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Neue Vertragsarten für die Praxis

Teil 2: Reform des BGB greift Architekten- und Ingenieurverträge auf

Bild: Fotolia/Zerbor

Mit § 650 r BGB wird eine Teilabnahme in das BGB eingeführt. Danach soll dem Planer das Recht zustehen, ab der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers oder der bauausführenden Unternehmer eine Teilabnahme der bis dahin erbrachten Planerleistungen zu verlangen. Bild: Project Photos

Bei Baumängeln darf zukünftig nach § 650 s

BGB der Planer im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung erst dann auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden, wenn der Auftraggeber dem bauausführenden Unternehmer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Damit soll – zumindest im Bereich der kleineren, leicht zu behebenden Baumängel – eine vorschnelle Inanspruchnahme des Planers verhindert werden. Bild: Sachverständigenbüro Sander/Donislawski

Die Neuregelung in § 650 b BGB (Anordnungsrecht des Auftraggebers) stellt darauf ab, dass die Vertragsbeteiligten Einvernehmen über die zu leistende Vergütung erzielen. Lässt sich das nicht erreichen, kann der Auftraggeber die geänderte Leistung anordnen, wobei dann dem Planer auf der Grundlage von § 650 c BGB ein Anspruch auf Anpassung der Vergütung zusteht. Bild: Fotolia/AP

 

Der Gesetzgeber hat mit der Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) u. a. spezielle Regelungen für den Bauvertrag und den Verbrauchervertrag (siehe Teil 1 in IKZ-HAUSTECHNIK 1/2 2017) sowie für den Architekten- und den Ingenieurvertrag vorgesehen. Die Novelle des BGB soll in den nächsten Monaten in Kraft treten. Der zweite und abschließende Teil der Artikelserie zeigt die vorgesehenen Neuerungen zum Architekten- und Ingenieurvertrag auf.

In der Vergangenheit hat die Einordnung der Architekten- und Ingenieurleistungen in die Systematik des BGB schon häufig Schwierigkeiten hervorgerufen. Oft war nicht klar, ob die Tätigkeit eines Planers mehr oder weniger werkvertraglichen oder nur dienstvertraglichen Charakter hatte. Sieht man sich die Tätigkeiten des Planers im Rahmen der Leistungsphase 8 (Objektüberwachung) der HOAI einmal genauer an, dann wird man kaum zu dem Ergebnis gelangen, dass hier eine werkvertragliche Tätigkeit vorliegt.
Der Bundesgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung jedoch durchgängig für eine Unterstellung des Architekten- und Ingenieurvertrages unter das Werkvertragsrecht entschieden und diese Bewertung zum einen damit begründet, dass die Tätigkeit des Planers der Herbeiführung eines Erfolges (§ 631 BGB) diene, nämlich der Herstellung eines Bauwerkes, und zum anderen festgestellt, dass die Anwendung des Werkvertragsrechts auf der Rechtsfolgenseite zu sachgerechten Ergebnissen führe.
Da aus Sicht des Gesetzgebers die Anwendung des Werkvertragsrechts für Planer in einigen Punkten erhebliche, teilweise unverhältnismäßig belastende Konsequenzen habe, sollen die Regelungen des Werkvertragsrechts nicht uneingeschränkt auf Planerverträge Anwendung finden, sondern den Besonderheiten dieses Vertragstyps durch spezielle Regelungen Rechnung getragen werden.

Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen
In § 650 o BGB werden die vertragstypischen Pflichten aus Planerverträgen definiert. Danach ist der Unternehmer (Planer) verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerkes erforderlich sind, um die vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen (Satz 1). In den Fällen, in denen diese Ziele noch nicht vereinbart sind, schuldet der Unternehmer (Planer) in der Regel die Leistungen, die zu deren Konkretisierung notwendig sind (Satz 2). Der Gesetzgeber unternimmt hier den Versuch, die komplexe Planungstätigkeit, die durch verschiedene Planungs- und Leistungsschritte zu unterscheiden ist, zu erfassen und einer Regelung zuzuführen.
Satz 2 enthält Vorgaben für die Fälle, in denen sich der Besteller (Auftraggeber) mit noch vagen Vorstellungen von dem zu planenden Bauvorhaben an den Planer wendet, und daher bei Vertragsschluss noch keine Vereinbarung über die Beschaffenheit des zu planenden Werkes möglich ist.

