Werbung

Die Rechnung – ungeliebtes Kind

Von der handwerklichen Leistung zur betrieblichen Liquidität

Auch der tägliche Abgleich zwischen AV-Auftrag und den tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten gehört zum Handwerk. Es gilt: alles festhalten! Nur, was dokumentiert wird, kann später abgerechnet werden. (AdobeStock-Kostiantyn)

 

Dass Rechnungen zum Geschäft gehören, ist jedem klar. Doch oft mangelt es an Gespür für ihren Stellenwert in der handwerklichen Wertschöpfung. Oder es fehlen Prozesse, um wirklich alle abrechnungsfähigen Vorgänge zu erfassen und das Dokument zeitnah zu versenden. Haben alle an alles gedacht? Wenn nicht, hat das langfristig für einen Betrieb fatale Folgen.

Mitarbeiter zum Chef: „Meister, kann es sein, dass mein Lohn nicht überwiesen wurde?“ Der Meister überlegt kurz. „Das kann ich dir nicht sagen. Ich überweise die Löhne nicht.“ Er ruft in der Buchhaltung an, während dem schockierten Mitarbeiter seine finanziellen Verpflichtungen wie Miete, Kredite und der fehlende Sparbetrag durch den Kopf gehen. „Der Lohn wurde nicht überwiesen, weil das Konto nicht gedeckt war“, sagt der Chef, nachdem er aufgelegt hat. „Du hast doch deine Rechnungen gestellt, wie wir es zigmal besprochen haben? Du weißt, deine Projekte gehören zu den größten!“ Der Mitarbeiter wird ärgerlich. „Was hat das denn damit zu tun? Es geht doch um meinen Lohn! Außerdem hatte ich diesen Monat so viel zu tun, dass ich dafür keine Zeit hatte. Und diese blöden Regieberichte kommen auch nicht pünktlich rein.“

Diese fast frei erfundene Geschichte zeigt ein grundlegendes Problem im Handwerk: Oft fehlt ein Gespür für die Zusammenhänge der Liquidität und die Notwendigkeit des zeitnahen Rechnungsversands. Viele Chefs stellen sich den damit zusammenhängenden Aufgaben erst, wenn das Geld auf dem Konto nicht mehr ausreicht, um Verpflichtungen nachzukommen. Eine Rechnung ist nicht nur ein Stück Papier oder ein digitales Dokument, das rechtlich hieb- und stichfest sein muss [1] und erbrachte Leistungen oder gelieferte Waren auflistet. Sie spielt eine zentrale Rolle für die Organisation des Betriebs und seinen wirtschaft lichen Erfolg.

Zur Rolle der Rechnung

Der Ursprung einer Rechnung liegt in einer mündlichen oder schrift lichen Vereinbarung mit einem Auft raggeber, dem Kunden, z. B. in Form eines Werkvertrages für ein neues Bad. Für die dafür benötigten Waren und Dienstleistungen wird ein Geldwert festgelegt. Nach Vertragsabschluss ist der Auft raggeber zu bestimmten Zeiten verpflichtet, Zahlungen zu leisten. Der Handwerksbetrieb als Auft ragnehmer muss das Werk entsprechend der Leistungsbeschreibung und dem vereinbarten Preis erbringen. Zu gegebener Zeit, nach Abschluss und Abnahme einzelner sowie aller Teilschritte, muss der Betrieb den Auft raggeber zur Zahlung auffordern. Die Zahlung ist kein Selbstläufer, sie erfolgt nach Rechnungsstellung. Und was geschieht dazwischen?

Teilprozesse der Wertschöpfung

Das Geschehen zwischen der Auft ragserteilung und der Übergabe der Leistung an den Kunden ist Teil des Wertschöpfungsprozesses. Dieser setzt sich aus verschiedenen sich ergänzenden Teilprozessen und einer Abfolge von fachlichen Arbeitsschritten zusammen. Für die Realisierung eines Bades beispielsweise sind die Planung und die Verarbeitung spezieller Ressourcen (Material) durch Fachleute (SHK- und Elektro- Installateure, Fliesenleger) notwendig.

Zum Abschluss jedes einzelnen Teilprozess muss sichergestellt sein, dass die erforderlichen Informationen und Materialien in der richtigen Menge und Qualität für die nächsten Schritte zur Verfügung stehen. Die Effizienz des Wertschöpfungsprozesses ist dabei entscheidend für den Gewinn des Betriebes.

Auf jeden Fall, auch nachdem es Abschlagsrechnungen gab, gehört zum letzten Teilprozess der Versand der (Schluss-) Rechnung. Dabei gilt, dass der im Vertrag vereinbarte Kostenrahmen möglichst nicht überschritten werden sollte. Die Kalkulation vorab muss also genau sein. Die Posten auf der Rechnung sollten die gesamte Wertschöpfung umfassen. Oft erbringen Betriebe ganz selbstverständlich Leistungen, die nicht im Preis oder auf der Rechnung berücksichtigt werden. Die häufigsten sind:

Teilprozess: Verkauf und Auftragsmanagement

Elemente: Beratung des Kunden und Klärung aller gewünschten Leistungen. Diese müssen kalkuliert und in das Angebot übersetzt werden. Wird der Vertrag abgeschlossen, ist dieser die Grundlage für alle Arbeiten und die Rechnung.

