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Barrieren sinnvoll abbauen - Interview mit einer Beraterin für barrierefreies Wohnen

Bärbel Hälbig arbeitet als Wohnberaterin in Leipzig. Wir sprachen mit der Expertin in einer Ausstellung, deren Schwerpunkte die senioren- und rollstuhlgerechte Gestaltung von Küche und Bad einer Wohnung sowie Technikhilfen im Alter sind. Entstanden ist diese Ausstellung im Ergebnis einer Baufachmesse in Leipzig und infolge des Engagements der Leipziger Arbeitsgruppe „Barrierefreies Wohnen“. Gründungsmitglieder sind der örtliche Behindertenverband, die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) sowie das Sozialamt der Stadtverwaltung. Betrieben und betreut wird sie von einem Arbeitskreis aus dem örtlichen Behindertenverband, der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) und der Stadtverwaltung. Sie ist in der Stadtverwaltung angesiedelt.

In der Wohnberatungsstelle in Leipzig können sich unterschiedliche Zielgruppen über barrierefreies Wohnen informieren. Bild: Elke H. Zobel

Bärbel Hälbig: Das Interesse am Thema Barrierefreiheit ist außerordentlich hoch und steigend. Bild: Elke H. Zobel

 

IKZ-HAUSTECHNIK: Frau Hälbig, wie ist das Interesse am Thema Barrierefreiheit?
Bärbel Hälbig: Das Interesse ist außerordentlich hoch und steigend, nicht nur bei Betroffenen, sondern auch bei Vermietern, obwohl es da noch Nachholbedarf gibt, denn die Vermieter müssen den Umbau genehmigen, jedoch nicht finanzieren. Sie tun es dennoch, oft gegen eine Vereinbarung zum Rückbau. Dieser wird allerdings in der Praxis kaum eingefordert. Immer mehr Menschen wollen besonders im Alter und bei Behinderung eher eine Dusche als eine Wanne, denn eine Wanne ist nicht nur unfallträchtiger, es braucht auch mehr Wasser.
IKZ-HAUSTECHNIK: Ist demnach eine Wanne im Rahmen eines barrierefreien Wohnens grundsätzlich abzulehnen?
Bärbel Hälbig: Nein. Medizinische Wannenbäder sind für bestimmte Menschen sinnvoll und lassen sich nicht gänzlich durch Duschbäder ersetzen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Für welche Räume wird Barrierefreiheit am ehesten nachgefragt?
Bärbel Hälbig: Die meisten wollen Veränderungen im Badbereich. Selbstständiges Waschen, Duschen, Toilettengang sind den betroffenen Menschen überaus wichtig. Zunächst werden Hilfsmittel eingesetzt, Wannenlift, WC-Erhöhung, Halte- und Stützgriffe, gern mit Saugtechnik, weil dafür der Vermieter nicht zustimmen muss.
IKZ-HAUSTECHNIK: Und wenn das nicht mehr reicht?
Bärbel Hälbig: Dann müssen bauliche Veränderungen überlegt werden. Ist eine Pflegestufe festgestellt, beteiligt sich die Pflegekasse mit bis zu 2557 Euro. Das gilt schon nach dem Pflegeneuausrichtungsgesetz ab Pflegestufe 0:
IKZ-HAUSTECHNIK: Sollte man versuchen, genau diesen Betrag einzuplanen?
Bärbel Hälbig: Nein. Der Zuschuss kann gesplittet werden, sodass mehrere Maßnahmen nacheinander durchgeführt werden können.
IKZ-HAUSTECHNIK: Und wenn der Zuschuss nicht reicht?
Bärbel Hälbig: Es gibt Mischfinanzierungen: Einen Teil zahlt hierbei oft der Vermieter, einen die Kasse, einen der Betroffene, das Sozialamt, die Rentenversicherung, die Berufsgenossenschaft, je nach Einzelfall.
IKZ-HAUSTECHNIK: Gibt es auch Anfragen für den Neubau barrierefreier Bäder?