Vorgaben für unkonkrete Bauvorhaben
Als verpflichtende Aufgabe des Planers wird festgelegt, dass er verschiedene Leistungen mit dem Ziel der Herbeiführung einer Konkretisierung zu erbringen hat, etwa die Wünsche des Bestellers zunächst genauer zu ermitteln oder Skizzen und Entwürfe zu erstellen. Die bisherige Aufgabenbeschreibung in § 631 Abs. 1 BGB war für die Planerleistung nur rudimentär. Hiernach hatte er die Herstellung des versprochenen Werkes geschuldet. Jetzt soll das die „notwendige Konkretisierung des Erfolges“ sein.
Im Ergebnis soll der Planervertrag als sogenanntes 2-Phasen-Modell ausgestaltet werden und sich in eine „Zielfindungsphase“ und eine „Ausführungsphase“ gliedern. Der Auftraggeber soll ein Sonderkündigungsrecht erhalten. Nachdem der Planer dem Auftraggeber die entsprechenden Planungsgrundlagen und Kos­teneinschätzung (Zielfindungsphase abgeschlossen) vorgelegt hat, kann der Auftraggeber innerhalb von zwei Wochen nach Vorlage dieser Unterlagen kündigen.
Diesem in § 650 q geregelten Sonderkündigungsrecht liegt die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, dass es bei Planerleistungen Verträge gibt, die hinsichtlich der Beschreibung des Planungserfolges noch konkretisierungsbedürftig sind und bei denen der Auftraggeber nach der Zielfindungsphase zu der Erkenntnis kommt, dass er die Gesamtkosten des Vorhabens unterschätzt hat und er von seiner Durchführung absehen will. Dass in der Praxis ein Bedürfnis zur vorzeitigen Lösung vom Vertrag auch im unternehmerischen Bereich besteht, zeigt sich daran, dass hier häufig „gestufte Verträge“ abgeschlossen werden, die beiden Vertragspartnern diese Lösungsmöglichkeit eröffnen.
Außerdem soll diese Regelung gleichzeitig einer in der Praxis vielfach zu weit gehenden Ausdehnung der unentgeltlichen Akquise zulasten des Planers entgegenwirken. Mit der Einführung des Kündigungsrechtes zum Ende der Zielfindungsphase stellt der Gesetzgeber klar, dass zum Zeitpunkt der grundlegenden Konzeption des Bauprojekts durchaus bereits ein Vertrag geschlossen sein kann.
Mit dem Begriff Zielfindungsphase soll der Bereich bezeichnet werden, in der der Planer gemeinsam mit dem Auftraggeber die häufig noch vagen Vorstellungen des Auftraggebers konkretisiert, um den geschuldeten Planungserfolg genau zu beschreiben.
Interessant ist an dieser Stelle noch, dass nach der Begründung des Regierungsentwurfs das Anordnungsrecht des Auftraggebers auch für Architekten- und Ingenieurverträge gelten soll.

Teilabnahme der Planerleistung
In § 650 r BGB ist für die Planerbranche eine wesentliche Neuerung enthalten. In der Vergangenheit haben sich Planer mit dem Thema Abnahme meist zurückhaltend befasst. Entweder verließ man sich bei der Abnahme auf vielfach unwirksame Regelungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen oder man hat überhaupt ganz auf eine Abnahme verzichtet.
Erst die Reform der HOAI im Jahr 2013 hat hier eine gewisse Sensibilisierung geschaffen, weil jetzt für die Fälligstellung des Honorars auch der Nachweis einer Abnahme der Planungsleistung erforderlich ist. Dazu kam in der Praxis, dass bei Planerverträgen, die auch die Leistungsphase 9 erfassten, eine Abnahme der gesamten Planerleistung erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist für die bauausführenden Unternehmen gefordert werden konnte. Dies hat zu einer Ungleichbehandlung von bauausführenden Unternehmern und Planern geführt. Von der Möglichkeit, in den einzelnen Planerverträgen Teilabnahmen für bestimmte Leis­tungsphasen zu vereinbaren, wurde selten Gebrauch gemacht.
An dieser Stelle will der Gesetzgeber nun für Abhilfe sorgen. Mit § 650 r BGB wird eine Teilabnahme in das BGB eingeführt. Danach soll dem Planer das Recht zustehen, ab der Abnahme der letzten Leis­tung des bauausführenden Unternehmers oder der bauausführenden Unternehmer eine Teilabnahme der bis dahin erbrachten Planerleistungen zu verlangen. Damit soll hinsichtlich des überwiegenden Teils der Leistungen (Leistungsphasen 1 bis 8) des Planers ein Gleichlauf der Verjährungsfrist der Mängelhaftung mit der des bauausführenden Unternehmers erreicht werden.

