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E-Mobilität: Das Phantom auf der linken Spur - Solarcarports sind zu Pkw-Aufladungszwecken wenig gefragt – bald mehr?

Solar-Hersteller sind vor Jahren mit der Erwartung an den Markt getreten, dass die E-Mobilität auch den Verkauf von Solarcarports anschiebt. Das hat sich bisher nicht erfüllt, weil die E-Mobilität allgemein lahmt. Doch sie könnte jetzt tatsächlich an Fahrt gewinnen.

Es gab große Hoffnungen, Solarcarports mit der E-Mobilität zu verknüpfen. Diese haben sich bisher nicht erfüllt. Solarworld nahm 2015 sein Solarcarport aus dem Programm. Bild: Solarworld

Wohin mit dem Strom vom Dach? Das Thema Eigenstromverbrauch gewinnt an Fahrt. Davon wird die Elektromobilität profitieren. Bild: Solarworld

Der Eigenstromverbrauch steht im Vordergrund. Davon profitieren bereits Hauskonzepte. Bild: SMA

Solarcarports wurden unter den vergangenen EEG mannighaft realsiert – als Gebäudeersatzfunktion. Aber nicht, um Elektromobilität zu speisen. Bild: Schletter

Eine der Bremsen der Entwicklung ist die lange Aufladezeit von Elektromobilen. Es gibt Versprechungen und gute Entwicklungen, aber kurzzeitige Tankstopps lassen sich bis heute noch nicht realisieren. Bild: Koop

Wie weit reicht die Batterie? Sobald sich jemand mit einer Fahrt über seine Reichweite hinaus wagt (Überland), begibt er sich derzeit noch ins Land der Abenteuer. Innerstädtisch fährt er gut. Bild: Koop

Die Trendwende ist eingeleitet. Solarstrom wird nicht mehr ins Netz eingespeist, sondern selbst verwertet. Dazu bedarf es Speicher. Eine Alternative zur Batterie im Haus wäre die im Auto. Bild: Sonnen

 

Nichts ist unmöglich. Als das Kabinett Merkel Mitte Mai grünes Licht gab für eine Prämie von bis zu 4000 Euro für den Kauf eines Elektroautos (E-Auto), bedankte sich Toyota per Radio-Werbespot bei der deutschen Regierung. Toyota baut seit 20 Jahren Hybrid-Fahrzeuge. Die Japaner kombinieren Elektro- mit Verbrennungsmotoren und hoffen nun, mehr davon auch in Deutschland zu verkaufen. Denn das neue Förderprogramm der Bundesregierung bezuschusst diesen Autotyp nun mit 3000 Euro. Für ein reines E-Auto gibt es 4000 Euro, außerdem ist ein solches für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit.
Es ist schon im Vorfeld heftig über dieses Programm gestritten worden. Vielen Kritikern ist es zu teuer, andere halten es für wirkungslos. Man kann sich auch die Frage stellen, warum die Förderdifferenz zwischen reinen E-Autos und Hybriden nicht größer ausgefallen ist. Im Grunde genommen wäre es mutiger gewesen, gleich voll auf 100-%-E-Auto zu setzen und das über die Förderung besser zu akzentuieren. Dennoch haben Hybride eine wichtige Funktion. Denn über sie ist die Hemmschwelle, in die Elektromobilität einzutreten, für Autokäufer geringer, weil sie neben dem Neuen auch noch das Vertraute erhalten.

150 Jahre später

Wie immer man auch zu Details des Programms steht. Das Programm ist dringend notwendig. Denn die Bundesregierung hat sich ja selbst zum Ziel gesetzt, dass in vier Jahren (2020) in Deutschland eine Million E-Autos auf den Straßen sind. Nach verschiedenen Quellen sind derzeit rund 30 000 solcher (reine E-Autos und Hybride) auf deutschen Straßen unterwegs und die Zulassungsrate (nicht nach E-Mobil-Typen differenziert) liegt derzeit bei etwa 6000 – 7000 Fahrzeugen pro Jahr. Das Magazin Der Spiegel rechnete süffisant vor, dass es bei dieser Zuwachsrate bis zum Jahr 2168 bräuchte, um eine Million E-Fahrzeuge zu erreichen, also rund 150 Jahre später als geplant. Die E-Million wird sicher schneller da sein. Aber die Spiegel-Berechnung zeigt auf pointierte Weise, wo die Elektromobilität in Deutschland gerade steht.

