Schwarzer Peter nicht beim Mieter
Nutzerunabhängige Lüftungssysteme sind besser als die Fensterkippe
In der Vergangenheit waren Gebäude oft so undicht, dass allein durch die Infiltration schon genug Lüftung für Wohngebäude bereitgestellt wurde. Deshalb wurden die Gebäude dichter ausgeführt. Der Lüftungsbedarf der Menschen aber bleibt. Ein neues Effizienz-Problem, weil durch manuelles Lüften Wärme jetzt noch mehr entweicht?
Die Bedeutung der Wohnungslüft ung als Maßnahme zur Energieeinsparung hat den Gesetzgeber bewogen, entsprechende Regelungen zu erlassen. So ist z. B. schon seit der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009 für Wohngebäude ein Lüft ungssystem für die Ausstattung im Referenzfall vorgesehen. Es wird in der EnEV damit begründet, dass wegen der energetisch wichtigen Anforderung zur Luft dichtigkeit ein ausreichender Außenluft wechsel durch Fugenlüft ung nicht mehr sichergestellt ist und deshalb ein Lüft ungssystem vorgesehen werden muss. In der Folge berücksichtigen viele Förderprogramme inzwischen die Wohnungslüft ung als wichtige Energieeinspartechnologie.
Gesetzgeber lässt es noch off en
Kurz zusammengefasst stellt sich die aktuelle Rechtslage so dar, dass der notwendige Mindestluft wechselwert sicherzustellen ist. Off en bleibt der Weg zu dessen praktischer Umsetzung. Das eröff net zwar die Möglichkeit, häufiger manuell zu lüft en, was aber unkomfortabel und z. B. gegenüber Mietern nach einschlägigen Gerichtsurteilen auch kaum durchsetzbar ist. Deshalb empfehlen sich Lüft ungsanlagen als zukunft ssichere und zugleich komfortable Lösung, auch wenn dazu im Moment noch keine gesetzlich festgeschriebene Verpflichtung besteht.
Automatisierte Querlüftung
Die einfachste Form unter den Lüft ungsanlagen ist die automatisierte Querlüft ung. Bei der Querlüft ung sind die Frischluft zuführung und Fortluft ableitung über in die Außenwände integrierte Außenluft - durchlässe realisiert. Die Luft bewegung in der Wohnung wird dabei durch Druckunterschiede an der Fassade bewirkt, die zwischen den Außenluft - durchlässen durch unterschiedliche Geschwindigkeiten der vorbeistreichenden Außenluft entstehen. Um bei diesem System den Luft - austausch innerhalb der Wohnung zu gewährleisten, müssen in den einzelnen Räumen allerdings noch Überströmluft durchlässe angebracht werden. Dies sind Lüft ungsöff nungen innerhalb der Wohnung zwischen Raum und Flur, damit die Luft von Raum zu Raum durch die Wohnung strömen kann, von Luv zu Lee.
Der Vorteil von freien Lüft ungssystemen liegt in den geringen Investitionskosten. Nachteilig ist, dass die Lüft ung nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt sichergestellt ist, sondern von den Faktoren Wind und Temperatur abhängt. Oft vergessen wird zudem, dass auch diese Systeme periodisch gewartet werden müssen, um ihre Funktion sicherzustellen. Auch geht die Wärme ungenutzt verloren.
Ventilatorgestützte Systeme
Zu den ventilatorgestützten Technologien zählen Einzelraum- bzw. Fensterbrüstungsgeräte mit Wärmerückgewinnung, Zentralsysteme für Zuluft und Abluft mit Wärmerückgewinnung, Zentralsysteme für Abluft mit Wärmerückgewinnung und Wärmepumpe sowie dezentrale bzw. zentrale Abluft anlagen mit Zuluft elementen ohne Wärmerückgewinnung.
1. Einzelraumsysteme
Einzelraumgeräte gewährleisten die raumweise kontrollierte, bedarfsabhängige Beund Entlüft ung. Sie sind in der Sanierung beliebt, da hierfür kein Kanalnetz ge plant werden muss. Zu beachten ist, dass die Lüft ung eines einzelnen Raums keineswegs die Lüft ung einer kompletten Wohnung sicherstellt – zu diesem Zweck sind dann mehrere Geräte miteinander und gegebenenfalls mit dezentralen Abluftanlagen, wie sie beispielsweise in innen liegenden Bädern und Toiletten verwen-det werden, zu kombinieren. Die neue DIN 1946-6 hat insbesondere die Planung und Ausführung von Einzelraum- und kombinierten Lüftungssystemen konkretisiert.
2. Zentrale Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung
Hier wird die Zuluft über ein Verteilsystem in die Wohn- und Schlafräume eingeblasen. Die Frischluft gelangt anschließend über Überströmluftdurchlässe in die übrigen Räume einer Wohnung und die Absaugung der verbrauchten Luft erfolgt direkt aus den Räumen mit der höchsten Belastung – also Küche, Bad und WC. Bei den Systemen 1 und 2 wird die Lüftungswärme durch eine Wärmerückgewinnung zurückgegewonnen (30-50 % des Wärmebedarfs eines modernen Gebäudes).
3. Zentrale Abluftanlage
Zentrale Abluftanlagen mit Zuluftelementen ohne Wärmerückgewinnung realisieren die Abluftabfuhr aus Küche, Bad und Toilette durch ein Zentralgerät. Die Frischluftzufuhr erfolgt durch Außenwanddurchlässe in den Wohn- und Schlafräumen. Die sich dadurch ergebende Strömungsrichtung innerhalb der Wohnung stellt sicher, dass keine Luft aus den Nassräumen in andere Wohnbereiche strömen und dort Feuchtigkeit eintragen kann. Die Lösung ist eine einfache Brückentechnologie für die Sanierung und im preissensitiven Geschosswohnungsbau. Wichtige Aspekte bei der Planung sind:
Bedarfsregeloptionen nutzen,
richtige Auslegung als Entlüftungsanlage nach DIN 18017-3 (nur Lüftung für innen liegendes Bad und WC) oder als Wohnungslüftungsanlage nach DIN 1946-6,
Anordnung und Ausführung der Außenbauteilluftdurchlässe in Bezug auf Akustik und Zug,
Brandschutzanforderungen der Bundesländer sind zu beachten.
4. Dezentrale Abluftanlage
Diese Anlagen funktionieren eigentlich gleich wie zentrale Anlagen, nur sind die Lüftungsgeräte hier in den Ablufträumen installiert. Dadurch ergibt sich eine größere Flexibilität und individuellere Regelungsoptionen.
Ein Fazit
Viele Bauschaffende machen es sich zu einfach. Unter diesen Umständen müssen die Bewohner selbst verstärkt zu manuellen Lüftungsmaßnahmen greifen, um überschüssige Luftfeuchte, aber auch Schadstoffe aus der Raumluft zu entfernen und somit ein behagliches sowie gesundes Raumklima zu schaffen. Dabei haben aber die mit der Lüftung verbundenen Wärmeverluste bis zu 50 % Anteil an den gesamten Wärmeverlusten. Nimmt man die Ziele zur CO2-Minderung bis 2030 und 2050 Ernst, dann führt bei Neubau und umfassender Sanierung kein Weg an einer Wohnungslüftungsanlage mehr vorbei.
Autor: Claus Händel, Technischer Referent beim Fachverband Gebäude-Klima