Gesamtschuldverhältnis zwischen Planer und bauausführendem Unternehmer
Mit der Regelung in § 650 s BGB will der Gesetzgeber die überproportionale Belas­tung der Planer im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem bauausführenden Unternehmer reduzieren. Grundsätzlich haften Planer und ausführendes Unternehmen bei dem Zusammentreffen von einem Überwachungsfehler und einem Ausführungsfehler gegenüber dem Auftraggeber (Bauherrn) als Gesamtschuldner. Der Überwachungsfehler des Planers tritt aber gegenüber dem Ausführungsfehler des ausführenden Unternehmens meistens in der Bedeutung zurück, da der Ausführende in eigener Verantwortung seine Bauleistung erbringt und damit in aller Regel die Hauptverantwortung für aufgetretene Bauwerksmängel zu übernehmen hat. In der Praxis stellt sich der Sachverhalt aber meist anders dar. Denn der Auftraggeber nimmt in der Regel zunächst den aus seiner Sicht verantwortlichen Planer im Hinblick auf den diesem vorzuwerfenden Überwachungsfehler in Anspruch. Der Planer hat dann in vollem Umfang die Haftung zu übernehmen und kann in Bezug auf das Ausführungsverschulden des Auftragnehmers diesen im Rahmen des sogenannten Gesamtschuldausgleichs in Anspruch nehmen.
Oft ergibt sich dann aber die Situation, dass sich das ausführende Unternehmen bereits in der Insolvenz befindet und im Ergebnis die Haftpflichtversicherung des Planers den Gesamtschaden gegenüber dem Auftraggeber reguliert.
Hier soll § 650 s BGB Abhilfe schaffen. Die Vorschrift sieht vor, dass der Planer wegen Mängeln am Bauwerk im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem bauausführenden Unternehmer erst dann auf Schadenersatz nach § 634 Nr. 4, 280, 281 BGB in Anspruch genommen werden darf, wenn der Auftraggeber dem bauausführenden Unternehmer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nach § 634 Nr. 1 bestimmt hat. Man will damit – zumindest im Bereich der kleineren, leicht zu behebenden Baumängel – eine vorschnelle Inanspruchnahme des Planers verhindern. Dabei bleibt festzuhalten, dass es nicht erforderlich ist, dass der Auftraggeber den bauausführenden Unternehmer erfolglos verklagt hat. Es genügt, dass er diesem erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat.

Fazit
Trotz Bemühungen des Gesetzgebers, das Bauvertragsrecht praktischen Erfordernissen anzupassen, hat der bisherige Entwurf des neuen BGB schon sehr viel Kritik hinnehmen müssen. So ist z. B. die Erweiterung des kaufrechtlichen Nacherfüllungsanspruches auf die Aus- und Einbaukosten beim Kauf von Bauprodukten vom Handel stark kritisiert worden. Hier wird sogar gefordert, dass dann der Aus- und Einbau der mangelhaften Bauprodukte nicht vom Werkunternehmer sondern vielmehr vom Verkäufer des Bauproduktes ausgeführt werden soll. Damit ergeben sich aber in der Praxis erhebliche Konflikte im Hinblick auf die zu übernehmende Gewährleis­tung. Mit Recht wird dann nämlich der eigentliche Werkunternehmer bei dem Auftreten weiterer Mängel nach dem Aus- und Einbau geltend machen, dass diese Mängel nicht aus seinem Verantwortungsbereich, sondern vielmehr aus dem des die Nacherfüllungsarbeiten ausführenden Händlers stammen.