Nachfrage blieb mau

Es gab schon einmal die erste Euphorie. Vor ein paar Jahren gab es unter den PV-Herstellern großen Optimismus bezüglich des Verkaufs von Solarcarports. Der eine Grund dafür war ein ganz profaner: Nach dem Gebäudebegriff des EEG sind übliche Carports Gebäude. Diese Klassifikation ist wichtig, denn Solarstrom von solchen wird folglich als Gebäudestrom nach EEG vergütet, wenn er ins Netz eingespeist wird. Wer sich für Solarcarports interessierte, fand am Markt etliche Hersteller, die individuelle Lösungen in allen Größen anboten. Die Hoffnung der Hersteller schwang dabei aber auch mit, die Solarcarports mit Elektrofahrzeugen zu verbinden und auch darüber Absatz zu generieren. Die Innovation: Eine neue Kombination aus Netzeinspeisung und Stromnutzung. Das war insbesondere auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass Elektroautos vermehrt als „Speicher“ für überschüssigen Strom aus Wind- und Solaranlagen politisch diskutiert und ins Spiel gebracht wurden. Optional wurden zu den Solarcarports entsprechend Ladestationen angeboten. Doch die Solarcarport-Nachfrage über Elektromobilität blieb und ist auch heute noch mau.

Fehlender Weitblick

Solarworld nahm 2015 sein Solarcarport aus dem Programm. Bei Anbieter Schletter, der nach eigenen Angaben Solarcarport-Projekte im hohen zweistelligen MW-Bereich vorzuweisen hat und sowohl Carport-Konstruktionen liefert als auch Ladestationen selbst herstellt, konnte die Elektromobilität dem Verkauf von Solarcarports keinen Schub geben. „Die E-Autos müssen die Mobilität in Schwung bringen, nicht die Parkplätze für diese Autos. Wer braucht denn momentan Lademöglichkeiten?“, sagte Paul Urban, E-Auto-Experte bei Schletter, 2015. Damals waren auf der IAA 2015 Elektromobile wieder nur ein Nebenschauplatz. Urban machte dafür das fehlende Interesse der deutschen Automobilhersteller als Grund aus und das fehlende Interesse der Politik als Lobby der deutschen Automobilhersteller. „Fehlender Weitblick“, bescheinigte Urban der Politik. In vielen anderen Ländern würde man den Vorsprung inzwischen nutzen.
Jüngstes Beispiel ist die aktuelle Meldung aus Norwegen von Ende März 2016, dass das Land als erstes der Welt Verbrennungsmotoren verbieten will. Das Gesetz ist bislang nur ein Plan, aber immerhin. Ab 2025 sollen nur noch Neuwagen mit Elektroantrieb zugelassen werden. Knapp 20 % aller Neuzulassungen sind dort heute schon Elektrofahrzeuge. Norwegen ist zwar das führende erdöl- und erdgasproduzierende Land Europas, aber das ist kein Hinderungsgrund, die Transformation des Verkehrs zu beschließen. Norwegen ist allerdings kein führendes Land in der Produktion von Autos.

Mehrere E-Bremsen

Es gibt aber auch in der Alltagspraxis noch Sand im Getrieb, der die deutsche E-Mobilität ausbremst. Die erste ist die Kommunikation schon vorhandener TankInfrastruktur.
Es gibt noch zu wenige Tankstationen auf der Deutschlandkarte – oder doch nicht? Tesla-Fahrern werden auf dem Touchscreen des Fahrzeugs die firmeneigenen Supercharger-Ladestationen angezeigt. Ein Landkarten-Screenshot auf der Homepage des amerikanischen E-Auto-Pioniers zeigt eine für Deutschland und Mitteleuropa bereits beeindruckende Ladestationen-Dichte. Kirchturmdenken?
Gibt man bei Google-maps den Suchbegriff Ladestation ein, bleibt die Karte fast weiß. Chargemap.com hat sich der Aufgabe gestellt, alle öffentlichen und halböffentlichen Ladestationen für E-Autos weltweit aufzulisten und per Karte anzuzeigen. Man kann also per Internet oder mobiles Internet über spezielle Seiten inzwischen gut abrufen, welche Tankstelle in der Nähe ist. Nach eigenen Aussagen der Chargemap-Erfinder eine immense Aufgabe. In der Praxis wird die Fahrt immer noch zu häufig zur Logistikaufgabe, sobald ein E-Auto-Besitzer eine Fahrt unternimmt, die länger als die Reichweite seiner Batterie ist.

