Kältemaschinen: Schraube oder Kolben?
Funktionen, Leistungsregelungen, Betriebsweisen von Schrauben- und Kolbenverdichtern im Vergleich
Nicht selten wird die Frage nach dem Verdichterprinzip gestellt: Schraube oder Kolben? Beide Prinzipien haben im Bereich mittlerer Kältemaschinen ihren Platz und ihre Berechtigung im Markt. Am Beispiel von Kaltwassermaschinen mit Kolben- und Schraubenverdichtern für das natürliche Kältemittel Ammoniak (NH3) zeigt der Beitrag Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten von Kolben- und Schraubenverdichtern für die Anwendung in geschlossenen Kältekreisläufen auf.
Kolbenverdichter gehören wie Schraubenverdichter zu den Verdrängermaschinen. Mit ihren zylindrischen Verdichtungsräumen sind sie relativ einfach abzudichten und waren zur Zeit der Dampfmaschine die logische erste (und damit älteste) Bauform, die bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf den Markt kam. Schraubenverdichter wurden dagegen erst ein knappes Jahrhundert später in den Markt gebracht, als auch die entsprechende Fertigungstechnologie beherrschbar wurde.
Ammoniak gehört zu den ältesten verwendeten Kältemitteln. Als natürliches Kältemittel überzeugt es durch Nachhaltigkeit und geringe Umweltbelastung und bietet die Basis für eine gute Effizienz. Seine Verwendung ist technisch beherrschbar und stellt keine grundlegende Herausforderung mehr dar. Aufgrund seiner Eigenschaften (ODP = 0, GWP = 0, hohe massenbezogene Kälteleistung) findet Ammoniak heute zunehmend Anwendung.
Funktionsprinzipien im Vergleich
Wie schon angedeutet, sind Schrauben- und Kolbenverdichter Verdrängermaschinen, die durch periodische Veränderung eines Volumens die Ansaugung, Verdichtung und den Ausschub des Gases bewirken. Beide verfügen über eine innere Verdichtung, bei der das Gas unter Abschluss der Ein- und Auslässe durch die entsprechende Volumenverkleinerung verdichtet wird.
Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Steuerung des Ladungswechsels, der beim Kolbenverdichter durch druckgesteuerte Arbeitsventile erfolgt, während im Schraubenverdichter entlang einer fixen Verdichtungslinie bis zum Erreichen der Auslassöffnung verdichtet wird. Die wesentlichen Merkmale beider Prinzipien sind in Tabelle 1 dargestellt.
Anzumerken ist, dass Schraubenverdichter bei höheren Volumenströmen ihren besten Wirkungsgrad erreichen, was sich auch in ihrer größeren Schnellläufigkeit ausdrückt. Kolbenverdichter, gerade auch größere für industrielle Anwendungen, profitieren von niedrigen Drehzahlen.
Leistungsregelung/Anlaufentlastung
Die Anpassung der Verdichterleistung an den jeweiligen Bedarf spielt bei der Energiebilanz eine signifikante Rolle. Dabei gibt es für beide Verdichtertypen grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die Leistung zu variieren:
- Änderung des Volumenstroms durch verdichterinterne Maßnahmen und
- Änderung des Volumenstroms über die Drehzahl.
Die interne Maßnahme ist für den Kolbenverdichter typischerweise die Zylinderabschaltung, wobei wir das offen-blockierte Saugventil (Bild 1) vom geschlossen-blockierten unterscheiden können.
Die Effizienz der Zylinderabschaltung ist in Bild 4 dargestellt (rote Linie): Man kann erkennen, dass die Effizienz umso besser ist, je näher die aktuelle Leistung dem Volllastpunkt ist. Dies gilt analog für die Schieberregelung bei Schraubenverdichtern. Für umgebungsabhängige Kälteanlagen mit häufigem Betrieb bei geringen Leistungen, wie z. B. Chiller (Kaltwassererzeuger), muss somit eine effizientere Lösung gefunden werden. Hier bietet sich die Drehzahlregelung an.
Chiller mit drehzahlgeregeltem Schraubenverdichter
Chiller-Anwendungen sind in der Kältetechnik durch kleine Druckverhältnisse (Verhältnis von Hochdruck zu Saugdruck) geprägt. Im Gegensatz zu Tiefkühlanwendungen mit Druckverhältnissen von über 10 bis 15 begnügen sich Kaltwasseranwendungen, die in der Regel mit Verdampfungstemperaturen über dem Gefrierpunkt arbeiten, mit Volllast-Druckverhältnissen von etwa 3 bis 4, um dann bei Teillast bis auf Werte von ca. 1,3 abzufallen. Für solche Druckverhältnisse sind Kolben- und Schraubenverdichter gut einsetzbar.
