (Infokasten 1). Sie können auch nachträglich um das Rohr montiert werden. Eine weitere Möglichkeit zum Schutz brennbarer Rohre ist die Verwendung intumeszierender Kitte, Matten, Bänder oder anderer Formteile. Ihre Einsatzmöglichkeiten sind vor allem da gegeben, wo sie im Ringspalt zwischen Rohr und Wand bzw. Decke platziert werden müssen.
Nichtbrennbare Rohre bilden im Brandfall keine Hohlräume, da sie erst bei sehr hohen Temperaturen schmelzen. Es muss lediglich die Übertragung hoher Temperaturen verhindert werden, sodass eine Streckenisolierung mit nichtbrennbaren und thermisch isolierenden Werkstoffen wie Mineralwolle in den meisten Fällen ausreicht.
Druckschwankungen im Rohr führen häufig zu Schwingungen, die je nach Rohrdurchmesser Auslenkungen von mehreren Zentimetern erreichen können. Rohrabschottungen müssen diese Bewegungen auch über längere Zeiträume ohne Beeinträchtigung der Sicherheit aufnehmen können.
Kabelabschottungen und Bandagen
Kabelabschottungen sind in den verschiedensten Ausführungen für die unterschiedlichsten Anwendungsgebiete erhältlich, beispielsweise Mörtel-, Platten- oder Modulschotts. Damit sind nahezu alle Kombinationen von Kabeln und Einbausituationen beherrschbar. Einen Vollschutz bieten Kabelvollbandagen, die einzelne Kabel oder ganze Kabelbündel vor einer Brandeinwirkung von außen wie von innen schützen (Infokasten 2). Sie bestehen aus einem vorgefertigten, nichtbrennbaren Glasfasergewebe mit einem Dämmschichtbildner, der im Brandfall aufschäumt und eine Brandweiterleitung verhindert. Bei einem Umgebungsbrand wird das innen liegende Kabel vor Zerstörung geschützt.
Im Vergleich zu der vor allem in ausgedehnten Industrieanlagen schon länger praktizierten direkten Beschichtung von Kabeln („Brandschutzanstrich“) haben Kabelvollbandagen erhebliche Vorteile. Kabelvollbandagen können wirtschaftlich montiert werden, da sie einfach um die zu schützenden Kabel gewickelt und mit Bändern befestigt werden. Aus diesem Grund ist auch eine spätere Nachbelegung einfach möglich. Die vor einer Direktbeschichtung gegebenenfalls notwendige aufwendige Reinigung der Kabel entfällt.
Wirtschaftliche Montage
Für einen wirtschaftlichen Gebäudebetrieb ist die Optimierung der Nutzfläche von großer Bedeutung. Rohrleitungen werden deshalb möglichst platzsparend verlegt. Erleichtert wird das durch die Verwendung von Rohrabschottungen, für die deren Zulassung keinen Abstand zu anderen Durchführungen fordert. Aus Platzgründen werden Rohrleitungen bereits in geringem Abstand zu Wänden oder Decken häufig bogenförmig verlegt. Auch dafür muss die Rohrabschottung zugelassen und anwendbar sein.
Ein weiterer Kostenfaktor bei der Erweiterung und Sanierung von Gebäuden und gebäudetechnischen Installationen ist die wirtschaftliche Nachbelegung von Rohr- und Kabelabschottungen. Eine zeitsparende Montage sowie eine durch „Nullabstände“ möglichst große Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Fläche (maximal 60 % der Schottfläche) kann erhebliche Kosten einsparen. Viele der für Kabelanlagen verwendeten Abschottungen, sogenannte Kombischotts, sind auch für die parallele oder nachträgliche Durchführung brennbarer oder nichtbrennbarer Rohre zugelassen.