Thema Ladegeschwindigkeit

Der andere Punkt: Geschwindigkeit. Nicht im Sinne von PS-Power und Höchstgeschwindigkeit oder Beschleunigung. Das hat Tesla mit seinem Roadster eindrucksvoll bewiesen. Und jeder, der schon einmal in einem „simplen“ (gar nicht so simpel) E-Kleinwagen wie dem Renault ZOE gesessen und ihn gefahren hat, weiß, dass die Elektros in der Beschleunigung abgehen wie eine Rakete und auch darüber die meisten Verbrennungsmotoren sprichwörtlich alt und wie von gestern aussehen lassen.
Aber die neuen sehen alt aus, was das Betanken betrifft. Tesla wirbt zwar mit der schnellsten Ladestation der Welt. Die Supercharger sind laut Tesla Ladestationen, die das Model „S“ und das Model „X“ innerhalb von Minuten statt Stunden aufladen sollen. Doch wird nichts gesagt über die neu aufgeladene Reichweite, die in Minutenschnelle gelingt und wann schon der nächste Supercharger dann auf der Überlandtour angesteuert werden muss. Bezeichnend heißt es im Text später: „Wenn Sie nach etwa 30 Minuten zurückkommen, hat Ihr Fahrzeug wieder genug Reichweite, um bis zur nächsten Supercharger-Station weiterzufahren.“ Für einen Kaffee ist die Zeit auf jeden Fall zu lang. Sie eignet sich mehr für einen Lunch.
Auch gelten diese Aussagen nur für die Fahrzeuge von Tesla: „Alle neuen Modelle sind serienmäßig mit Supercharger-Technologie ausgerüstet“, schreiben die Amerikaner. Sind die Supercharger auch für E-Autos anderer Hersteller kompatibel? Und falls ja, wie verhält es sich dann mit der Ladezeit? In der Praxis benötigen alle E-Fahrzeuge deutlich mehr Ladezeit als die Verbrennungsmotoren. Hinzu kommt, dass es keine normierten, also einheitlichen Abrechnungssysteme gibt. Es soll schon vorgekommen sein, dass man an einer Ladestation nur dann bezahlen konnte, wenn man Besitzer eines iPhones ist, weil nur auf diesem die erforderliche App lief. In solchen Fällen sind die Hybriden dann ein Segen. Sie schleppen zwar einen Verbrennungsmotor mit, aber der ist zugleich auch ein Generator und der Fahrer muss auch nicht Besitzer eines bestimmten Telefons sein.

Labor Stadtplanung

Natürlich möchte man mit seinem Auto unbeschränkt weit fahren können und nicht fragen wollen, ob der Sprit bis zur nächsten Tankstelle reicht und ob man da überhaupt tanken kann. Im Alltag stellt sich diese Frage meist nicht: Die meisten Verkehre sind die Besorgungsfahrten in der Stadt und der Weg zur Arbeit. Im Durchschnitt liegen diese Besorgungswege bei rund 12 km. Die Wege zur Arbeit sind im Vergleich zu vor 30 Jahren deutlich länger geworden, aber selbst diese liegen im Durchschnitt bei etwa 17 km.
Nun gibt es Forderungen an die Städte und Gemeinden, jetzt auch über verkehrsplanerische Maßnahmen Anreize zum Kauf von E-Autos zu schaffen. Dieser Weg ist vermutlich eine der Kategorien, die noch am wenigsten Erfolg versprechen und eher Aktionismus sind. Rein praktisch: Wie sollen Vorfahrts-Anreize für E-Autos in der Stadt umgesetzt werden, wenn die Politik der Stadtplanung in den vergangenen Jahrzehnten die Innenstädte autofrei zu machen diktierte und jetzt auf Busspuren E-Autos fahren dürfen, wenn doch gerade diese angelegt wurden, um den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gegenüber dem motorisierten Individualverkehr zu attraktivieren (= zu beschleunigen)? Rein praktisch wird das vermutlich nur wenige dazu bringen, sich deshalb ein E-Auto zu kaufen. Viel wirksamer wäre es, über den Faktor Lärm E-Mobilität stadtplanerisch zu kommunizieren, wie es der geniale Werbefilm von VW tut (Enjoy The Silence, youtube.com). Man kauft mit einem E-Mobil auch weniger Lärm. Und das ist auch ein Wert. Viele Verlärmungsprobleme in der Stadt ließen sich auf diese Weise kostengünstig(er) lösen. Das ersparte Geld für passive Lärmschutzmaßnahmen müsste dann allerdings denen in die Hände fließen, die sich entscheiden, ein E-Auto zu kaufen, und die damit aktiven Lärmschutz betreiben. Wo kein Lärm ist, benötigt man auch keine Maßnahmen.

