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Von der ISS in die Dritte WeltLebenserhaltungssysteme der internationalen Raumstation ISS könnten künftig auf der Erde zum Einsatz kommen

Nachhaltigkeit - ein großes Wort, das ursprünglich für die industrielle Produktion geprägt wurde, hat längst auch die private Lebenswelt erreicht. In Abu Dhabi wird derzeit mit der Errichtung der autarken Stadt Masdar an einem Zukunftsmodell für ökologisches und ökonomisches Bauen gearbeitet. In unseren Breiten zählen Passiv-Häuser längst zu den gängigen Bauoptionen. Bislang bezieht sich die Nachhaltigkeit aber hauptsächlich auf Energiefragen. Trinkwasserversorgung und Luftqualität stehen zurzeit noch nicht im Fokus. Dabei gibt es auch hierfür bereits Techniken. Systeme, die für die in sich geschlossene Welt der ISS entwickelt wurden und mit einigen Anpassungen auch Wohnhäuser oder Entwicklungsregionen versorgen könnten.

Seit 1998 schwebt die internationale Raumstation ISS im Orbit über der Erde. Die Lebenserhaltungssysteme, die eigens für den Langzeitaufenthalt im All entwickelt wurden, könnten künftig auch in irdischen Bauprojekten Verwendung finden. Bild: NASA, Wikimedia Commins, gemeinfrei

Die Wasserwirtschaft wird weltweit immer mehr zum Problem - nicht nur in den Dritte-Welt-Staaten, die mit Trinkwassermangel kämpfen, sondern auch in Industrienationen, die zunehmend Abwasser produzieren. Bild: s.media, pixelio.de

Im ISS-Modul Swesda befinden sich unter anderem drei Anlagen zur Elektrolyse von Sauerstoff aus Wasser.

Bild: NASA, Wikimedia Commins, gemeinfrei

"Optimistisch geschätzt, könnten die Techniken, die auf der Raumstation verwendet werden, in zehn Jahren auch auf der Erde genutzt werden", so Heinz Grötzinger, Geschäftsführer der Konzept Informationssysteme GmbH.

Bild: Konzept Informationssysteme GmbH

 

 

"Optimistisch geschätzt, könnten die aktuellen Lebenserhaltungssysteme aus der Raumfahrt in etwa zehn Jahren auch für den Einsatz auf der Erde bereit sein", meint Heinz Grötzinger. Der IT-Spezialist und Geschäftsführer der Konzept Informationssysteme GmbH weiß, wovon er spricht. Sein Unternehmen entwickelt Software für Satellitensysteme und Anlagen, die von der EADS-Tochter Astrium realisiert werden. Vor allem drei Techniken sind seiner Ansicht nach auch für irdische Bauplaner und Entwicklungshelfer interessant: die Abwasseraufbereitung, die Sauerstofferzeugung und die Kohlendioxidentfernung. Für langfristige Weltraumaufenthalte, wie auf der internationalen Raumstation, sind diese Faktoren essentiell, da Nachschub von der Erde nur in geringem Umfang geliefert werden kann. Insbesondere, seit die USA das Shuttle-Programm eingestellt hat. Die Selbstversorgung der Astronauten wurde daher in den vergangenen Jahren noch ausgebaut. Auf der Erde könnte mit den dazu geschaffenen Systemen die Wasserqualität in armen Ländern oder die Luft in Industriestädten verbessert werden, die weitläufige Infrastruktur für Kläranlagen wäre unter Umständen überflüssig.

Reinigungssystem bereitet bis zu
93 % des verbrauchten Wassers auf

Zur Wasserversorgung sind auf der ISS derzeit zwei Anlagen im Einsatz, ein Urin

abscheider und ein Trinkwassergenerator. In ersterem wird der Urin destilliert, um reines Wasser zu gewinnen. Damit die Flüssigkeit in der Schwerelosigkeit nicht schwebt, findet die Verdampfung in einer Zentrifuge statt. Der Innendruck wird bei rund 5 % des normalen atmosphärischen Drucks auf der Erde gehalten, wodurch zum Erhitzen weniger Energie benötigt wird. Das reine Wasser wird in einem Kompressor kondensiert, die dabei frei werdende Wärme geht in den Destillationsprozess zurück. Rund 85 % des Urins können so aufbereitet werden. Das Ergebnis fließt mit anderem verschmutzen Wasser, etwa vom Waschen, in ein Reinigungssystem, das aus verschiedenen Filtern, Oxidatoren und Ionisatoren besteht. Dabei werden organische Komponenten und Salze entfernt und Mikroorganismen abgetötet. Das am Ende gewonnene Trinkwasser ist von hoher Qualität. Für Krankenhäuser in abgelegenen Regionen wäre dieses System ideal, für den Hausgebrauch ließe sich dagegen unter Umständen auf einige Bestandteile verzichten.

