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Personalpolitik 4.0 – die Zukunft der Arbeit

From nine to five: Ist das noch zeitgemäß? Flexible Arbeitszeiten können das SHK-Handwerk für Arbeitskräfte attraktiver machen

Viele Mitarbeiter im SHK-Handwerk wünschen sich eine flexiblere Arbeitszeit. Für Betriebe eine Möglichkeit, beim Wettbewerb um Fachkräfte zu punkten und die Belegschaft an sich zu binden. Bild: AdobeStock - Firma V

Modelle zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten bringen Mitarbeitern mehr Zeit für die Familie und für Freizeitaktivitäten – erfordern aber mitunter einen erhöhten Organisations- und Verwaltungsaufwand. Bild: AdobeStock - NicoElNin

Die wichtigsten Modelle im SHK-Handwerk.

Vor- und Nachteile für die Beteiligten.

Das Ehepaar Berse vom gleichnamigen SHK-Betrieb aus Haltern am See setzt auf flexible Arbeitszeiten und ist damit schon seit Jahren erfolgreich.

 

Gleitzeit, Lebensarbeitszeit oder Funktionsarbeitszeit sind Beispiele für flexible Arbeitszeitmodelle. Das Arbeitszeitgesetz und einzelne Tarifverträge ermöglichen Unternehmen wie Arbeitnehmern flexible Arbeitszeiten zu vereinbaren. Aber funktionieren solche Modelle im SHK-Bereich und bei kleinen Betrieben mit wenigen Mitarbeitern?

Der SHK-Fachbetrieb Berse aus NRW in Haltern am See setzt schon seit rund 15 Jahren auf flexible Arbeitszeitmodelle. Das Unternehmen, vom Vater 1962 gegründet, führt Sohn Ulrich Berse seit vielen Jahren. Als dieser das Flexi-Arbeitszeitmodell 2004 einführte, beschäftigte die Berse GmbH sieben Mitarbeiter. Heute sind es 14.
Damals war die Wettbewerbssituation schwierig. „Es gab ein Meer an Mitbewerbern im direkten Umfeld“, sagt Ulrich Berse. Da sei es extrem wichtig gewesen, sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Auch den Mitarbeitern gegenüber. Aus diesem Grund schien es attraktiv, die Arbeitszeit zu flexibilisieren – nicht nur der saisonalen Schwankungen im Heizungsbereich wegen. „Natürlich haben wir im Herbst besonders viel zu tun. Welcher Kunde denkt schon im Sommer an seine Heizung?“, sagt der Geschäftsführer. „Vor allem aber ging es um eine Motivationssteigerung im Team.“ Damit lag er schon damals im Trend. Denn was der Betrieb bereits vor 15 Jahren erkannte, mag heute im Kampf um Nachwuchskräfte, die bes­ten Talente und angesichts des Fachkräftemangels erst recht gelten.
Berse begann mit folgendem Flexi-Modell:

  • Die Wochenarbeitszeit kann abweichend von der 37-Stunden-Woche zwischen 32 und 42 Arbeitsstunden pro Woche schwanken.
  • Die Mehr- und Minderareit wird über ein Arbeitszeitkonto verbucht.
  • Das Arbeitszeitkonto darf maximal70 Plusstunden und nicht weniger als 35 Minusstunden aufweisen.
  • Die vereinbarte Arbeitszeit von 37 Stun­den pro Woche ist im Durchschnitt von zwölf Monaten zu erreichen.
  • Der ganztägige Abbau von Mehrarbeit soll im rotierenden Wechsel möglichst vor oder nach Feiertagen bzw. an Brückentragen erfolgen.
  • Auch der stundenweise Abbau von Mehrarbeit ist ausdrücklich erwünscht. Die Mitarbeiter/-innen sollen ihren Freizeitausgleich möglichst fünf Arbeitstage vorher ankündigen. Der Betrieb kündigt Mehrarbeit möglichst zwei Arbeitstage vorher an.


Carmen Berse, zuständig für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit im Familienbetrieb, bestätigt, dass dieses Modell auch heute noch genauso fortgeführt werde. „Die Mitarbeiter und wir sind sehr zufrieden damit. Wir haben das Modell auch auf den Notdienst am Wochenende erweitert. Waren früher nur mein Mann dafür zuständig, sind nun alle im Wechsel dran. Der Einsatz wird extra vergütet und der zeitliche Mehraufwand dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben“, sagt sie. Gern würde sie die Servicezeit im Sinne eines besseren Kundenservices auch auf die Abendstunden ausdehnen. Dies sei zurzeit aber nicht möglich, „denn alle Mitarbeiter sind voll ausgelastet“. Doch sie und ihr Mann würden das immer mal wieder diskutieren.

Geeignete Modelle machen mobil
Berse war eines der Unternehmen, das einer Initiative des Westdeutschen Handwerkskammertags gefolgt ist. Der Verband förderte in 2004 mit einem Beratungsangebot an Handwerksbetriebe die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle. Harald Bex vom Westdeutschen Handwerkskammertag hatte damals den Prozess begleitet und erinnert sich gut. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Jahresarbeitszeit in Verbindung mit einem Zeitkonto das im Handwerk am häufigsten umgesetzte Arbeitszeitmodell war und ist“, sagt er. „Für Unternehmen, die ihre Service- und Öffnungszeiten erweitern wollen, sind die Modelle der Bereichsfunktionszeit und der Wahlarbeitszeit von besonderer Bedeutung“, führt er weiter aus. Mit flexiblen Arbeitszeiten könnten Handwerksbetriebe besser auf Kundenwünsche eingehen, schneller auf Auftragsschwankungen reagieren und ihre Mitarbeiter durch familien- und freizeitfreundlichere Arbeitszeiten besonders motivieren.