Autor: Thomas Herrig, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Berlin

 

 

Nachgefragt

IKZ-HAUSTECHNIK: Zukünftig soll sich der Planervertrag in eine „Zielfindungsphase“ und eine „Ausführungsphase“ gliedern. Wie bewerten Sie diese Situation?
Thomas Herrig: Mit der Schaffung des Architekten- und Ingenieurvertrages und hier der Aufteilung der werkvertraglichen Tätigkeit in eine Zielfindungs- und eine Ausführungsphase sind die Baujuristen nicht so recht glücklich. Vielfach wird kritisiert, dass hier zu stark in die vertragliche Gestaltungsfreiheit eingegriffen wird. Das Thema, ob eine vergütungsfreie Akquisition oder aber schon eine vergütungspflichtige vertragliche Tätigkeit vorliegt, können die Parteien in der Praxis auch selber durch entsprechende Vereinbarung regeln. Auch das Aufteilen der Planungsleistung in ein 2-Phasen-Modell erscheint im Hinblick auf die Möglichkeit, einen sogenannten Stufenvertrag abzuschließen, nicht erforderlich.

IKZ-HAUSTECHNIK:
§ 650 s BGB soll das Gesamtschuldverhältnis zwischen Planer und Bauausführendem besser klären. Die Vorschrift sieht vor, dass der Planer wegen Mängeln am Bauwerk im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem bauausführenden Unternehmer erst dann auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden darf, wenn der Auftraggeber dem bauausführenden Unternehmer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gegeben hat. Wie beurteilen Sie den Erfolg dieser Regelung?
Thomas Herrig: Aus meiner Sicht bleibt es zweifelhaft, ob diese Regelung das Problem, dass oft der Planer durch seine bestehende Haftpflichtversicherung in Regress genommen wird, lösen kann. Denn es bleibt zu befürchten, dass zunächst dem ausführenden Unternehmer die erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt wird, die dann wahrscheinlich fruchtlos verstreicht. Die Folge ist, dass der Planer anschließend doch wieder vorrangig in Anspruch genommen wird. Dazu hört man oft das Argument: „Der Planer hat ja eine Haftpflichtversicherung.“

IKZ-HAUSTECHNIK: Auf Basis des BGB-Entwurfs soll das Anordnungsrecht des Auftraggebers auch für Architekten- und Ingenieurverträge gelten. Was bedeutet dies für die Praxis?
Thomas Herrig: In diesem Fall werden sich Architekten und Ingenieure darauf einstellen müssen, ein gezieltes Nachtragsmanagement zu betreiben. Das bedeutet konkret, dass als Pendant zum Anordnungsrecht des Auftraggebers der Planer den ihm zustehenden zusätzlichen Vergütungsanspruch mit einer entsprechenden Nachtragsvereinbarung mit dem Auftraggeber absichert. Die Neuregelung in § 650 b BGB stellt darauf ab, dass die Vertragsbeteiligten Einvernehmen über die zu leistende Vergütung erzielen. Lässt sich das nicht erreichen, kann der Auftraggeber die geänderte Leistung anordnen, wobei dann dem Planer auf der Grundlage von § 650 c BGB (neue Fassung) ein Anspruch auf Anpassung der Vergütung zusteht.

IKZ-HAUSTECHNIK:
Neben zahlreichen positiven Neuerungen haben einige Änderungen auch für Unmut gesorgt. So sind z. B. die Übernahmen bestimmter Regelungen aus der VOB/B in das BGB nicht ohne Kritik geblieben. Was ist der Hintergrund dafür?
Thomas Herrig: Viele Baupraktiker vertreten die Auffassung, dass es nicht notwendig ist, hier eine Erweiterung der Regelungen des Werkvertragsrechts im BGB vorzunehmen. Die VOB/B hat sich in der Praxis seit Jahrzehnten bewährt. Es existiert gefestigte Rechtsprechung und die Baubeteiligten sind in der Anwendung der entsprechenden Regelungen sicher geworden.
Bei aller Kritik sollte aber abschließend gewürdigt werden, dass es nach der bisher verstrichenen Zeit ein in jedem Fall lobenswertes Vorhaben darstellt, das Bauvertragsrecht und das Recht der Planer modernen Bedürfnissen anzupassen.

 


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