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„Stromspeicher werden wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten“

Interview mit Dr. Andreas Gutsch, einem der führenden Spezialisten in der Lithium-Ionen-Batterietechnik

Der ehemalige KIT-Wissenschaftler Dr. Andreas Gutsch verantwortet die Weiterentwicklung des „MyReserve“-Speichersystems von Solarwatt. Bild: Solarwatt

 

Seit Mai 2016 leitet Dr. Andreas Gutsch das Technologiezentrum Solarwatt Innovation in Frechen bei Köln. Zu seinen Hauptaufgaben gehört dabei die Weiterentwicklung des Solarwatt-Stromspeichers „MyReserve“. Für den ehemaligen Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) stehen dabei besonders die Wirtschaftlichkeit und die Sicherheit des Speicher-Systems im Mittelpunkt.
IKZ-ENERGY: Herr Dr. Gutsch, würden Sie folgender Aussage zustimmen: „Ohne Batteriespeicher wird es keine Energiewende geben.“
Dr. Andreas Gutsch: Stromspeicher werden einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, das ist Fakt. Sie sind das letzte Puzzlestück für eine dezentrale Energieversorgung. Und diese wird einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass die Energiewende Erfolg hat.

IKZ-ENERGY:
Welche Rollen nehmen die Batteriespeicher denn zukünftig vorrangig ein?
Dr. Andreas Gutsch: Die Stromerzeugung durch die Sonne ist im Gegensatz zu Wind deutlich einfacher zu dezentralisieren. So wird dann auch das Netz entlastet. Wind ist schon wieder zentraler aufgebaut: Der Strom wird beispielsweise in einem Offshore-Windpark gewonnen und muss dann weiterverteilt werden. Das fällt bei der Photovoltaik quasi komplett weg, denn eine PV-Anlage passt auf jedes Hausdach. Batteriespeicher werden dann im Wesentlichen für den Tag-Nacht-Ausgleich benötigt, um die selbst erzeugte Energie in Zeiten zu nutzen, wenn die Sonne nicht mehr am Himmel steht.

IKZ-ENERGY: Vor wenigen Jahren wurden noch häufig Heimspeicher entwickelt, die auf der Blei-Gel- oder Blei-Säure-Technik basierten. Was haben moderne Lithium-Ionen-Batterien noch mit der alten Generation gemeinsam?
Dr. Andreas Gutsch: Nicht mehr viel, wenn ich ehrlich bin. Lithium-Ionen-Akkus sind der alten Gilde in allen Punkten überlegen: Sie sind platzsparender, langlebiger aber vor allen Dingen wirtschaftlicher und leistungsstärker als Blei-Batterien.
IKZ-ENERGY: Sie haben schon vor mehr als zehn Jahren begonnen, sich mit der Lithium-Ionen-Technik zu beschäftigen. Wie kam es dazu?
Dr. Andreas Gutsch: Ich war vor 13 Jahren in einem Chemieunternehmen für den Bereich Innovationen zuständig. Dort haben wir u. a. einen keramischen Separator entwickelt, der auf einer flexiblen keramischen Folie basiert und dauerhaft Anode und Kathode voneinander trennt. Ist dies nicht der Fall, kann es bei einer erhöhten Wärmeentwicklung zu einem Kurzschluss kommen. Bei einer Konferenz traf ich den Leiter der Entwicklungsabteilung bei Sony, der von unserem Produkt sehr angetan war. Wir haben daraufhin ein Muster erstellt, was quasi die Geburtsstunde aller keramischen Separatoren in Li-Ionen-Batterien war. So kam ich schon früh mit den Systemen in Kontakt.
IKZ-ENERGY: Später haben Sie als Geschäftsführer von Li-Tec Lithium-Ionen-Zellen für Daimler hergestellt.
Dr. Andreas Gutsch: Ja, die ursprüngliche Triebkraft, um im Bereich der Lithium-
Ionen-Technik zu forschen, war für mich immer das Thema Elektromobilität gewesen. Allerdings sind bis heute aus Kundensicht die wirtschaftlichen Aspekte eines Elektroautos ungeklärt. Dagegen gibt es fundierte Analysen, die bestätigen, dass die wirtschaftlichste Anwendung von Lithium-Ionen-Batterien der private Eigenstromverbrauch ist. Deshalb habe ich diesen Weg in den vergangenen Jahren konsequent weiterverfolgt.

IKZ-ENERGY:
Vor Ihrem Engagement bei Solarwatt leiteten Sie das Forschungsprojekt „Competence-E“ am Karlsruher Institut für Technologie. Woran haben Sie dort gearbeitet?
Dr. Andreas Gutsch: Wir haben uns am KIT im Rahmen von „Competence-E“ vorrangig mit der nachhaltigen und kostengünstigen Erzeugung, Speicherung und Nutzung elektrischer Energie beschäftigt. Dort konnte ich dann meine langjährigen Erfahrungen aus dem Bereich Lithium-Ionen voll einbringen. Mit Dr. Olaf Wollersheim, einem ehemaligen Kollegen vom KIT, leite ich im Übrigen jetzt das Technologiezentrum Solarwatt Innovation in Frechen.

IKZ-ENERGY:
Am KIT waren Sie auch an der Entwicklung des Sicherheitsleitfadens für Li-Ionen-Hausspeicher beteiligt. Was waren die Gründe dafür, einen solchen Leitfaden zu entwickeln?
Dr. Andreas Gutsch: Der Batteriespeicher-Markt ist ja noch relativ jung. Vor wenigen Jahren haben viele Hersteller ihre Systeme noch ohne großes Sicherheitsbewusstsein zusammengeschraubt. Was wir während unseren Forschungsarbeiten am KIT an Sicherheitsmängeln bei Batteriespeichern gesehen haben, war teilweise abenteuerlich. Deshalb haben wir gemeinsam mit führenden Industrieverbänden den Sicherheitsleitfaden für Li-Ionen-Hausspeicher entworfen. Seitdem hat sich viel getan, auch wenn es noch viele offene Fragen gibt, beispielsweise die externe Zertifizierung.

IKZ-ENERGY: Was meinen Sie damit?
Dr. Andreas Gutsch: Man darf nicht vergessen, dass jeder Heimspeicher eine potenzielle Gefahrenquelle sein kann, ähnlich wie eine Öl- oder Gas-Heizung. Wir haben am KIT bewusst die verschiedensten nur denkbaren Risikoszenarien simuliert und das Ergebnis war teilweise erschreckend: Wenn Sie einmal bei einem Thermal Runaway eines Batteriespeichers dabei gewesen sind, dann werden sie sich bis ans Ende Ihrer Tage für Verbesserungen in puncto Sicherheit einsetzen. Der Sicherheitsleitfaden des KITs ist zumindest bisher aber eher eine Orientierungshilfe für die Unternehmen, welche Sicherheitsaspekte bei einem Lithium-Ionen-Speicher von Bedeutung sind. Ob man als Hersteller die Sicherheit von einem unabhängigen Experten-Team wie dem TÜV überprüfen und zertifizieren lässt, muss jeder selbst entscheiden. Das wird sich aber hoffentlich irgendwann ändern, denn dies wäre ein wichtiger Meilenstein.

IKZ-ENERGY:
Welche Sicherheitsaspekte halten Sie für besonders kritisch?
Dr. Andreas Gutsch: Zunächst muss man verstehen, dass Li-Ionen-Batterien nur in einem sehr kleinen Korridor auch wirklich sicher zu betreiben sind. Die Temperatur darf etwa nur zwischen ca. – 10 bis + 50 °C liegen. Für die Hersteller steht also in diesem konkreten Fall die Frage im Mittelpunkt: Wie kann verhindert werden, dass die Batterie unter Betriebstemperatur diese Grenzen nicht über- oder unterschreitet? Dafür sorgt im Regelfall das Batterie-Management-System (BMS). Dieses fährt den Speicher so, dass die Temperatur in dem genannten Bereich bleibt. Ein ausgeklügeltes BMS sollte sofort erkennen, wenn eine der Batteriezellen zu warm wird und den Speicher unverzüglich abschalten. In unseren neuen Speichern sorgen im Gefahrenfall beispielsweise vier voneinander unabhängige Mechanismen dafür, dass das Batteriemodul abgeschaltet wird.

