Werbung

Hat die Schwarzarbeit positive Effekte?

Frank Ebisch, Bereichsleiter Kommunikation & Strategie, ZVSHK (Zentralverband Sanitär Heizung Klima)

 

 

Die tropfende Waschtischarmatur auswechseln, die Wartung des Heizkessels, die komplette Sanitär- und Heizungsinstallation im Neubau, Tapezieren, Anstreichen, Elektroarbeiten - nicht während der normalen Arbeitszeit, sondern nach Feierabend und am Wochenende. Schwarzarbeit in Deutschland boomt. "Schwarz" ist ein alter Begriff und lässt sich übersetzten mit "etwas Verbotenes, etwas bei Nacht tun". Es sind mehr als 300 Mrd. Euro, die jährlich vom Auftraggeber bar in die Hände des Schwarzarbeiters übergeben werden. Viel Geld, für das keine Steuern und keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Da reagiert der Staat empfindlich und verfolgt die Schattenwirtschaft als Straftatbestand. Auch Arbeitgeber reagieren erzürnt, wenn die Schwarzarbeit im Dunstkreis des Betriebs entdeckt wird, etwa wenn der eigene Mitarbeiter samstags auf Baustellen erwischt wird oder mit dem Firmenwerkzeug Heizungsanlagen baut. Schwarzarbeit hat kein gutes Image. Daher kann man ihr auch nichts - rein gar nichts - Positives abgewinnen. Oder vielleicht doch? Diese Hypothese wird sicher bei Vielen ein erstauntes Kopfschütteln auslösen. Und tatsächlich gibt es Wissenschaftler, die der Schattenwirtschaft gesamtgesellschaftliche Vorteile zuschreiben.

Pro

In vielen Ländern – so auch in Deutschland – hat die Schattenwirtschaft (die Schwarzarbeit) ein Ausmaß erreicht, dass ein dringender politischer Handlungsbedarf zur Bekämpfung entsteht. In Deutschland beträgt die Schwarzarbeit in diesem Jahr (2014, Prognose/Grobschätzung) 345,7 Mrd. Euro und im letzten Jahr (2013) betrug sie 340,5 Mrd. Euro. Somit hat sie um 5,2 Mrd. Euro zugenommen. Gründe dafür sind die nach wie vor sehr hohe Steuerbelastung als auch die Regulierungsdichte in Deutschland. Beide Faktoren machen es sehr attraktiv, in die Schattenwirtschaft auszuweichen.
Der größte Verlierer ist der Staat, dem hauptsächlich Sozialversicherungsbeiträge entgehen. Im Jahr 2013 lagen die Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsausfälle bei 42,6 Mrd. Euro. Die Steuerverluste halten sich in Grenzen, da das "schwarz" verdiente Geld sofort wieder in der offiziellen Wirtschaft ausgegeben wird.
Ein weiterer Verlierer sind die Sozial- und Krankenversicherungen, die die erhöhten Kosten der zusätzlichen Unfälle bzw. Arbeitsunfähigkeit der Schwarzarbeiter tragen. Die genauen Kosten sind sehr schwer abzuschätzen, da nicht genau zwischen einem Freizeit- und Arbeitsunfall unterschieden werden kann.
Verlierer sind auch die Firmen, die es ablehnen "schwarz" zu arbeiten oder "schwarz" arbeiten zu lassen. Sie sehen sich einer ruinösen Konkurrenz gegenüber.
Es gibt aber auch Vorteile:
66 % der Wertschöpfung der Schattenwirtschaft kommt von "Nebenerwerbs"-Schwarzarbeitern. Sie sind in der offiziellen Wirtschaft beschäftigt und tragen daraus die volle Steuer- und Abgabenlast - "nur" nicht für ihre "schwarzen" Überstunden. In Deutschland waren es 2013 zwischen 8 und 10 Mio. "Nebenerwerbs"-Schwarzarbeiter.
Darüber hinaus sind 40% der Schwarzarbeitstätigkeiten komplementär, d. h. sie würden in der offiziellen Wirtschaft zum offiziellen Preis vom Kunden nicht nachgefragt. 25% der beauftragten Schwarzarbeitertätigkeiten würden im Do-it-yourself erledigt und 35% sind substitutiv - der Kunde würde sie von einem Unternehmen nachfragen.
Von der Schwarzarbeit profitieren die Wirtschaft und wir, das heißt jeder, der selbst "schwarz" arbeitet und arbeiten lässt. Viele Häuser und Eigenheime gäbe es ohne die Schwarzarbeit nicht.
Die Steuer- und Abgabenhinterziehung der Schwarzarbeiter, von denen 66% die volle Abgabenlast in ihrem Job in der offiziellen Wirtschaft tragen, kann man zum Teil als Kavaliersdelikt oder als Steuerrebellion des "kleinen Mannes" sehen. Es gibt auch eine Verpflichtung des Staates, die Lohnnebenkosten zu senken und die kalte Progression abzuschaffen, sodass Arbeit in der offiziellen Wirtschaft wieder rentabel wird.
Man kann die Schlussfolgerung ziehen, dass die Schwarzarbeit insgesamt für die offizielle Wirtschaft Vorteile hat. Denn 66% des in der Schwarzarbeit verdienten Geldes wird sofort wieder in der offiziellen Wirtschaft zur Befriedigung von Konsumwünschen ausgegeben.
Insgesamt gesehen bedeutet dies, dass ein Rückgang der Schwarzarbeit nur dann für alle profitabel ist, wenn das Schwarzarbeitsvolumen in offizielle Wertschöpfung umgewandelt wird. Das heißt, es müssen anreizorientierte Maßnahmen ergriffen werden, die bewirken, dass weniger "schwarz" und mehr in der offiziellen Wirtschaft gearbeitet wird.