Oft unberücksichtigt: der Zeitaufwand für das Beschaffen von Mustern und das Erstellen fachlichen Skizzer oder Vorplanungen; für Kalkulation und Angebotsausarbeitung, für die fachliche Beantwortung von Nachfragen. Das Wort „fachlich“ erinnert daran, dass die Gewerke-Spezialisten im Gespräch Erfahrungs- und Fachwissen weitergeben, von dem der Interessent profitiert – oft ohne Gegenwert.

Teilprozess: Arbeitsvorbereitung

Elemente: Die Umsetzung der beschriebenen Leistungen vorbereiten, durch Projektplanung, Materialbeschaffung, Personalplanung sowie die Erstellung von Zeichnungen und Plänen. Intern ist ein Abgleich der Vertragsinhalte mit den eigenen Ressourcen und Kompetenzen erforderlich, der nicht vergessen werden sollte, um den tatsächlichen Aufwand in Rechnung stellen zu können: Entsprechen die festgelegten Preise dem Umfang des Auftrags (Mehrkosten)? Ist an irgendeiner Stelle ein gesonderter Aufwand erforderlich – Anmietung von Werkzeug, Einweisung oder Schulung von Mitarbeitern, Lieferantenkonditionen, Materialtransport? Jede dieser Vorarbeiten hat Einfluss auf die Kostenentwicklung und die Qualität der Ausführung.

Oft unberücksichtigt: Der Aufwand für die weitere Beratung des Kunden und erforderliche Detailabsprachen.

Teilprozess: handwerkliche Umsetzung

Elemente: Die Umsetzung der Planungen. Nach der Bereitstellung von Material, Werkzeug und Maschinen erfolgen die handwerklichen Arbeitsschritte auf der Baustelle.

Oft unvollständig: Der tägliche Abgleich zwischen AV-Auftrag und den tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten – Regiearbeiten, die anfallen, weil der Kunde direkt in die Arbeit der Produktiven eingegriffen hat; weil es zu Verzögerungen durch weitere Gewerke kam, die vom Kunden beauftragt wurden; weil Sicherungs- und Schutzmaßnahmen notwendig wurden, die nicht eingeplant waren. Diese Informationen müssen umfassend dokumentiert und an Bauleiter oder Arbeitsvorbereitung weitergegeben werden.

Teilprozess: Übergabe, Rechnungsversand, nachfolgende Aufwände

Elemente: Interne Qualitätssicherung des fertigen Werks, Abnahme durch den Kunden. Intern sollte die Nachkalkulation erfolgen, mit Soll-Ist-Vergleich der angebotenen Leistungen und der tatsächlichen Aufwände.

Oft unberücksichtigt: Auch im letzten Schritt sollten die zu erbringenden Leistungen klar sein, z. B. ob eine Grob- oder Feinreinigung der Baustelle vereinbart ist.

Die Rechnungslegung sollte zum Stichtag der Übergabe abgeschlossen sein. Der Betrag sollte kalkulatorisch auch die Aufwände abbilden, die dem Betrieb für die Verwaltung seiner Prozesse entstehen.

Zwischen Auftrag und Rechnung

Der Chef und alle am Projekt Beteiligten sind in der Verantwortung, wenn es darum geht, eine vollständige Rechnung zeitnah zu stellen. Das Geld für den bearbeiteten Auftrag muss fließen, weil auf der anderen Seite schon wieder Kosten entstehen, für die der Betrieb in Vorleistung treten muss.

Aufgabe des Chefs ist, den Zahlungseingang zu kontrollieren und Prozesse für den Umgang mit unbezahlten Rechnungen zu definieren. Es ist ratsam, dass der Geschäftsführer regelmäßig, mindestens wöchentlich, eine Offene-Posten-Liste durchgeht. Dies hilft, den Überblick über ausstehende Rechnungen zu behalten und zeitnah entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Hilfreich sind Rituale und ein Controllingsystem, die den Informationsfluss sicherstellen (z. B. mit einem Aufgaben-Tool). Die Einhaltung der festgelegten Prozesse sollte so lange kontrolliert werden, bis sie bei allen Beteiligten zur Selbstverständlichkeit geworden sind.

Autor: Uwe Engelhardt, Geschäftsführer ErfolgsMeisterei

www.erfolgsmeisterei.de


ErfolgsMeisterei

Uwe Engelhardt ist ursprünglich gelernter Gas-, Wasserinstallateur mit Technikerausbildung. Seit über 20 Jahren vermitteln er und seine Frau Burga Warrings kleinen und mittleren Unternehmen das Handwerkszeug in Sachen Finanzen, Führung, Wertschöpfung und Vertrieb. Für ihre Erfolgs-Meisterei haben sie digitale Tools programmieren lassen, die im Shop (Kurzlink: t1p.de/EM-Shop) zu finden sind.


 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: