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Forschungsstrategie zeigt Perspektiven für die Solarwärme auf

Die Herausforderungen der Wärme- und Kälteversorgung rücken angesichts der Energiepreissteigerungen und des Klimawandels immer stärker ins Bewusstsein von Politik und Bevölkerung. Die Deutsche Solarthermie-Technologieplattform (DSTTP) hat sich zur Aufgabe gemacht, die Chancen aufzuzeigen, die die Solarthermie für eine nachhaltige Wärme- und Kälteversorgung bietet. In der von der DSTTP veröffentlichten Forschungsstrategie „Niedertemperatur-Solarthermie 2030“ werden eine Fülle von Forschungsaufgaben beschrieben, die in den nächsten zwei Jahrzehnten zu bearbeiten sind*. Gleichzeitig werden die enormen Potenziale dieser Technik aufgezeigt. Ein Überblick.

In Städten und Stadtteilen mit hoher Wohn- oder Gewerbedichte wird die dezentrale solare Wärmeerzeugung auf den einzelnen Gebäuden nicht ausreichen, um den Wärmebedarf zu großen Teilen zu decken. Hier werden solare Nahwärmeanlagen mit saisonaler Speicherung eine wichtige Rolle spielen.Bild: Sonnnenkraft

 

0,3 % beträgt heute der Anteil der Solarwärme am Wärmebedarf. Die DSTTP hat die Vision, diesen Anteil langfristig auf 50 % zu steigern. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Gesamtwärmebedarf durch Effizienzmaßnahmen um 40 % reduziert wird. Dieses Ziel soll frühestens 2030 und spätestens 2050 erreicht werden. Die Vision setzt sich aus mehreren Elementen zusammen. Im Wohnungsneubau wird erwartet, dass das „SolarAktivHaus“ zum Baustandard wird. Das „SolarAktivHaus“ zeichnet sich dadurch aus, dass es seinen gesamten Wärmebedarf für Trinkwasser und Raumwärme mittels Solarwärme deckt. Dies wird möglich durch eine gute Wärmedämmung, eine große Kollektorfläche und einen Wärmespeicher, der die Wärme vom Sommerhalbjahr bis in den Winter verlustarm speichert. Heute werden in ersten Pilothäusern große Wasserspeicher eingesetzt, bis 2030 werden hierfür vermutlich Wärmespeicher mit Phasenwechsel- und chemischen Materialien zur Verfügung stehen, die bei gleichem Volumen die achtfache Speicherkapazität aufweisen.
Im Gebäudebestand wird die vollständige Deckung des Wärmebedarfs oftmals nicht möglich sein, da aufgrund der Architektur und der Gebäudeausrichtung oder beispielsweise in Mehrfamilienhäusern aufgrund der begrenzten Dachflächen nicht genügend Solarenergie geerntet werden kann. Gleichzeitig muss der größte Teil des Gebäudebestands noch energetisch saniert werden. Deshalb wird für den Gebäudebestand die „Solare Modernisierung“ angestrebt, bei der mit Multifunktionsmodulen die Wärmedämmung und die Solarkollektoren, aber auch Solarstrommodule, Fenster und andere funktionelle Elemente in einem System auf die Fassade und das Dach aufgebracht werden können und die Modernisierung sich in einem Zug realisieren lässt. Der Solarwärmeanteil soll nach der Modernisierung bei über 50 % liegen.

Wichtige Forschungsthemen im Bereich von Solarkollektoren betreffen die Integration in die Gebäudehülle und erweiterte Anwendungsgebiete, beispielsweise die solare Prozesswärme.  Bild: Mirroxx