Bärbel Hälbig: Ja, aber selten. Unsere Zielgruppe sind aber neben Seniorinnen und Senioren und deren Angehörigen auch Architekten, Planer, Vermieter, soziale Diens­te und Bildungsträger, etwa Schulen für Pflegefachkräfte.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was zählt zur Barrierefreiheit im Wohn- und Badbereich?
Bärbel Hälbig: Barrierefreiheit nach DIN 18040 ist ein spezieller Begriff. Teil 1 bezieht sich auf den öffentlichen Bereich, Teil 2 auf den Wohnbereich. Zu bedenken ist, dass Barrierefreiheit nicht erst in der Wohnung beginnt, sondern schon am Hauseingang.
IKZ-HAUSTECHNIK: Es reicht also nicht, wenn eine Wohnung barrierearm ist?
Bärbel Hälbig: Barrierearm ist ein furchtbares Wort! Es lässt automatisch an „arm“ denken. Ich würde eher „barrierereduziert“ sagen. Aber barrierefrei muss und kann nicht Barrierefreiheit nach DIN 18040 entsprechen. Im Bestandswohnen, also in den meisten alten Bädern, wäre so viel Platz zur Umsetzung der DIN gar nicht
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Rolle spielt die Größe eines Bades für seine Barrierefreiheit?
Bärbel Hälbig: Um mit dem Rollstuhl auf der Stelle drehen zu können, ist nach DIN eine Fläche von 1,5 x 1,5 m erforderlich.
IKZ-HAUSTECHNIK: Lässt sich ein kleines Bad trotzdem barrierefrei umbauen?
Bärbel Hälbig: Zum Teil: Türen sollten nach außen aufgehen und von außen entriegelbar, Waschbecken sollten unterfahrbar sein, WCs für Rollstuhlfahrer 48 cm hoch, Spiegel möglichst groß genug, dass sich stehende und sitzende Personen ganz darin betrachten können.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was halten Sie von Wannen mit Türen?
Bärbel Hälbig: Eine denkbare Möglichkeit; allerdings muss man jedes Mal das Wasser völlig ablaufen lassen, ehe man aus der Wanne steigen kann. Daher werden bodengleiche Duschen meis­tens bevorzugt.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was ist zu beachten für Menschen, die nicht im Rollstuhl sitzen?
Bärbel Hälbig: Es gibt rutschhemmende Bodenbeläge, eine gute Ausleuchtung, Handläufe nicht nur – beidseitig – im Treppenhaus, sondern auch in der Wohnung, dazu Bewegungsmelder. Vorhänge sind zu überlegen, falls Menschen desorientiert gegen Türen stoßen. Auch kräftige Farben helfen beim Orientieren. Es gibt Schalter mit erhabenen Symbolen für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit. Steckdosen und Schalter sollten in 85 cm Höhe angebracht sein, Fenster sich auch im Sitzen öffnen lassen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie wichtig ist eine wohnliche Gestaltung des Bades für die psychische Gesundheit der Betroffenen?
Bärbel Hälbig: Leider treffen körperliche und finanzielle Einschränkungen oft zusammen, sodass keine anspruchsvolle Neugestaltung infrage kommt. Trotzdem kann man vieles wohnlich gestalten. Jeder möchte sich ja wohlfühlen in der eigenen Wohnung. Viele wollen zum Beispiel keine Edelstahl-Optik. Farbtupfer dagegen geben eine persönliche Note.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sind ältere Leute überhaupt bereit, für ihr Wohlbefinden Geld zu investieren?
Bärbel Hälbig: Ja, und es hängt davon ab, wie stark sie sich eingeschränkt fühlen. Neben den eigenen Rücklagen und den genannten Zuschüssen kommen aber oft die Angehörigen ins Spiel, die ihren Verwandten eine Hilfsmaßnahme zum Geburtstag schenken und so die Zuschüsse sinnvoll ergänzen.

Die Fragen für die Redaktion stellte Elke H. Zobel.

 


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