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Strom intelligent nutzen

Regenerative Energien verlangen alternative Wege

Referenzobjekt des IWO: ein am westlichen Stadtrand Berlins gelegenes Einfamilienhaus. Bild: IWO

Grundprinzip von dezentralem Power-to-Heat. Bild: HWWI

Das Berliner Referenzobjekt verfügt neben einem Elektroheizer und einer PV-Anlage über ein modulierendes Öl-Brennwert-Heizgerät mit 5 bis 15 kW Leistung. Bild: IWO

Amortisationsdauer in Jahren für die Installation eines Elektroheizers. Bild: HWWI

Monatlicher Wärmeverbrauch und PV-Überschüsse für ein Einfamilienhaus in Hamburg. Bild: HWWI

 

Der steigende Anteil regenerativer und fluktuierender Energieträger wie Wind und Sonne stellt neue Herausforderungen an das System der Stromversorgung in Deutschland. Besondere Gefahren entstehen für die Netzstabilität bei einem unvorhergesehenen Anstieg der Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien, beispielsweise in Starkwindphasen. Heute schon muss deshalb regional immer häufiger eine massenhafte Abregelung erfolgen, die nicht nur energiepolitisch unerwünscht ist, sondern auch Kosten verursacht, die über die Netzentgelte auf die Endverbraucher umgelegt werden. Eine naheliegende, aber bisher noch zu wenig berücksichtigte Lösung können dezentrale Power-to-Heat-(PtH)-Systeme auf Verbraucherebene bieten. Insbesondere die Koppelung stromunabhängiger Öl- oder Gasbrennwerttechnik mit einem Elektroheizer kann energiepolitisch gleich in mehrfacher Hinsicht zielführend sein.

Öl- und Gasheizungen stellen nach wie vor die mit Abstand häufigsten Heizsysteme im Haushaltssegment dar. So haben die rund 5,8 Mio. mit Heizöl betriebenen Heizungen und über 13 Mio. Gasheizkessel einen Anteil von etwa 90 % der zentralen Wärmeerzeuger in Deutschland. Im Jahr 2012 wurden rund 378 Mrd. kWh von mit Öl und Gas beheizten privaten Haushalten für Raumwärme und Warmwasser aufgewendet. Damit betrug der Anteil von Gas und Heizöl als Energieträger an der Raumwärme- und Warmwassererzeugung fast 70 %. Die Hybridisierung dieser Öl- und Gasheizungen hat deshalb ein erhebliches Potenzial zur Flexibilisierung der Stromnachfrage: Schalten zu Zeiten hoher Einspeisung von Windstrom Öl- und Gasheizungsbesitzer massenhaft auf strombasierte Wärmeerzeugung um, könnte dies über die zusätzliche Stromnachfrage helfen, eine unerwünschte Abregelung von regenerativ erzeugtem Strom zu verhindern. Dabei beschränkt sich der Stromeinsatz der Hybridsysteme auf Überschusssituationen, sodass sich aus ihrem Einsatz kein zusätzlicher Bedarf an gesicherter Kraftwerksleistung im Bereich der Stromerzeugung ergibt. Zudem wird so der Einsatz fossiler Energieträger in der Wärmeerzeugung verringert, mithin auch ein Beitrag zum politischen Ziel der Reduktion von Schadstoff­emissionen geleistet.

Relevanz von PtH-fähigen Hybridheizungen untersucht
In der vom IWO in Auftrag gegebenen Studie „Power-to-Heat in Hybridheizungen: Die ökonomischen Potenziale der Vernetzung von Strom- und Wärmemarkt“ wurde die Relevanz von PtH-fähigen Hybridheizungen sowohl aus individueller als auch aus energiepolitischer Perspektive untersucht. Dazu wurde ein mehrstufiges Simulationsmodell zur Bestimmung der optimalen Wärmeerzeugung auf Haushaltsebene entwickelt und für die Prognosejahre 2020 und 2032 implementiert. Auf Basis energetisch fundierter Wärmebedarfsprofile sowie Annahmen zur Entwicklung der Gas- und Heizölpreise wurden damit die maximalen jährlichen Ersparnisse aus der Umrüstung auf ein PtH-System bestimmt. Hinsichtlich der Höhe staatlicher Strompreisbestandteile wurde zwischen dem aktuellen Status quo sowie dem Szenario einer teilweisen Befreiung des PtH-Stroms unterschieden. Anschließend wurde auf Grundlage simulierter Pfade für die Heizungsmodernisierungen der sich hieraus ergebende Beitrag von PtH-Strom zur Netzstabilisierung in Überschusssituationen geschätzt.