Solare Nahwärmeanlagen mit saisonaler Speicherung
Der Wärmeverbrauch in Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft macht heute 23 % in Deutschland aus. Solarkollektoren können Wärme bis 250 °C zur Verfügung stellen, über 100 °C typischerweise mit konzentrierenden Solarkollektoren. Solarthermische Kühlmaschinen sind ein weiterer vielversprechender Anwendungsbereich. Systeme, die im Sommer kühlen und im Winter heizen, sind denkbar.
In Städten und Stadtteilen mit hoher Wohn- oder Gewerbedichte wird die dezentrale solare Wärmeerzeugung auf den einzelnen Gebäuden nicht ausreichen, um den Wärmebedarf zu großen Teilen zu decken. Hier werden solare Nahwärmeanlagen mit saisonaler Speicherung eine wichtige Rolle spielen. Die Wärmenetze haben den Vorteil, dass Schwankungen im Wärmebedarf der einzelnen Nutzer teilweise ausgeglichen werden können, dass die Wärmebereitstellung sehr effizient erfolgen und die Solarenergie äußerst verlustarm gespeichert werden kann, denn sehr große Wärmespeicher haben ein günstiges Oberflächen-Volumen-Verhältnis. Weiterhin ist die Kombination mit Kraft-Wärme-Kopplung und anderen Erneuerbaren Wärmequellen möglich.
Mit diesen Elementen der Solarthermie-Vision ist es möglich, langfristig 50 % des Gesamtwärmebedarfs in Deutschland und Europa mit Solarwärme zu decken. Damit verbunden ist ein deutlicher Ausbau der Solarkollektorfläche. Diese müsste von heute etwa 14 auf etwa 600 Mio. m² in Deutschland anwachsen. Die wichtigsten technologischen Fortschritte und die wichtigsten Forschungsaufgaben, die sich daraus ableiten, werden im Folgenden beschrieben.

In der Forschungsstrategie wird das technologische Entwicklungspotenzial im Bereich Solarwärme aufgezeigt und eine Fülle von Forschungsaufgaben benannt. Unter anderem müssen die Forschungsmittel für die Solarthermie deutlich erhöht werden.    Bilder: Fraunhofer ISE

Grundlegende Forschungs­arbeiten erforderlich
Die wichtigste Komponente der Solarwärmeanlage ist der Solarkollektor, in dem die Solarstrahlung in Wärme umgewandelt wird. Dieser weist heute schon eine sehr hohe Effizienz auf, weshalb die wichtigsten Forschungsthemen im Bereich Kos­tensenkung, bessere Integration in die Gebäudehülle und bei erweiterten Anwendungsgebieten und Nutzungen liegen, beispielsweise mit Prozesswärme-, photovoltaisch-thermischen Hybrid- oder Luftkollektoren. Die Kosten lassen sich senken durch neue Materialien wie Kunststoffe, durch intelligente Konstruktionen und Produktionsverfahren. Die architektonisch und technologisch optimierte Integration größerer Kollektorflächen in Dach und Fassade ist eine Forschungsaufgabe, ebenso die weitere Erhöhung der Betriebssicherheit der Kollektoren.
Eine zentrale Bedeutung für die Solarwärmeanlage hat der Wärmespeicher. Da Solarstrahlung und Wärmebedarf meist zeitlich nicht übereinstimmen, muss die Solarwärme zwischengespeichert werden, je nach Anlage für einige Stunden, einige Tage, einige Wochen oder einige Monate. Die weitgehende solare Beheizung von Gebäuden setzt voraus, dass die im Sommer erzeugte Solarwärme über Monate bis in den Winter gespeichert wird. Heute werden dazu große Warmwasserspeicher eingesetzt, die in den kommenden Jahren technologisch weiter optimiert werden müssen. Parallel dazu ist die Entwicklung von Wärmespeichern mit deutlich höheren Energiedichten und wesentlich geringeren Wärmeverlusten erforderlich. Speicher auf Basis von Phasenwechselmaterialien und thermo-chemische Wärmespeicher können bei gleichem Volumen bis zu achtmal mehr Wärme aufnehmen als Wasserspeicher. Eine Vakuumdämmung kann die Wärmeverluste und das Volumen reduzieren. Zur Entwicklung dieser neuen Generation von Wärmespeichern sind noch grundlegende Forschungsarbeiten erforderlich. Neben den Wärmespeichern für einzelne Gebäude sind auch die sehr großen Wärmespeicher in Wärmenetzen weiter zu entwickeln. Gegenwärtig sind 15 Langzeitwärmespeicher mit einem Speichervolumen zwischen 300 und über 20 000 m3 Wasseräquivalent realisiert. Die Forschung zielt hier insbesondere auf die Kostenreduzierung, Standardisierung und Effizienzsteigerung ab.
Wie viel Solarenergie tatsächlich nutzbar gemacht wird, hängt in großem Maße auch von der Konfiguration des Solarsys­tems, der Regelung, dem Zusammenspiel mit dem konventionellen Heizsystem sowie der Betriebsweise und -überwachung ab. Forschungsbedarf besteht in den Bereichen systemtechnische Konfiguration, Automation von Mess-, Steuer- und Regeltechnik, der Planung und Ausführung der solarthermischen Anlagen und der Anlagenhydraulik. Das Ziel ist dabei, die Betriebssicherheit und die Effizienz zu erhöhen, beispielsweise auch durch Steuerungen, die die Wettervorhersage mit einbeziehen und die Warnmeldungen abgeben, wenn die Solarwärmeanlage kein optimales Betriebsverhalten aufweist.

