Schneelasten auf Schrägdächern: Neues Prüfverfahren von TÜV Rheinland simuliert erstmals Schäden bei PV-Modulen verlässlich
Zwei Jahre Entwicklungszeit: Weltweit erster Prüfstand zur Qualifizierung von geneigten PV-Modulen für ungleichmäßige Schneebelastungen / Spezielle Anforderungen: Häufige Schäden an Modulbefestigungen und Rahmen bei inhomogenen Belastungen vermeiden
TÜV Rheinland hat mit aufwendigen Versuchsreihen einen neuen Prüfstand und ein entsprechendes Testprogramm entwickelt, das eine wichtige Lücke zur Kontrolle von Qualitätsanforderungen bei Solarsystemen schließt: Erstmals ist es möglich, die Belastung von Photovoltaik-Systemen auf Schrägdächern durch Schnee realitätsnah zu simulieren. Der weltweit führende Prüfdienstleister der Solarbranche bietet Herstellern in seinem Kölner Laborzentrum ab sofort die Möglichkeit, ihre Module – insbesondere Glas und Rahmen – sowie Befestigungssysteme für diese speziellen Belastungen zu testen. „Wir können anhand des neuen Testprogramms nun Module und Systeme verlässlich für unterschiedliche Schneebelastungen qualifizieren – vor allem unter dem Einfluss von Krafteinleitungen in der Schräge“, fasst Jörg Althaus, Geschäftsfeldleiter für Solarenergie bei TÜV Rheinland, zusammen. Relevant sind diese Ergebnisse nicht nur für die Hersteller selbst, sondern beispielsweise für Anlagen- und Bauwerksplaner sowie Statiker. Die Entwicklungszeit für das neue Testverfahren von TÜV Rheinland betrug insgesamt rund zwei Jahre.
Tatsächlich gehört zu hoher Schneedruck zu den wichtigsten Schadenkategorien an Photovoltaik-Anlagen neben Stürmen sowie Beschädigungen durch Diebstahl, Überspannung, Hagel oder Feuer. Das Problem: Speziell auf Schrägdächern werden die Photovoltaik-Systeme durch Schnee nicht gleichmäßig belastet. Vielmehr rutscht der Schnee vielfach an den unteren Modulrahmen und führt dazu, dass hier die Module und Befestigungen extrem belastet werden. Konsequenz: „Es treten vermehrt erhebliche Schäden speziell an Rahmen und Glasflächen der Module auf – und zwar keineswegs nur in bergigen Regionen, sondern auch im Flachland“, so Althaus.
Das neue Prüfverfahren mit der TÜV Rheinland-Bezeichnung 2 PfG 2310/11.12 haben die Fachleute in Anlehnung an den europaweit einheitlichen Eurocode 1 für Einwirkungen auf Bauwerke (EN 1990, EN 1991-1-3) entwickelt. Ziel war es, die auftretenden Schneelasten möglichst realitätsnah zu simulieren. Denn die Normen zur Bauartzulassung von Photovoltaik-Modulen (IEC 61215/61646) beinhalten lediglich mechanische Belastungsprüfungen, die in der Horizontalen durchgeführt werden. Vorgeschrieben ist dabei eine gleichmäßige Zug- und Druckbelastung von 2.400 oder 5.400 Newton pro Quadratmeter (N/m²) in drei Zyklen jeweils eine Stunde lang.
In Anlehnung an die real auftretenden Schneelasten auf Schrägdächern hat TÜV Rheinland diese bestehenden mechanischen Belastungstests nun um eine wesentliche Option erweitert. Prüfkörper sind dabei die Module oder Module mit dem speziellen Montagesystem. Diese werden zunächst in der Klimakammer mit Feuchte und Wärme vorgealtert, um etwaige Schwachstellen in den Klebungen. Für die anschließenden Schneelast-Tests wird die vom Hersteller vorgesehene Unterkonstruktion gewählt. Die Module werden auf dem Teststand um 37 Grad geneigt und dann bei Raumtemperatur belastet. Diese Belastung erfolgt auf dem Prüfkörper mit nach unten zunehmendem Druck, der bis zum vierfachen Wert am unteren Modulrahmen erhöht wird. Belastet werden insgesamt nur die unteren zwei Drittel der Modulfläche. Durch diesen komplizierten Aufbau soll eine Situation nachgeahmt werden, in der der Schnee in den unteren Bereich abrutscht und sich dort ansammelt, so dass unten eine große Belastung entsteht, die im oberen Teil nicht vorhanden ist. Nach einem Testzyklus von 20 Minuten wird der Druck insgesamt weiter erhöht, so lange keine Zerstörung des Moduls festzustellen ist. Die Verformung wird wiederum durch verschiedene Sensoren überwacht.
Überprüft werden jeweils fünf gleiche Module eines Typs die dabei bis zur Zerstörung belastet werden. Mögliche Versagensgründe können Bruch des Glases, Verformung des Modulrahmens, Ausreißen der Verbindungen oder Bruch des Rahmens sein. Auf Basis dieser verschiedenen Testreihen lässt sich die statistische Tragfähigkeit ermitteln, die der jeweilige Modultyp tragen kann. Jörg Althaus: „Diese Angaben haben sich Hersteller, Versicherer und Praktiker immer gewünscht, um mehr Planungssicherheit zu haben und Schäden zu vermeiden. Wir können diese Belastungswerte auch für ungleichmäßigen Druck auf Solarmodulen jetzt erstmals liefern – und zwar absolut vergleichbar.“
Zum Nachweis der elektrischen Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit wird ein weiteres Modul mit einem um einen Faktor reduzierten Belastungswert geprüft und in Anlehnung an die IEC 61215 bzw. IEC 61646 bewertet.
Die weltweit einzigartige Prüfmethode von TÜV Rheinland wurde mit Unterstützung des Photovoltaik-Systemanbieters IBC Solar entwickelt. Die zur Entwicklung des neuen Testprogramms erforderlichen Arbeiten wurden teilweise im Rahmen des Forschungsprogramms InnoPV von der Europäischen Union und dem Land Nordrhein-Westfalen gefördert.
Bereits 1985 hat TÜV Rheinland im Labormaßstab mit der technischen Prüfung von Solarkomponenten begonnen und ist heute international führender Prüfdienstleister für die Branche. Das Expertennetzwerk von TÜV Rheinland für die Solarbranche umfasst heute knapp 300 Fachleute in sieben Laboratorien weltweit. Als Weltmarktführer in der Prüfung und Zertifizierung von Solarsystemen betreibt TÜV Rheinland Testlabore in Bangalore (Indien), Gyeongsan (Korea), Köln (Deutschland), Shanghai (China), Taichung (Taiwan), bei TÜV Rheinland PTL in Tempe (USA) sowie in Yokohama (Japan). Weltweit gehören weit über 500 Hersteller von Photovoltaik-Produkten zu den Kunden des unabhängigen Prüfdienstleisters TÜV Rheinland. Die Fachleute prüfen nicht nur Module und Komponenten, sondern entwickeln auch neue Testmethoden, arbeiten an Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Nutzung von Sonnenenergie mit und begleiten international den Aufbau von Solarkraftwerken.