Rohstoff aus der Luft
ZSW koordiniert Projekt zur Gewinnung von CO2 für die Herstellung von Kunst- und Kraftstoffen.
Kohlendioxid (CO2) ist einerseits ein Klimagas, zugleich kann es aber auch als Ressource dienen – etwa für Kunststoffe oder erneuerbare Kraftstoffe – und damit in Zukunft fossiles Erdgas sowie Erdöl ersetzen. Die Gewinnung von CO2 aus der Luft leistet in mehrfacher Hinsicht einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels: Sie grenzt die Konzentration des Treibhausgases in der Atmosphäre ein, macht es für die chemische Industrie sowie regenerative Mobilität nutzbar und ermöglicht so künftig eine drastische Reduzierung der Emissionen. Welches Verfahren dafür am besten geeignet ist, soll nun im Rahmen des Projektes „CORAL = CO2-Rohstoff aus Luft“ untersucht und anschließend in einer entsprechenden Versuchsanlage erprobt werden. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) koordiniert das Projekt. Partner sind das Institut für Polymerchemie der Universität Stuttgart (IPOC) sowie das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu).
Erdöl und Erdgas sind bislang die Rohstoffe für die meisten chemischen Erzeugnisse – von verschiedenen Kunststoffen bis hin zu den Kraftstoffen Benzin, Diesel und Kerosin. In Zukunft sollen jedoch die fossilen Energieträger durch regenerative Ressourcen ersetzt werden. „Kohlendioxid ist einer dieser Rohstoffe und die Luft eine nahezu unerschöpfliche regenerative Quelle“, erklärt Dr. Ulrich Zuberbühler, stellvertretender Leiter des ZSW-Fachgebiets „Regenerative Energieträger und Verfahren“. Die Quelle Luft anzuzapfen, ist Gegenstand des nun gestarteten, dreijährigen Projekts CORAL. Die Wissenschaftler wollen damit insbesondere Anlagenbetreibern ohne Zugang zu konzentrierten CO2-Quellen eine wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Lösung aufzeigen.
Zur Gewinnung des in der Luft enthaltenen CO2 für nachfolgende Rohstoff-Synthesen gibt es bereits mehrere Technologien. Ziel von CORAL ist es, das effizienteste und kostengünstige Verfahren zu ermitteln und weiter zu entwickeln. Im nächsten Schritt soll dann eine Versuchsanlage gebaut werden, um dieses Verfahren zu testen. „Wir wollen zeigen, dass chemische Schlüsselverbindungen wie Methanol, Dimethyl-Ether und Propylen perspektivisch über den rein regenerativen Weg aus erneuerbaren Ressourcen hergestellt werden können“, sagt Projektleiter Zuberbühler.
„Die CO2-Gewinnung aus der Luft wird vor allem für entlegene Energieerzeuger bedeutsam“, erläutert Zuberbühler und gibt ein Beispiel: „Windkraftbetreiber an der chilenischen Küste etwa könnten ihren Strom in einer Power-to-Gas-Anlage vor Ort in die regenerativen Kraftstoffe Wasserstoff und Methan umwandeln. Das für die Methanisierung notwendige CO2 ließe sich aus der Luft anreichern und müsste nicht aus mehreren tausend Kilometern Entfernung antransportiert werden. Nicht einmal der Bau von Stromleitungen wäre nötig, weil der Strom in einen chemischen Energiespeicher umgewandelt wird.“ Zur CO2-Erzeugung lasse sich die Abwärme aus dem Elektrolyse- und Methanisierungsprozess nutzen. Dies stellt ein weiteres wichtiges Projektziel dar, um den Gesamtenergiebedarf der Verfahren zu reduzieren.
Während sich das ZSW neben der Projektkoordinierung schwerpunktmäßig dem Bau und Betrieb der Versuchsanlange widmet, entwickelt das IPOC unter anderem neue Materialien für die reversible CO2-Adsorption auf Basis monolithischer Polymere bzw. Zellulosefasergewebe. Das ifeu nimmt Lebenszyklusanalysen vor, um die Umweltauswirkungen der Technologie zu untersuchen und mit anderen Verfahren zu vergleichen. Dabei wird beispielsweise ermittelt, welche Menge an CO2-Emissionen gegenüber heutigen Herstellungsmethoden eingespart werden kann.
Das ZSW hat bereits im Jahr 2009 eine Pilotanlage konstruiert und damit erfolgreich nachgewiesen, dass sich konzentriertes CO2 aus der Luft anreichern lässt, um es für die Herstellung von Methan aus Strom (Power-to-Gas – P2G) zu nutzen. Im Rahmen von CORAL werden die Stuttgarter Forscher gemeinsam mit den Projektpartnern IPOC und ifeu diese Erfahrungen auf der Suche nach neuen Lösungswegen nutzen.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Fördermaßnahme CO2Plus mit insgesamt rund 755 000 Euro gefördert.