Hohe Raumluftqualität wichtiger denn je - Raumgestaltung und Raumlufttechnik im Interview
Christian Kaiser ist als Architekt und Energieberater sowohl in der Bestandssanierung als auch im Neubau mit dem Thema Raumlufttechnik konfrontiert und entsprechend vertraut. Im Folgenden stellte er sich unseren Fragen zum Thema Raumgestaltung und Raumlufttechnik.
IKZ-ENERGY: Herr Kaiser, wie gehen Sie mit dem Thema Luftwechsel und Lufterneuerung in ihren Bauvorhaben um und wie stehen Sie zum Lüftungskonzept nach DIN 1946-6?
Christian Kaiser: Durch die deutlich gestiegenen Vorgaben der Energieeinsparung in Gebäuden und die damit verbundene Forderung nach Luftdichtheit der Gebäudehülle spielen Fragen nach der Luftqualität im Innenraum heute eine zentrale Rolle, vor allem im Hinblick auf die Gebrauchstauglichkeit eines Hauses. Einerseits muss – anders als früher – sichergestellt werden, dass ausreichend Frischluft für die Bewohner zur Verfügung steht, andererseits müssten Feuchtigkeiten, Ausdünstungen der Bewohner und Schadstoffe aus Möblierung und/oder Baustoffen zuverlässig abgeführt werden.
In älteren Gebäuden wurden Schadstoffe und Feuchtigkeiten durch unkontrollierte Undichtigkeiten der Hüllkonstruktion abgelüftet. Da dies heute nicht mehr zulässig ist, müssen sich Planer aktiv mit dem geeigneten Lüftungskonzept ihrer Bauten befassen. Zudem ist es aufgrund heutiger Lebensmodelle der Bewohner nicht mehr zuverlässig gesichert, dass in ausreichenden Intervallen manuell gelüftet wird. Wenn die Bewohner den ganzen Tag arbeiten sind und erst spät nach Hause kommen, ist nicht zu erwarten, dass sie dann umgehend lüften, zumal durch ein manuelles Lüften immer auch Wärme entweicht. Daher können in vielen Fällen technische Lüftungskonzepte unverzichtbar werden, wenn die Rahmenbedingungen und individuellen Nutzerbedürfnisse keinen ausreichenden Luftwechsel mit manuellem Lüften mehr erlauben. Die Abklärung der Rahmenbedingungen ist daher eine weitere wichtige Aufgabe des Planers.
IKZ-ENERGY: Welche Möglichkeiten sehen Sie in gestalterischer Sicht zur sichtbaren Integration lüftungstechnischer Komponenten in den Innenraum?
Christian Kaiser: Zunächst einmal dient das Gebäude als Aufenthaltsort und Schutzraum für Menschen. Da sich Menschen in unseren Breiten bis zu 90% in Innenräumen aufhalten, kommt der Wohngesundheit und Behaglichkeit im Innenraum eine hohe Bedeutung zu. Wenn das energetische Gebäudekonzept eine technische Lüftungslösung erfordert, sollte diese immer auch so angeordnet sein, dass Störungen der Nutzer vermieden werden. Die Anordnung der Absaug- und Einblasöffnungen sollte also so erfolgen, dass Geräusche, Geruchsübertragungen und Zuglufterscheinungen sicher vermieden werden. Gleichzeitig sollten die Zuluftanlagen gut zugänglich sein und nicht allzu schnell verschmutzen können. Dadurch bestehen schon viele wohnphysiologische Anforderungen an die Anordnung, noch bevor gestalterische Fragen betrachtet werden können. Ideal ist es, wenn die technischen Erfordernisse und gestalterische Aspekte gleichzeitig gelöst werden.
IKZ-ENERGY: Haben Sie bereits Erfahrungen damit, lüftungstechnische Komponenten in Arbeits- aber auch in Wohnräumen sichtbar zu machen?
Christian Kaiser: Die Idee, technische Installationen in Räumen sichtbar und funktional anzuordnen, ist bereits seit den 1960er-Jahren in der Architektur verbreitet. Eines der prominentesten Beispiele hierfür ist sicherlich das Centre Georges Pompidou in Paris (Richard Rogers/Renzo Piano, 1971 – 1978). Aber nicht nur aus (technik-)ästhetischer Sicht hat die sichtbare Ausführung von technischen Anlagen in Innenräumen ihren Reiz. Auch aus funktionalen und Nachhaltigkeitsaspekten ist eine gut zugängliche und sichtbare Lüftungsinstallation sinnvoll. Einerseits lässt sich der Unterhalt deutlich besser durchführen, wenn die Installationen sichtbar und zugänglich sind, andererseits ist auch ein Austausch oder eine Erneuerung nach Jahren einfach und kostengünstig möglich, wenn neue technische Möglichkeiten bestehen.