Fehlendes Interesse wandelt sich

Weshalb sollte sich das fehlende Interesse jetzt zu Interesse wandeln? Zum einen gibt es die Förderung nun, was auch den Wettbewerb unter den Automobilherstellern anreizt, den Kunden E-Autos endlich offensiv anzubieten, die es schon lange gibt. Zugleich dann auf diesem Markt erster und bester zu sein. Zum anderen gibt es die zweite Entwicklung, dass die Netzeinspeisung von PV-Strom für Privatleute praktisch uninteressant geworden ist. Die Eigenstromnutzung ist interessant geworden.
Die Entwicklung ist hier eindeutig. Während Verbraucher den Strom früher vollständig ins Netz einspeisten, werden PV-Neuanlagen immer häufiger zum Eigenverbrauch genutzt. Klar ist der Grund: Die Politik schraubt die Vergütung von Solarstrom nach dem EEG immer weiter nach unten. Zwar werden PV-Module immer günstiger. Aber über das EEG lassen sich im Jahr 2016 neue, häusliche PV-Anlagen kaum mehr rentabel über die Netzeinspeisung refinanzieren. Parallel steigen in den Haushalten die Stromkos­ten. Jede eigen erzeugte und selbst verwertete Kilowattstunde (kWh) Strom ersetzt den sonst notwendigen Fremdbezug. Das Ganze wird zum Rechenexempel aus Kosten der Eigenversorgung im Vergleich zu vermiedenen Strombezugskosten. Das neue EEG 2016 wird die Hürden für den Bezug von Einspeisevergütung ins Netz noch weiter höher setzen. Im Grunde genommen macht es für Ein- oder Zweifamilienhausbesitzer die Netzeinspeisung läs­tig. Es gibt auch immer wieder neue bürokratische Kuriositäten, mit denen sich PV-Kleinanlagenbesitzer herumschlagen müssen, die ihren Strom ins Netz einspeisen wollen. Jüngstes Beispiel ist das Gesetz zur Digitalisierung der Ener­giewende. Ab 2018 müssen Neuanlagen ab 1 Kilowatt Leistung einen intelligenten Zähler haben. Messstellenbetreiber können dafür dem Anlagenbetreiber 60 Euro pro Jahr in Rechnung stellen. Abgesehen davon ist die Netzeinspeisung bereits heute für viele PV-Anlagenbesitzer zum bürokratischen Rechenexempel geworden. Fazit: Die Einspeisung von PV-Strom wird für gewöhnliche Hausbesitzer immer unattraktiver.

Ein Ausblick

Das Dilemma der häuslichen PV allerdings ist die Asynchronität zwischen Erzeugung und Verbrauch. Solarstromspeicher (Batterien) in den eigenen vier Wänden werden in diesem Zusammenhang zum Standard bei neu installierten Anlagen und sie sind derzeit das große Thema in der Solarbranche. Die Akkumulatoren heben massiv die Eigenversorgungsquote, sind aber auch relativ teuer. Und, wie sich zeigt, benötigen sie selbst recht viel Strom für den eigenen Betrieb. Vielleicht ist es alternativ, aus der Kombination von staatlicher Förderung, wachsendem Interesse an der Eigenstromnutzung und dem „Wieverwerten?“ diesen selbst erzeugten Strom in das eigene E-Auto zu parken und damit dann zu fahren.

Autor: Dittmar Koop

 


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