Entwicklung des Solarthermie-Forschungsbudgets.  Quelle: BMU, BMBF, Grafik: Fraunhofer ISE

Neue Materialien, Wärme- und Stofftransportkonzepte
Bei der solaren Prozesswärmebereitstellung geht es nicht nur um höhere Temperaturen zwischen 100 und 250 °C, sondern auch um den Wärmebedarf deutlich unter 100 °C, beispielsweise für Waschprozesse und Prozesse in der Lebensmittelbranche. Forschung ist notwendig im Bereich optimierte Solarkollektoren, Prozessanalysen, der Systemeinbindung der Solarthermie und Auslegungs- sowie Regelungsstrategien. Die solarthermische Kühlung und Klimatisierung wird mit geschlossenen Kältekreisläufen und mit offenen Verfahren realisiert. Forschung ist notwendig, um die Effizienz zu erhöhen, die Geräte kompakter zu machen, die Antriebstemperaturen zu senken und vor allem auch die Kosten zu reduzieren. Dazu müssen neue Sorptionsmaterialien, neue Wärme- und Stofftransportkonzepte und neue thermodynamische Kreisläufe untersucht und entwickelt werden.
Die DSTTP betont auch die Notwendigkeit der Qualitätssicherung von Solaranlagen und schlägt vor, Verfahren zur Prüfung, Bewertung und Zertifizierung der Komponenten- und Anlagenqualität weiter zu entwickeln. Die Qualitätssicherung bei Planung, Installation und im Betrieb soll beispielsweise durch die Weiterentwicklung von Planungswerkzeugen und automatisierten Funktionskontrolltechnologien erfolgen.
Für den geplanten Ausbau der Solarthermie ist eine stark steigende Zahl von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Forschung, Produktion, Vertrieb, Planung und Installation erforderlich. Die Forschungsstrategie weist deshalb auch darauf hin, dass das Aus- und Weiterbildungs­angebot sowohl im Bereich Planung und Installation als auch im Bereich Forschung und Entwicklung deutlich ausgebaut werden muss.

Branche muss Herausforderungen annehmen
Mit der Forschungsstrategie hat die Deutsche Solarthermie-Technologieplattform einen guten Überblick über das große technologische Entwicklungspotenzial im Bereich Solarwärme aufgezeigt und eine Fülle von Forschungsaufgaben benannt. Jetzt sind Politik, Industrie und Forschung gefordert, diese Ansätze umzusetzen. Wenn die Politik es ernst meint mit dem Umbau der Ener­gieversorgung auch im Wärme- und Kältebereich, muss sie die Forschungsmittel für die Solarthermie deutlich erhöhen, von heute etwa 8 Mio. Euro jährlich auf mittelfristig 50 Mio. Euro. Doch auch die Industrie muss sich intensiver mit den Weiterentwicklungen beschäftigen und ihre Forschungsbudgets erhöhen. Dies tut nach zwei Jahren Marktrückgang besonders weh, doch kann die Zukunft nur gewonnen werden, wenn die Branche die Herausforderungen annimmt und sich als innovativ erweist. Auch die Forschungsinstitute sind aufgefordert, ihre Kapazitäten weiter auszubauen, die Grundlagenforschung anzugehen und gemeinsam mit der Industrie innovative Projektideen zu entwickeln. In diesem Dreiklang bestehen gute Chancen, die Vision tatsächlich umzusetzen.

Autor: Gerhard Stryi-Hipp, Leiter der Deutschen Solarthermie-Technologieplattform (DSTTP)  und
Gruppenleiter im Bereich Solarthermie am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE).

*) Die 124-seitige Forschungsstrategie „Niedertemperatur-Solarthermie 2030“ steht als PDF-Datei im Internet unter www.dsttp.de zum Download zur Verfügung.

www.dsttp.de

 


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