"In jedem Fall müsste man die Anlagen und Verfahren auf die irdischen Umgebungsbedingungen abstimmen", so Grötzinger. So wäre etwa die Gravitationszentrifuge nicht notwendig. "Ein Großteil der Anpassungen könnte bereits über Veränderungen der Steuerungssoftware umgesetzt werden." Spezielle Programme kontrollieren die Lebenserhaltung der ISS, regeln die chemischen Prozesse, erfassen und verarbeiten die Messdaten der Sensoren, liefern statistische Auswertungen und leiten die Daten an übergeordnete Systeme weiter. Die Anlagen sind aufgrund ihres Einsatzgebiets darauf ausgelegt, autark und möglichst ohne große Eingriffe zu funktionieren, die Systeme überwachen sich selbst - Grundbedingungen, die auch für die Verwendung zuause oder in einer Krisenregion von Vorteil sind. "Die Bedienoberfläche müsste allerdings so gestaltet werden, dass sie möglichst einfach zu benutzen ist", so der Experte. "Man könnte die Anlagen auch mit anderen Geräten vernetzen, indem man entsprechende Schnittstellen schafft." Die Daten, beispielsweise von Messwerten und Komponentenzustand, oder Befehle, etwa zum Selbsttest oder zum Umschalten auf redundant ausgelegte Bereiche, würden aus Gründen der Stabilität und Sicherheit voraussichtlich über Embedded Systeme übermittelt.

Versorgungssysteme aus der
Raumfahrt sind heute weltweit im Gebrauch

Gleiches gilt für den Sauerstoffregenerationskreislauf, der auf der internationalen Raumstation die Atemluft für die Astronauten sicherstellt und auf der Erde unter anderem Großstadtsmog sowie CO2-Emissionen reduzieren und gleichzeitig Energieträger produzieren könnte. Auf der ISS wird dazu in einem Schritt per Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten, wie Grötzinger erläutert: "Der Wasserstoff wurde bis 2010 noch ins Weltall geblasen. Auf der Erde könnte er dagegen in Hinblick auf moderne Stromsysteme auch zur Energieversorgung genutzt werden." Inzwischen wird das "Abfallprodukt" aus der Sauerstoffgewinnung auf der Station in einer neuen Anlage für den Sabatier-Prozess genutzt. Dabei reagieren Wasserstoff und Kohlendioxid zu Wasser unerationszyklus von Sauerstoff und Wasser, so die NASA in einer Erklärung der Anlage. Das Methan wird aus der Station entlüftet. Auch hier könnte man im irdischen Gebrauch das Gas noch zur Stromerzeugung nutzen, wie die zahlreichen Biogaskraftwerke beweisen. Generell ist bei einer Umwandlung der Lebenserhaltungssysteme im All zu Nachhaltigkeitssystemen auf der Erde allerdings die Kosteneffektivität zu beachten. Die Anlagen sind für die ISS bereits mit der Vorgabe eines möglichst geringen Energieverbrauchs entwickelt worden, richtungen mit der zugehörigen Infrastruktur bereithalten muss? Wie sieht die Ökobilanz für ein System aus, das durch entsprechende Verfahren elektrische Energie quasi nebenbei erzeugt?" Natürlich müssten die Geräte und Techniken auf andere Größenordnungen - auf der ISS sind meist nur drei bis sechs Personen - und auf höhere Produktionszahlen ausgelegt werden. Dazu wären zunächst Prototypen zu entwickeln und aufwndige Testreihen durchzuführen, bis zur Serienreife würden Jahre vergehen. Dass sich der Weg dorthin lohnt, beweist indes die Geschichte der Abwasserreinigungssysteme auf Basis von Metall- und Jod-Ionen, die von der NASA für die Mondmissionen und die Space Shuttles entwickelt wurden. Erstere werden heute in Pools und Brunnen eingesetzt, während letztere unter anderem in Vietnam und im Irak zur Trinkwassergenerierung verwendet werden. Auch an den neusten Systemen haben Hilfsorganisationen schon Interesse geäußert.

www.konzept-is.de

 


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