Vor- und Nachteile im Überblick
Flexible Arbeitszeiten bieten allen Beteiligten, also Unternehmern, Beschäftigten und Kunden Vorteile, aber ggf. auch Nachteile. Dabei gilt jedoch nicht, dass die Vorteile des einen automatisch die Nachteile des anderen nach sich ziehen. Schließlich ist Handwerk eine höchst zwischenmenschliche Arbeit und Wechselwirkungen sind gegeben. Das bedeutet: Zufriedenere Mitarbeiter sind in der Regel motivierter, sind freundlicher gegenüber Kunden eingestellt, sind enger an das Unternehmen gebunden und machen weniger Fehler bei der Arbeit. All das wirkt sich am Ende auf das Unternehmensergebnis aus. Dennoch lassen sich Vorteile spezifizieren und grundsätzlich gültige Aussagen treffen (Tabelle „Vor- und Nachteile für die Beteiligten“). Nicht alle Vorteile müssen gegeben sein, denn viele Faktoren spielen eine Rolle.
Flexible Arbeitszeiten können auch Nachteile für Beschäftigte oder Unternehmen mit sich bringen. Und nicht jedes Modell passt zu jedem Betrieb. So gibt es bei verschiedenen Maßnahmen auch verschiedene Fallstricke. Zum Beispiel kann es beim Arbeitszeitkonto immer wieder passieren, dass manche Mitarbeiter zu viele Stunden ansammeln. Meist lassen sich mögliche Nachteile aber auch mit geeigneten organisatorischen Eingriffen beseitigen. Insgesamt mag ein Mehr an Absprachen und Organisation nötig sein, was für beide Parteien ggf. einen höheren Aufwand bedeutet. Auch ist nicht jeder Mitarbeiter für die Chefs immer greifbar.

Mitarbeiter „mitnehmen“
Wer Arbeitszeit flexibilisieren will, ist gut beraten, Mitarbeiter mitreden zu lassen. Bex vom Westdeutschen Handwerkskammertag empfiehlt: „Im Betrieb sollte eine Atmosphäre des Vertrauens herrschen. Die Mitarbeiter müssen bei der Neugestaltung der Arbeitszeiten auf jeden Fall mitziehen und von Anfang an für den Plan gewonnen werden.“ Hierzu bieten sich Workshops an, in denen gemeinsam mögliche Arbeitszeitmodelle unvoreingenommen diskutiert werden können. Hat man sich festgelegt, sollte das ausgewählte Modell nach einer Einführungsphase in einer Gesprächsrunde mit den Mitarbeitern geprüft werden. Passt es zum Betrieb? Funktioniert der Freizeitausgleich? Sind alle Arbeitsplätze noch sicher?
Läuft es nicht rund, kann der Betrieb nachjustieren oder ein anderes Modell versuchen. Da Randbedingungen sich aber ständig ändern können, gehört das Modell in regelmäßigen Abständen auf den Prüfstand.

Rechtliche Grundlagen beachten
Wer flexible Arbeitszeiten vereinbaren möchte, sollte sich zum Beispiel bei Handwerkskammern und Fachverbänden rechtlichen Rat einholen. Eventuell helfen auch geeignete Checklisten oder Berater, die Tipps geben oder sogar die praktische Umsetzung im Betrieb begleiten können.
Grundsätzlich gilt aber: Wer flexible Arbeitszeiten einführen möchte, muss die rechtlichen Bestimmungen beachten. Generell stellen die Regelungen einer ranghöheren rechtlichen Ebene den Rahmen für die darunter liegende Ebene dar. Die arbeitsrechtlichen Gesetze legen den weitesten zu beachtenden Rahmen auf überbetrieblicher Ebene fest. Innerhalb dieser Vorgaben bewegen sich die ebenfalls überbetrieblichen Regelungen eines Tarifvertrags. Lediglich für den einzelnen Betrieb gelten dagegen die Übereinkünfte einer Betriebsvereinbarung, die den durch tarifvertragliche Rahmenbestimmungen begrenzenden Spielraum ausfüllen. Dabei gilt häufig auch zu beachten, dass der Tarifvertrag nicht nur die Grenze an Tages- und Wochenstunden regelt, sondern auch, in welchem Zeitraum Mehr- oder Minusstunden auszugleichen sind.
Außer den Bestimmungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) finden die allgemeinen Vorschriften des Arbeitsrechts einschließlich des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) und des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) Berücksichtigung. Im vergangenen Jahr startete die Debatte über eine Lockerung des starren Acht-Stunden-Tages im Handwerk. Tatsächlich ist aber bereits im bestehenden System sehr viel möglich, wie Dr. Wolfgang Schwarz, Hauptgeschäftsführer vom bayrischen Fachverband Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, weiß: „Das Arbeitszeitgesetz sagt, dass die Arbeitszeit nicht mehr als 10 Stunden pro Tag und 48 Stunden in der Woche betragen soll und nur davon abgewichen werden darf, wenn eine tarifvertragliche Lösung gefunden wurde. Bei uns in Bayern haben wir den Tarifvertrag so ausgehandelt, dass bei uns pro Tag bis zu 12 Stunden möglich sind.“ In Bayern gäbe es in der SHK-Branche bereits seit 25 Jahren flexible Arbeitszeitkonten.
Betriebe, die flexible Arbeitszeiten einführen möchten, sollten die Vereinbarungen im Arbeitsvertrag mit den einzelnen Mitarbeitern festhalten. Vertragsmus­ter stellen Kammern sowie Verbände ihren Mitgliedern ebenfalls zur Verfügung.

Autorin: Angela Kanders, freie Journalistin

 


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