IKZ-ENERGY: Was ist darüber hinaus noch wichtig?
Dr. Andreas Gutsch: Vor dem Start des Speichers sollte jedes Mal ein Pre-Operation-Check durchgeführt werden, der sicherstellt, dass mit dem System alles in Ordnung ist. Erst wenn Temperatur, Spannung und Stromanforderung im sicheren Bereich liegen, darf der Speicher auch wirklich ans Netz gehen. Diese Tests dauern im Regelfall weniger als eine Sekunde, sind aber entscheidend für die Sicherheit.

IKZ-ENERGY:  Was müssen Hersteller bei der verwendeten Batteriezelle beachten?
Dr. Andreas Gutsch: Eine hohe Zellqualität ist Pflicht, denn Sie werden aus einer schlechten Zelle niemals eine gute Batterie bauen können. In puncto Sicherheit ist wichtig, dass die Zellspannung niemals den Bereich von ca. 2,7 bis 4,2 Volt verlässt. Sollte die Spannung in der Batteriezelle zu stark ansteigen, könnte sich im schlimmsten Fall der Elektrolyt an der Kathode auflösen, wobei dann leicht entzündliche Gase entstehen können. Auch die Wirtschaftlichkeit des gesamten Speichersystems wird entscheidend von der Qualität der Batteriezelle beeinflusst.

IKZ-ENERGY: Inwiefern?
Dr. Andreas Gutsch: Eine Zelle muss eine hohe Zyklenfestigkeit aufweisen, um in einem Heimspeicher einen guten Job zu machen. Am Karlsruher Institut für Technologie wird die Zyklenfestigkeit in sogenannten 1C/1C-Tests untersucht. Die Zelle wird jeweils innerhalb einer Stunde vollständig entladen und wieder voll aufgeladen. Die Batteriezelle gilt als „end-of-life“, wenn sie nur noch eine Restkapazität von 80 % hat. Denn ab dieser Grenze verläuft der Alterungsprozess nicht mehr linear, sondern deutlich beschleunigt ab.

IKZ-ENERGY: Wie viele Zyklen muss die Batteriezelle eines modernen Lithium-Ionen-Systems schaffen, bevor sie diesen Betriebszustand erreicht?
Dr. Andreas Gutsch: Solarwatt hat sich beim „MyReserve“-Speicher bewusst für eine Zelle entschieden, die zwischen 4000 und 5000 solcher Zyklen schafft, weil dies unserer Meinung nach aus
wirtschaftlichen Gründen besonders effektiv ist. Bei etwa 250 Vollzyklen pro Jahr halten die Zellen also rund 15 Jahre. Der Alterungsprozess der Batterie wird dabei extrem von den Umgebungsbedingungen beeinflusst. Besonders hohe Temperaturen und der Ladezustand führen zu einer beschleunigten Alterung des Speichers. Ein smartes Batterie-Management-System (BMS) sollte also dafür sorgen, dass die Batterie erst kurz vor Sonnenuntergang auch tatsächlich vollgeladen ist. So wird der Akku geschont und die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems erhöht.

IKZ-ENERGY: 
Herr Dr. Gutsch, wir danken für das Gespräch.

Das Gespräch führte Jens Secker für IKZ-ENERGY.


Zur Person:
Dr. Andreas Gutsch gehört zu Europas führenden Spezialisten in der Lithium-Ionen-Batterietechnik. Der promovierte Chemie-Ingenieur war Mitgründer und später Geschäftsführer der Li-Tec Battery GmbH. Das Unternehmen aus Kamenz entwickelte sich ab 2008 unter der Beteiligung der Daimler AG zu einem der wichtigsten Hersteller von Lithium-Ionen-Zellen in Europa. Von 2011 bis 2016 leitete Dr. Gutsch das Projekt „Competence-E“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). 2016 wechselte er zu Solawatt, wo er aktuell als Co-Geschäftsführer des Technologiezentrums Solarwatt Innovation in Frechen bei Köln leitet. Hier verantwortet er u. a. die Weiterentwicklung der „MyReserve“-Speichertechnologie und den Aufbau neuer Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit dem Solarwatt-Speicher.

 


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