Schlussbemerkung
Die Vielzahl der möglichen Kombinationen von Rohren, Dämmstoffen und Rohrabschottungen in den unterschiedlichsten Einbausituationen erfordert beim Einbau sorgfältige Planung und geschultes Fachpersonal. Nur so sind eine wirtschaftliche Montage sowie eine zuverlässige Verhinderung der Brand- und Rauchausbreitung gewährleistet. Die im bvfa (Bundesverband Technischer Brandschutz) zusammengeschlossenen Hersteller von baulichen Brandschutzprodukten bieten eine Vielzahl qualitativ hochwertiger Lösungen an, die nahezu alle Anwendungsfälle abdecken. Sie unterstützen die Verarbeiter ihrer Produkte mit umfangreichen Informationen, Datenblättern und Tools sowie detaillierten Schulungen.
Autor: Dr. Wolfram Krause, Geschäftsführer des bvfa – Bundesverband Technischer Brandschutz e. V., Würzburg.
Infokasten 1: Funktion einer Brandschutzmanschette
Brandschutzmanschetten schotten die Durchführungen brennbarer Rohre in Decken und Wänden ab. Im Brandfall verschließen sie die Hohlräume, die durch die vom Brand zerstörten Rohre entstanden sind. Dadurch wird die gefährliche Ausbreitung von Feuer und Rauch über den geforderten Zeitraum zuverlässig verhindert.
Brandschutzmanschetten enthalten zu diesem Zweck dämmschichtbildende Materialien, die im Brandfall ab etwa 160 °C aufschäumen und auf das Mehrfache ihrer Ausgangsgröße expandieren. Dabei quetschen sie das bei dieser Temperatur bereits erweichende Rohr zusammen und verschließen so den entstehenden Hohlraum. Je höher die Temperatur, desto stärker schäumt der Dämmschichtbildner in der Manschette auf. Der Vorgang des Auf- und Nachschäumens kann sich dabei über einen Zeitraum von mehr als 90 Minuten erstrecken.
Aufgesetzte Brandschutzmanschetten sind in Wänden beidseitig zu montieren. Bei Decken reicht die Montage auf der Unterseite aus. Denn es wird von einer hauptsächlichen Ausbreitung des Brandes von unten nach oben ausgegangen.
Infokasten 2: Funktion einer Kabelbandage
Kabelbandagen bestehen aus robusten Vliesen (häufig auf Glasfaserbasis), die zur Kabelseite hin mit Dämmschichtbildnern beschichtet sind. Bei Temperaturen ab etwa 180 °C schäumt der Dämmschichtbildner auf und bildet eine mikroporöse, wärmedämmende Isolierschicht, die vorhandene Hohlräume schnell verschließt. Bei einer Selbstzündung des Kabels durch Kurzschluss oder Überhitzung wird eine Brandausbreitung in andere Bereiche durch die geringe Wärmeleitfähigkeit dieser Schutzschicht und dem Blockieren der Sauerstoffzufuhr zuverlässig verhindert.
Doppelseitig beschichtete Kabelbandagen sind auf beiden Seiten mit einem Dämmschichtbildner versehen und schützen auch gegen eine Brandeinwirkung von außen. Die Funktionsfähigkeit elektrischer Versorgungsleitungen wird im Brandfall dadurch wesentlich verlängert und die Bildung korrosiver und toxischer Brandgase stark vermindert. Moderne Systeme erreichen eine Feuerwiderstandsdauer von mindestens 90 Minuten. Die Größe und Orientierung (horizontal oder vertikal) der Kabel oder Kabelbündel sowie deren Gesamtleiterquerschnitt und die Größe der Kabeltragekonstruktionen sind dabei nicht beschränkt. Durch ihr geringes Gewicht und ihre große Flexibilität sind Kabelbandagen bei beengten Platzverhältnissen oft die einzige geeignete Brandschutzmaßnahme. In diesen Fällen machen sie die Verwendung von I30-Installationskanälen oder das Einziehen von Zwischendecken häufig überflüssig.
Kabelbandagen dürfen nur zwischen raumabschließenden Bauteilen eingesetzt werden. Durchbrüche in Wänden oder Decken sind mit bauaufsichtlich zugelassenen Kabelabschottungen brandschutztechnisch zu sichern.