Zwei Szenarien im Vergleich
Das privatwirtschaftliche Kalkül, auf ein PtH-Hybridsystem mit moderner Brennwerttechnik aufzurüsten, ist einfach zu skizzieren. Der Anreiz, im Rahmen eines solchen Heizungssystems Strom zur Wärmeerzeugung einzusetzen ist dann besonders hoch, wenn der Bezug von Strom zur Wärmeerzeugung günstiger ist als der Einsatz fossiler Energieträger. Niedrige Preise sind an der Strombörse vor allem in Situationen starker Erzeugungsüberschüsse (z. B. bei Starkwind und/oder Schwachlastphasen) zu beobachten. Sofern diese Preisbewegungen sich auch im Endverbraucherpreis für Strom niederschlagen, würden sie eine zusätzliche Stromnachfrage zum Zwecke der Wärmeerzeugung induzieren. Offensichtlich wird die einzelwirtschaftliche Rentabilität zum einen stark durch die Entwicklung von Öl- und Gaspreisen zum anderen durch den Strompreis bestimmt. Hier sind neben dem Börsenpreis vor allem die staatlichen Komponenten relevant, wobei in der Studie verschiedene Szenarien betrachtet werden.
In einem der Szenarien ist für die PtH-Heizungen der volle Haushaltsstrompreis fällig. In einem weiteren Szenario wird die Netzdienstleistung der PtH-Heizungen dahingehend gewürdigt, dass diese eine gegenüber dem Haushaltsstrom reduzierte Abgabe zu zahlen haben. Konkret wird eine Absenkung von 16 auf ca. 10 ct/kWh angenommen. Bei reduzierten Abgaben und im langfristigen Trend steigenden Öl- und Gaspreisen wären schon im Jahr 2020 spürbare Einsparungen durch PtH-Heizungen zu erreichen. Die Ersparnis im Jahr 2032 wäre deutlich höher, weil dann die Börsenpreise von Strom als Folge des verstärkten Ausbaus Erneuerbarer Energien noch deutlich geringer wären. In diesem für die PtH-Heizungen günstigsten Fall wäre im Jahr 2032 mit einer dreistelligen jährlichen Ersparnis zu rechnen. Sofern die Gas- und Ölpreise konstant bleiben und die PtH-Heizungen vollständig mit den staatlichen Abgaben auf Strom belegt werden, wäre hingegen kaum mit Einsparungen zu rechnen. Die unterschiedlichen individuellen Sparpotenziale machen sich dann auch in der netzstabilisierenden Wirkung bemerkbar. Die mittlere PtH-Überschussstromnutzungsquote (Verhältnis aus Stromnachfrage der Hybridheizungen und stündlicher Überschusserzeugung) liegt im günstigsten Fall über 20 %. Im für die PtH-Heizungen ungünstigen Fall können hingegen kaum Beiträge zur Einspeiseglättung erzielt werden.

Erhöhte Rentabilität durch angebotene Regelenergie
PtH-Heizungen können nicht nur Überschussstrom abnehmen, sondern auch Regelenergie anbieten. Dies erhöht ihre Rentabilität und führt zu weiteren volkswirtschaftlichen Erträgen. Regelenergie wird benötigt, um die Netzfrequenz auch dann konstant zu halten, wenn es zu Differenzen zwischen der Stromeinspeisung und der Stromentnahme kommt. Die Abweichungen vom vorher festgelegten Fahrplan entstehen zum einen durch fehlerhafte Prognosen, was beispielsweise die Einspeisung fluktuierender Erneuerbarer Energien oder die Stromnachfrage anbelangt. Sofern die Einspeisungen die Entnahmen übersteigen, gleichen die Betreiber der Übertragungsnetze dies durch den Einsatz von negativer Regelenergie aus. Dies kann durch eine Drosselung der Erzeugung am Netz befindlicher Kraftwerke geschehen oder durch zusätzliche Last. Die Einnahmenpotenziale sind wesentlich durch die zukünftigen Preise für Regelenergie abhängig. Sofern diese trotz des Ausbaus der Erneuerbaren Energien auf dem heutigen Niveau konstant bliebe, wäre mit jährlichen Einnahmen von ca. 70 Euro zu rechnen. Die durch den Einsatz von PtH-Heizungen ausgelösten zusätzlichen Investitionskosten (Mehrkosten Pufferspeicher mit Trinkwasserstation + Elektroheizer gegenüber den Kosten für einen normalen Warmwasserspeicher) betragen etwa 1800 Euro. Dann würde sich bei einer Senkung der staatlichen Preisbestandteile für PtH-Strom von ca. 16 auf ca. 10 ct/kWh die Investition bei weiterhin steigenden Brennstoffpreisen innerhalb von etwa 10 Jahren rentieren. Ohne die Absenkung der staatlichen Abgaben blieben faktisch nur die Erträge aus der Teilnahme am Regelenergiemarkt zur Kostendeckung, was sich in Amortisationsdauern von über 25 Jahren niederschlagen würde.

Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen nötig
Die Ergebnisse der Analyse lassen sich in zwei grundlegenden Erkenntnissen zusammenfassen. Erstens, dezentrales PtH in Form von Hybridheizungen birgt mit seiner flexiblen Stromnachfrage ein enormes Potenzial für die Nutzbarmachung von überschüssigem Strom auf Erneuerbare Energien. Bei künftigen Heizungsmodernisierungen könnten PtH-fähige Öl- und Gasheizungen zu vergleichsweise geringen Kosten als flexible Nachfrager genutzt werden. Zweitens, zur Erreichung einer einzelwirtschaftlichen Rentabilität, die notwendig ist, um die gesamtwirtschaftliche Stabilisierungswirkung zu erhalten, sind Anpassungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen auf mehreren Ebenen anzustreben.
Unabdingbare Voraussetzung für die Umsetzbarkeit eines solchen zielgerichteten Einsatzes von PtH sind entsprechende Preissignale auf dem Strommarkt. Zeitweilig auftretende Erzeugungsüberschüsse müssen sich unmittelbar in niedrigen Strompreisen auf Endverbraucher­ebene niederschlagen, damit aus Sicht des Endverbrauchers ein Anreiz besteht, den überschüssigen Strom für Heizzwecke einzusetzen. Dazu sind Veränderungen am gegenwärtigen Strommarktdesign vorzunehmen. Die zeitliche Tarifflexibilität für Endkunden muss deutlich erhöht werden. Der Einbau der hierfür nötigen Informations- und Kommunikationstechnik sollte stärker forciert werden.
Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die individuelle Ersparnis aus dem Umstieg auf ein Hybridsystem sehr sensitiv bezüglich der Anrechnung von staatlichen Strompreis-Komponenten ist. Bei einer Senkung dieser Komponenten um etwa 6 Cent/kWh sowie weiter steigenden Heizöl- und Gaspreisen wären bei Umstieg jährliche Heizkostenersparnisse von im Schnitt etwa 200 Euro zu realisieren. Die Mehrkosten bei einer Heizungsmodernisierung würden sich so nach etwa 10 Jahren amortisieren. Die Reduzierung oder Streichung einzelner fixer Preisbestandteile für die Besitzer von Hybridheizungen könnte damit eine wünschenswerte Lenkungswirkung entfalten, die aufgrund der systemdienlichen Eigenschaft von Hybridheizungen gerechtfertigt ist: Indem sie einen Beitrag zur Netzstabilität und zur Integration Erneuerbarer Energien in das Netz
leisten, erbringen sie eine Dienstleistung für die Allgemeinheit der Verbraucher. Was staatlicherseits über eine Vergünstigung bei den Strompreisbestandteilen honoriert werden kann. Volkswirtschaftlich positive Auswirkungen in längerer Frist könnten sich auch über eine Reduzierung des Ausbaubedarfs der Netze ergeben, wenn auch genaue Prognosen hier sehr schwierig sind.

Hybridheizungen: Möglicher Ansatz zur „Strom-“ und „Wärmewende“
Die Analyse zeigt außerdem, dass Hybridheizungen als flexible Lasten einen signifikanten Beitrag zur Deckung des Regelleistungsbedarfs leisten können und gegebenenfalls die Kosten der Reservevorhaltung senken. Die derzeitige Ausgestaltung des Regelenergiemarktes birgt jedoch für kleine, dezentrale Anbieter hohe Hürden. Weitere Vereinfachungen für die Teilnahme am Regelenergiemarkt, wie die Verkürzung der Ausschreibungszeiträume und ein an die Möglichkeiten kleiner Erzeugungseinheiten angepasstes Präqualifizierungsverfahren, können den Markteintritt für flexible Lasten wie Hybridheizungen erleichtern.
Die Realisierung der Potenziale von Power-to-Heat in Hybridheizungen könnte sich damit als eine wichtige Etappe auf dem Weg zur überfälligen Verknüpfung der Großprojekte „Stromwende“ und „Wärmewende“ erweisen.

Autor: Prof. Dr. Michael Bräuninger,
Economic Trends Research

 


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