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Kurzzeitige Temperaturüberschreitungen sind tolerierbar

Ergebnisse des DVGW-Forschungsprojekts „Schutz des Trinkwassers: Anforderungen an den bestimmungsgemäßen Betrieb kaltgehender Trinkwasser-Installationen unter dem Gesichtspunkt der Vermehrung von Legionellen“

Abnahme der Legionellenkonzentration in log10-Stufen bei unterschiedlichem Wasseraustausch. Je höher der Balken, je effizienter ist die Spülung. (Grafik: DVGW)

Die Studie (63 Seiten, Format A4) ist zum Preis von 214,00 Euro zzgl. Versandkosten als digitales Produkt (PDF) erhältlich. DVGW-Mitglieder erhalten das Werk deutlich vergünstigt. Download unter shop.wvgw.de (DVGW)

In einem mikrobiologisch stabilen System bleiben die Legionellenzahlen über einen längeren Zeitraum nahezu konstant, auch wenn die Wassertemperatur von 25 °C auf 30 °C steigt. (Grafik: DVGW)

 

Nach drei Jahren Arbeit wurde der Abschlussbericht des DVGW-Forschungsprojekts „Schutz des Trinkwassers: Anforderungen an den bestimmungsgemäßen Betrieb kaltgehender Trinkwasser-Installationen unter dem Gesichtspunkt der Vermehrung von Legionellen“ im vergangenen Jahr fertiggestellt. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen des 63-seitigen Papiers stellen wir hier in kompakter Form vor.

Hintergrund der Studie

Die deutschen Regelwerke fordern einen bestimmungsgemäßen Betrieb von Trinkwasser-Installationen. Nach DIN EN 806-5 und DIN 1988-200 gilt eine über einen längeren Zeitraum (> 7 Tage) nicht genutzte Trinkwasser-Installation als nicht mehr bestimmungsgemäß betrieben. Nach VDI/DVGW 6023 stellt bereits eine Nichtnutzung der Installation von mehr als 72 Stunden eine Betriebsunterbrechung dar. In Österreich werden in der ÖNORM B5019 96 Stunden als vertretbar angesehen. Allerdings stand der Nachweis, dass diese Stagnationszeiten mit den mikrobiologischen Prozessen in der Trinkwasser-Installation korrespondieren, für den Parameter Legionellen bisher aus. Auch war bislang nicht eindeutig geklärt, ob 25 °C Wassertemperatur aus hygienischer Sicht tatsächlich sicher sind. Das Forschungsprojekt wollte daher Grundlagen erarbeiten, die zur Überprüfung der Definitionen in den Regelwerken herangezogen werden können. Dazu wurden umfangreiche Untersuchungen unter Laborbedingungen mit Trinkwasser-Modellinstallationen sowie in realen Objekten durchgeführt; in Mehrfamilienhäusern, einem Bürogebäude, einer Alten- und Pflegeeinrichtung und einem Hotel. Zudem wurden diverse Datensätze von Gesundheitsämtern und Labordienstleistern zu Legionellenuntersuchungen im Kaltwasser ausgewertet. Ausgedehnte Stagnationszeiten wurden in der Studie ebenso untersucht wie kurze. Daneben wurde der Effekt einer sprunghaften Temperaturerhöhung untersucht. Hierzu wurde die Temperatur der Trinkwasser-Modellinstallation, die zuvor dauerhaft mit 25 °C betrieben wurde, während der Stagnation auf 30 °C angehoben.

Ergebnisse und Erkenntnisse

Bestätigt hat sich die gängige Expertenmeinung, dass die Legionellenkonzentration in einer Trinkwasser-Installation maßgeblich durch die Faktoren Wassertemperatur, Biofilmbeschaffenheit, Durchflussprofil und Nährstoffgehalt der verwendeten Materialien bestimmt wird. Außerdem hat sich gezeigt, dass eine Vermehrung von Legionellen ausschließlich in Amöben stattfindet. Eine Vermehrung außerhalb konnte den Studienautoren nach in keinem Versuch nachgewiesen werden.

Die Legionellen-Vermehrung beginnt laut Studie bei Wassertemperaturen › 25 °C, eine deutliche Vermehrung ist bei 30 °C zu verzeichnen. Die Autoren kommen deshalb zum Schluss: „Bei Wassertemperaturen von ‹ 25 °C ist die Stagnationsdauer in Bezug auf Legionellen nicht relevant, da eine Vermehrung von Legionellen nicht stattfindet.“

Interessant und gleichzeitig überraschend ist wohl die Aussage in der Studie, wonach eine kurzfristige Erhöhung der Wassertemperatur auf › 25 °C nicht unmittelbar zu hohen Legionellenbefunden führt. Vielmehr soll sich das für das System spezifische Niveau an Legionellen sukzessive einstellen. Zur Begründung heißt es, dass bei einer nur kurzfristigen Temperaturerhöhung keine infizierten Amöben vorhanden seien. Zeitweise Überschreitungen der Temperatur führten deshalb auch nicht zwangsläufig zu einer relevanten Belastung mit Legionellen. Offen bleibt die Frage, welche Überschreitungen der Temperatur über welchen Zeitraum im Hinblick auf die Vermehrung von Legionellen akzeptabel sind. Hierzu seien weitergehende Forschungen erforderlich, betonen die Experten der Studie.

Einfaches Spülen reicht nicht

Kommt es in einer Trinkwasser-Installation zu einer Legionellenbelastung, sind Spülungen ein probates Mittel, um die Konzentrationen im System rasch zu senken. Hier zeigt sich ein weiteres überraschendes Ergebnis: „Spülungen führen erst bei einem mehrfachen Volumenaustausch zu einer relevanten Verringerung der Konzentration an Legionellen.“ Das erforderliche Austauschvolumen zur Erreichung eines Zielwertes sei von der vorliegenden Belastung abhängig, das Austauschintervall von der Vermehrungsgeschwindigkeit im System, heißt es in der Studie. Sowohl Wasseraustauschvolumen als auch -intervall seien somit systemspezifisch, so das Fazit der Forscher.

Mit Blick auf die Baupraxis empfehlen die Autoren der Studie, für den Trinkwasserbereich geeignete Materialien einzusetzen, die die Vermehrung von Mikroorganismen nicht durch Nährstoffabgabe fördern. Dadurch werde die Biofilmbildung und damit die Vermehrung von Legionellen begrenzt. Bei Einhaltung der Vorgaben in den Regelwerken DIN 1988-200 und VDI/DVGW 6023 – d. h. im Kaltwasser wird maximal 30 Sekunden nach Öffnen der Entnahmestelle eine Temperatur von 25 °C nicht überschritten – werde eine Vermehrung von Legionellen sicher vermieden, sagen die Studienmacher.

 

Regelwerk ist ausreichen sicher

Die Forscher kommen zum Ergebnis, dass die Vorgaben in den Regelwerken „ein Wachstum von Legionellen in Trinkwasser-Installationen sicher unterbinden“. Allerdings sollten Vorgaben zur exakten Beschreibung der Temperaturmessungen bei der Probennahme definiert werden. Die Aufnahme z. B. des Durchflusses und Temperaturprofils würden zudem weitergehende Aussagen zu den Randbedingungen im System ermöglichen.

 

 

Literatur:
DVGW-Forschungsprojekt W 201629: Schutz des Trinkwassers: Anforderungen an den bestimmungsgemäßen Betrieb kaltgehender Trinkwasser-Installationen unter dem Gesichtspunkt der Vermehrung von Legionellen“ – Abschlussbericht vom Juli 2019

 


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