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„Kesseltausch allein hilft dem Klima wenig“

Ein Gutachten im Auftrag des Bundesverbands Erneuerbare Energie sorgt für Diskussionen /
einige Branchenverbände üben deutliche Kritik

„Es gibt keinen Grund, den Einsatz Erneuerbarer Wärmetechnologie um weitere Jahrzehnte zu verzögern“, sagt Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie und Politik beim BEE. Bild: BEE

Als nicht nachvollziehbar und praxisfern bezeichnet Adrian Willig, Geschäftsführer des IWO, die veröffentlichten Ergebnisse des Gutachtens. Bild: IWO

Dr. Timm Kehler, Vorstand Zukunft Erdgas: „Anstatt bezahlbare und schnell wirkende Einsparmöglichkeiten zu verteufeln, sollten wir Hausbesitzer vielmehr animieren, selbst etwas für den Schutz des Klimas zu tun.“ Bild: Zukunft Erdgas

Frank Ebisch, Bereichsleiter Kommunikation & Strategie beim ZVSHK: „Es muss Ziel der gesamten Branche sein, gemeinsam darauf hinzuarbeiten, dass die Sanierungsquote in den Heizungskellern steigt.“ Bild: ZVSHK

 

Der Ersatz eines alten Heizkessels durch einen modernen Brennwertkessel spart deutlich weniger Energie als vielfach angenommen. Je nach ausgetauschtem Kessel variieren die typischen Einsparungen zwischen 2 und 15 %. Das ist das zentrale Ergebnis eines Gutachtens1), das der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) unlängst in Berlin vorgestellt hat. Für die Beurteilungen wurde der Endenergieverbrauch in sechs Bestandsgebäuden inkl. Peripherie nach DIN V18599 modelliert.

„Es ist keine wirksame Klimaschutzmaßnahme, lediglich einen älteren fossil befeuerten Kessel durch einen neueren auszutauschen“, sagt Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie und Politik beim BEE. In der öffentlichen Diskussion würden häufig Einsparungen von bis zu 30 % Energie und CO2 suggeriert, wenn alte Heizkessel durch neue mit Brennwerttechnik ersetzt werden. Diese Behauptungen werden sowohl durch das vom Beratungsunternehmen Econsult erstellte Gutachten als auch durch Realbetrieb-Untersuchungen widerlegt, so Pfeiffer. Dem Gutachten zu Folge variiert die Minderung stark in Abhängigkeit des zu ersetzenden Kessels; sie bewege sich je nach Effizienz des alten Kessels zwischen 2 und 15 %. In den meisten Fällen würden durch Maßnahmen an der Peripherie – hydraulischer Abgleich, effiziente Pumpen und Regelungstechnik – höhere Einsparungen als durch den Kesseltausch erzielt.

Klimaschutzziele in Gefahr?
Nach Einschätzung des BEE sorgt das Festhalten an fossil befeuerten Kesseln für ein hohes Lock-In-Risiko und stünde damit der Erreichung der mittel- und langfris­tigen Klimaschutzziele im Wege. „Heizkessel sind in Deutschland in der Regel mehrere Jahrzehnte in Betrieb. Der Ausstieg aus fossil befeuerten Heizungen muss jetzt starten, wenn der Wärmesektor seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten soll“, erklärt Pfeiffer. Es sei höchste Zeit, auf CO2-freie und -neutrale Heiztechnologien wie Solarthermie, Erdwärme, Holz, Biogas und weitere „grüne Gase“ umzusteigen. So würde zum Beispiel ein Kombisystem mit Holzpellets und Solarthermie oder Wärmepumpe und Solarthermie eine umfassende Dekarbonisierung ermöglichen. Dabei handele es sich um bewährte Systeme, die mit moderner Technik maßgeblich zum Klimaschutz beitrügen. Pfeiffer: „Es gibt keinen Grund, den Einsatz Erneuerbarer Wärmetechnologie um weitere Jahrzehnte zu verzögern.“
Der Gebäudesektor trägt nach Ansicht des BEE bislang zu wenig zur Dekarbonisierung bei. Der Verband ist der Ansicht, dass die nun vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse große Relevanz haben für die Förderstrategie der Bundesregierung. „Die Arbeit der vorgesehenen Kommission im Gebäudesektor sollte ebenso wie die Umsetzung des Klimaschutzplans in ein Klimaschutzgesetz auf der Basis fundierter wissenschaftlicher Daten anstelle von Werbeversprechen basieren“, so Pfeiffer. Der BEE hatte in der Vergangenheit bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass die Förderung rein fossil betriebener Heizungen und Klimaschutz nicht zusammenpassen.

Deutliche Kritik von Verbänden
Als nicht nachvollziehbar und praxisfern bezeichnet das Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO) die veröffentlichten Ergebnisse des Gutachtens. Adrian Willig, Geschäftsführer des Instituts für Wärme und Oeltechnik (IWO): „Bei der Heizungsmodernisierung mit Brennwerttechnik kann – entgegen der BEE-Behauptungen – der Energiebedarf durchaus um bis zu 30 % reduziert werden.“ So zeigten Berechnungen, die das IWO auf Grundlage derselben Norm (DIN V 18599) wie in dem Gutachten vorgenommen habe, dass in einem typischen Einfamilienhaus durch den Austausch des alten Konstanttemperaturkessels durch ein Brennwertgerät bereits Einsparungen von 23 % erzielt werden könnten. Durch weitere geringinvestive Maßnahmen – wie einem hydraulischen Abgleich sowie der Erneuerung von Thermostatventilen und Umwälzpumpe – seien in diesem Gebäude dann Einsparungen von insgesamt 30 % machbar.
Für Dr. Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft Erdgas, zählt jedes eingesparte Gramm CO2. „Anstatt wie der BEE bezahlbare und schnell wirkende Einsparmöglichkeiten zu verteufeln, sollten wir Hausbesitzer vielmehr animieren, selbst etwas für den Schutz des Klimas zu tun.“ In Deutschlands Heizungskellern schlummere enormes Einsparpotenzial. Drei von vier Heizungen im Bestand seien veraltet. Und die Einsparungen seien in jedem Fall erheblich höher als die in der Studie dargestellten Werte. Frank Ebisch, Bereichsleiter Kommunikation & Strategie beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima, ergänzt: „Es muss Ziel der gesamten Branche sein, gemeinsam darauf hinzuarbeiten, dass die Sanierungsquote in den Heizungskellern steigt. Es geht darum, die Anlagen jetzt effizienter zu machen und nicht darauf zu hoffen, dass sich bis 2030 alles von selbst geregelt hat. Zudem zieht ein Kesseltausch in der Regel weitere wirksame Effizienzmaßnahmen nach sich.“

www.bee-ev.de

https://zukunft.erdgas.info

www.zukunftsheizen.de

www.zvshk.de

1) Download des Gutachtens „Einsparungen von Endenergie und CO2 beim Ersetzen alter Heizkessel durch Brennwertkessel – eine detaillierte Betrachtung von Einsparpotenzialen in Abhängigkeit der Ausgangslage“ unter bit.ly/2I4tg2Y.

 


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