Im Zuge der energetischen Optimierung gewinnt die Teillastführung der Chiller zunehmend an Bedeutung, denn die Maschinen werden in der Regel zwar auf den maximalen Betriebspunkt ausgelegt, der wird aber (z. B. nach Eurovent) nur zu 3 % im Jahr genutzt. Insbesondere das Absenken der Betriebsbedingungen bei niedrigeren Umgebungstemperaturen stellt für die Konstrukteure von Verdrängerverdichtern eine besondere Herausforderung dar, gibt es doch mannigfaltige Gründe, die Verdichter mit höheren Betriebsdrücken zu fahren als erforderlich, sei es, um den Ölhaushalt zu gewährleisten oder eine ausreichende Endtemperatur zu bewahren.
Dennoch ist die Notwendigkeit der Energieeinsparung dominant – es gibt keinen unabänderlichen Grund, die Maschinen nicht auf den thermisch bedingten Bedarf herunterzubringen. Um die Maschinen vergleichbar zu machen, wurde der „SEER“ definiert (Seasonal Energy Efficiency Ratio).
Chiller mit Kolbenverdichter
Auch hier erfolgt der Antrieb des Verdichters direkt und mit Drehzahlregelung; die Höchstdrehzahl beträgt 1500 min-1 Der Kolbenverdichter zeichnet sich durch die druckgesteuerten Ventile mit einer guten Anpassung an die unterschiedlichen Betriebsbedingungen aus. Die extrem niedrigen Ölverbräuche von einigen ppm lassen einen Ölabscheider überflüssig werden. Dies vereinfacht den Aufbau des Chillers.
In Bild 6 ist dargestellt, dass der „ESEER“ (European Seasonal Energy Efficiency Ratio) des Kolben-Chillers (hellblau) noch besser ist als der schon hohe „ESEER“ der Schraube. Dies hat u. a. damit zu tun, dass die Schraube hier mit relativ niedriger Drehzahl mit max. 4500 min-1 eingesetzt wird, um keine allzu teuren Sondermotoren einsetzen zu müssen. Hier liegt noch Entwicklungspotenzial.
Betriebsweisen, Stärken und Notwendigkeiten
Vergleichen wir die Verdichterfunktion selbst, so gilt als Stärke des Kolbenverdichters dessen implizierte Anpassung des inneren Druckverhältnisses an das äußere: Dadurch sind eine Über- oder Unterverdichtung weitgehend ausgeschlossen. Allerdings verläuft die Verdichtung entsprechend polytrop und Ammoniak mit einem isentropen Exponenten von etwa 1,3 erfährt eine entsprechende Erwärmung, die das erzielbare Druckverhältnis begrenzt. Verdichtungstemperaturen über 150 °C werden in der Regel nicht zugelassen, um eine ausreichende Standzeit des Schmieröls zu erreichen. Im Gegensatz dazu ist das innere Verdichtungsverhältnis des Schraubenverdichters durch den verfügbaren Auslassquerschnitt begrenzt, der in der Regel ein Volumenverhältnis von etwa 5,5 als Obergrenze zulässt. Die Innenkühlung des Verdichtungsvorgangs durch eingespritztes Öl lässt diesen thermisch unempfindlich werden, wobei durch die mehr zur Isothermen tendierende Verdichtung auch Verdichtungsarbeit gespart wird. Hier erfolgt also eine gewisse Kompensation für ein möglicherweise nicht ausreichendes inneres Verdichtungsverhältnis.
Als antriebsseitig offene Maschinen haben beide Verdichter eine Wellenabdichtung, die der turnusmäßigen Wartung bedarf. Im Gegensatz zum Kolbenverdichter, der mit einer Druck-Umlaufschmierung arbeitet, wobei das Triebwerk teils hydrodynamisch, teils im Mischreibungsgebiet läuft, wird in den Schraubenkompressor Öl entsprechend des Erfordernisses nach Innenkühlung zugeführt, sodass dieser „ölüberflutet“ quasi verschleißfrei betrieben werden kann. Werden, wie im vorliegenden Fall, Wälzlager für die Schraubenrotoren verwendet, so sind diese mit einer rechnerischen Auslegung von 40 000 Betriebsstunden in der Regel auf Lebenszeit wartungsfrei. In diesem Fall wird ein Großteil des Betriebsrisikos von der einwandfreien Funktion des Ölkreislaufs getragen, dessen Überwachung also ratsam ist. Tabelle 2 stellt ein paar typische Merkmale gegenüber.
Zurück zur Frage: Kolben oder Schraube?
Moderne Chiller zeichnen sich durch Kompaktheit, hohe Energieeffizienz, geringe Umweltbelastungen, niedrige Geräusch- und Schwingungspegel aus. Im aktuellen Beitrag wurde eine Leistungsgröße um 1 MW betrachtet, in der beide Verdichterarten gut vertreten sind. Bei wesentlich größeren Leistungen bis zu ca. 10 MW dominieren Schraubenverdichter die Anwendungen, gefolgt von Turbomaschinen ab etwa 10 MW. Als Entscheidungshilfe mögen auch die „Total Cost Of Ownership“ (TCO) dienen, die bei namhaften Herstellern abrufbar sind. Anschaffungspreis, Energiebedarf und Wartungsaufwand werden hier über die Laufzeit verglichen.
Autor: Wolfgang Sandkötter, Leiter Entwicklung bei der GEA Germany Berlin
Bilder: GEA