Bewährt haben sich z.B. offen unter der Decke im Flur angebrachte Lüftungsrohre, die zu den verschiedenen Räumen führen und z.B. über der Türe einen Durchlass zum Raum haben. Da im Flur auch planungsrechtlich geringere Raumhöhen zulässig sind, ist die abgehängte Montage problemlos möglich. Gleichzeitig kann die sichtbare Haustechnikinstallation auch das Verständnis der Bewohner für die Funktionsweise der Wohnung schärfen und für eine regelmäßige Kontrolle und Unterhalt der Anlage sensibilisieren (z.B. im Hinblick auf den regelmäßigen Filterersatz und die Kontrolle der Sauberkeit in der Anlage).
IKZ-ENERGY: Welche Anforderungen stellen Sie an die Materialien für sichtbare Luftleitungen, Ventile usw.?
Christian Kaiser: Luft ist das wichtigste „Lebensmittel“ des Menschen überhaupt. Daher sind natürlich an alle Bauteile einer Lüftungsanlage sehr hohe Anforderungen hinsichtlich Emissions- und Geruchsarmut und Hygiene zu stellen. Mit Blick auf die Optik von sichtbaren Anlagen sollten die Befestigungselemente sowie luftführenden Kanäle sicherlich einigermaßen „ansehnlich“ sein. Ein silbriges Blechrohr mit regelmäßigen Metallbefestigungen wäre vermutlich einem auffallend bunten Kunststoffrohr vorzuziehen. Wesentlich bei der Materialwahl sollte aber die Beachtung der Gebrauchtauglichkeit sein. Wie stark ist die elektrostatische Aufladung der inneren Rohroberfläche? Wieviel Staub und/oder Mikroben können sich im luftführenden Kanal ansammeln? Welche geruchlichen Einflüsse erfolgen z.B. durch Schalldämpfer oder durch Anschlüsse an andere Räume und/oder Wohnungen (z.B. bei zentralen Anlagen in Mehrfamilienhäusern)? Etc. etc.
IKZ-ENERGY: Wie sehen Sie das Potenzial zur Kostenreduzierung und Auswirkungen auf den Bauzeitenablauf, wenn keine Verkleidungen/Auskofferungen von lüftungstechnischen Komponenten nicht, oder nur eingeschränkt notwendig sind?
Christian Kaiser: Der Bauablauf wird durch sichtbare Lüftungsmontagen sicherlich deutlich vereinfacht. Immerhin müssen die Kanäle dann nicht mühsam in dicke Betondecken oder Hohlwände integriert werden, sondern können nach Erstellung des Rohbaus montiert werden. Gleichzeitig werden Schwächen in der Schalldämmung zwischen Wohneinheiten vermieden, wenn die Lüftungsanlagen nicht in der Decke eingelassen sind.
Für die Fehlervermeidung sind nachträglich montierte Lüftungsanlagen ebenfalls im Vorteil, da gerade bei Betoniervorgängen eingelegte Installationen gefährdet sind. Die Einsparung des vereinfachten Bauablaufs dürfte sich auf ungefähr 5 – 10% der Kosten von verdeckten Installationen belaufen. Allerdings sehe ich tatsächlich die größeren Kostenvorteile im Hinblick auf die deutlich höhere Flexibilität in der Langzeitbetrachtung.
Die Technik und planerischen Erkenntnisse von Lüftungsanlagen sind aktuell einem sehr schnellen Wandel unterworfen. Bei sichtbaren Anlagen kann auf technische Neuerungen deutlich besser reagiert werden. Zumal sind zukünftige Uminstallationen und auch Erweiterungen möglich, während verdeckte Systeme sehr viel schwieriger einsehbar und umbaubar sind.
IKZ-ENERGY: Herrr Kaiser, vielen Dank für das Gespräch.
* Christian Kaiser ist Dipl.-Ing. Architekt SIA, Baubiologe und Baubiologischer Energieberater IBN. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in Süddeutschland (bei Schaffhausen) und in der Schweiz. Weiterhin ist er Lehrbeauftragter an der HTWG Konstanz und an der Baukaderschule St. Gallen. 2012 erschien sein Buch „Ökologische Altbausanierung“ im VDE-Verlag Berlin, ISBN 978-3-8007-3298-2. www.zekadesign.de