Contra

Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt. Schwarzarbeit ist eine Straftat. Schwarzarbeit ist Betrug an der Allgemeinheit. Denn Schwarzarbeit schädigt massiv den Staat und seine Sozialkassen. Auf ein Volumen von weit über 300 Mrd. Euro jährlich wird die Schwarzarbeit in Deutschland geschätzt. Etliche Mrd. Euro werden auf diese Weise dem Staat vorenthalten. Angesichts dieser kriminellen Dimension überhaupt positive Effekte der Schwarzarbeit feststellen zu wollen, ist abenteuerlich.
Der Bau ist seit jeher anfällig für Schwarzarbeit in großem Stil. Das haben erfolgreiche Razzien der Finanzkontrolle erst jüngst wieder gezeigt. Als größte Gruppe des installierenden Gewerbes ist zwangsläufig auch das SHK-Handwerk mit dem Problem Schwarzarbeit konfrontiert. Die Argumentation für eine legale Auftragsarbeit ist deshalb für den Zentralverband ein wichtiges Thema seiner Öffentlichkeitsarbeit. Bauherren, Investoren und Modernisierern muss immer wieder vorgehalten werden: Wer einen Handwerker "ohne Rechnung" beauftragt, handelt am Rechtsstaat vorbei. Erweist sich die erbrachte Leistung obendrein als mangelhaft, kann eine Mangelbeseitigung nicht eingefordert werden. Ergo: Schwarzarbeit lohnt sich nicht.
Seit 2004 gilt das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung. Sieben Jahre später fällte der Bundesgerichtshof zu diesem Gesetz erstmalig eine Entscheidung, die dem Fachhandwerk deutlich den Rücken stärkt: Wer sich als Kunde auf Schwarzarbeiter und deren Leistungspfusch einlässt, geht ein hohes Qualitätsrisiko ein. Wird die Arbeit ohne Rechnung und Zahlung von Mehrwertsteuer geleistet, geht es nicht allein um Steuerhinterziehung. Haben sich Auftraggeber und -nehmer auf diese illegale Weise abgesprochen, wertet der Rechtsstaat den Werkvertrag als nicht zustande gekommen. Ein Mängelhaftungsanspruch lässt sich dann gerichtlich nicht durchsetzen. Der Rechtsstaat lässt also einen Steuerhinterzieher, der Schwarzarbeit
begünstigt, demonstrativ im Regen stehen. Denn Schwarzarbeit wäre ohne Risiko, wenn Auftraggeber und -nehmer vertragliche Ansprüche zustehen würden.
Das ist ein entscheidender Pluspunkt für das Fachhandwerk. Er kann seinen Kunden sehr deutlich machen, dass bei seiner Beauftragung nicht der Preis allein entscheidet, sondern der Leistungsumfang. Wer anderes als der Innungsbetrieb hat das entscheidende fachliche Know-how? Schwarzarbeit lohnt sich nicht, weil große Risiken damit verbunden sind.
Hinzu kommt, dass der organisierte Fachbetrieb obendrein von wichtigen Absicherungen im Schadensfall profitieren kann - letztlich zum Vorteil seines Kunden. Denn wenn Produktbeschaffung und Einbau über den Fachbetrieb laufen, übernimmt dieser die Gewähr dafür, dass alles funktioniert. Dabei hilft die sogenannte Haftungsübernahmevereinbarung, in deren Rahmen sich fast alle namhaften SHK-Markenhersteller verpflichtet haben, bei nachgewiesenen Produktfehlern nicht nur für Ersatz zu sorgen, sondern auch die Reparaturkosten zu übernehmen.
Es gibt aus Sicht des SHK-Handwerks keinen einzigen nennenswerten Grund, der Schwarzarbeit das Wort zu reden. Der Staat muss weiter alles dafür tun, organisierten Betrug einzudämmen – inwieweit hier die Einführung eines garantierten Mindestlohns hilfreich ist, kann bezweifelt werden.

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: