Davos im Abwärme-Aufwind
Schweizer Kongresszentrum optimiert seine thermische Versorgung
Über viele Jahrzehnte oft unbeachtet und verschenkt, kommt Energie aus Abwärme zunehmend in den Fokus des globalen Transformationsprozesses. Als wichtige Energiequelle in der Wärmewende können Rückgewinnungskonzepte in vielen Bereichen zum Einsatz kommen. Ein Beispiel zeigt das bekannte Davoser Kongresszentrum, das so auf eine bivalente Versorgungslösung umgerüstet wurde. 36 % weniger Heizöl verzeichnet seitdem dessen Verbrauchsbilanz.
Davos ist eine Reise wert – unter Skifahrern, Wanderern und Naturliebhabern ist man sich einig. Gleichzeitig ist der eigentlich so beschauliche Ort im Kanton Graubünden ein lang etablierter Schauplatz für Wissenschaft s- und Wirtschaftsexperten aus aller Welt. Eines der bekanntesten baulichen Aushängeschilder von Davos ist das Kongresszentrum „Davos Congress“, in welchem sich zu vorpandemischen Zeiten international bekannte Persönlichkeiten die Klinke in die Hand gaben – etwa während des jährlich stattfindenden Weltwirtschaftsforums. Das Alpenstädtchen gibt sich seit jeher off en, gastfreundlich und bereits seit Längerem: ambitioniert nachhaltig.
„Wir möchten in unserem Ort den Klimaschutz mit Nachdruck vorantreiben und sehen speziell im Gebäudesektor weitreichende Potenziale für Effizienzoptimierung und Ressourcenschonung, die sich für Mensch und Umwelt bezahlt machen,“ erklärt Cornelia Deragisch, Leiterin des Hochbauamtes in Davos. „Im Zuge von Objekt-Neuplanungen aber auch bei Gebäude-Sanierungen versuchen wir alle Anforderungen, die sich uns als Gastgeber für Touristen, Geschäftsleute oder Wissenschaftsvertreter stellen, auf möglichst umweltentlastende Weise in Einklang zu bringen und damit die Energiewende vor unserer Haustür in die richtigen Bahnen zu lenken.“
Abwärmenutzung von der Eishalle bis zum Kühlschrank
Beispielgebend für die umweltorientierte Anpassung im Bestand ist das energetische Optimierungsprojekt des Kongresszentrums und seines angegliederten Wellness- und Erlebnisbades „Eau-là-là“. Vielfach ist der 1969 entstandene Gebäudekomplex in den vergangenen Jahren bereits um- und ausgebaut worden, auch die Wärmeversorgung wurde kürzlich einer technischen Revision unterzogen. Allein der zu beheizende Seminar- und Tagungsbereich umfasst heute drei autonom nutzbare Gebäude mit 34 Räumen auf einer Fläche von insgesamt 12 000 m2. Hinzu kommen die Bedarfsgrößen an Raumwärme und Trinkwarmwasser für den Bad-Betrieb des angegliederten Wellness- und Erelebnisbades „Eau-là-là“. In Summe lag der Pirmärenergieverbrauch vor der Projektumsetzung bei 500 000 l Heizöl jährlich.
Diverse Eingriff e im und am Gebäude sollten einen zukünftigen Energiesparkurs unterstützen. Die effektivste Maßnahme bestand darin, die monovalente fossile Wärmeversorgung auf Bivalenz umzustellen. Dabei sah die Planung des Ingenieurbüros Amstein + Walthert (Chur) vor, eine Energiequelle zu nutzen, die grundsätzlich schon immer zur Verfügung stand, technologisch jedoch bis dahin noch nicht nutzbringend erschlossen werden konnte: die Abwärme aus dem Gebäudekomplex und aus der Kälteproduktion in der benachbarten Eissporthalle. Die nutzbaren thermischen Leistungen liegen bei 365 kW Hochtemperaturabwärme aus der Eishalle sowie 150 kW Niedertemperaturabwärme aus dem Kongressgebäude.
„Der Alpentourismus insgesamt sieht sich massiv mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert“, berichtet Andri Schorro, Leiter Sportanlagen bei der Gemeinde Davos. „Gleichzeitig sind wir natürlich bestrebt, unseren Gästen ganzjährig attraktive Sport- und Freizeitaktivitäten anzubieten. Viele davon sind hoch energieintensiv und fordern von uns entsprechend neue umweltgerechte Lösungen, die möglichst umgehend realisiert werden können. Die Integration des Wärmerückgewinnungsverfahrens in den thermischen Versorgungsprozess hat hier eine beachtliche Hebelwirkung gezeigt; möglich war sie allerdings überhaupt erst auf Grundlage eines hydraulisch sauberen Verteilprozesses.“
Neue Ökobilanz: 180 000 l weniger Heizöl, 478 t weniger CO2
Ein System, das diese Anforderungen heute auf praktikable und hocheffektive Weise erfüllt, entwarfen und fertigten die Energieexperten von Zortea aus dem österreichischen Hohenems. Die Integration der Hydraulik-Zentrale „Zortström Multi“ schuf erstmals die Voraussetzungen dafür, Abwärme-Temperaturen aus dem gesamten Gebäudekomplex und aus der Kälteerzeugung der angegliederten Eishalle in das Wärmenetz des Standorts einzuspeisen und damit sowohl das Kongresszentrum selbst als auch das angegliederte Wellness- und Erlebnisbad „Eau-là-là“ thermisch zu versorgen.
Die in Davos verbaute Anlage verbindet die Funktionen einer hydraulischen Weiche und eines Verteilers mit fünf Temperaturstufen zwischen 45 und 75 °C und exakter Temperaturtrennung. Angeschlossen sind sämtliche Wärmeerzeuger / Wärmequellen und Verbraucherkreise des Wärmenetzes. Sogar kleine Abwärme-Lieferanten wie etwa Kühlschränke werden über den „Zortström Multi“ in die energetische Infrastruktur integriert.
Durch eine komplette hydraulische Entkopplung aller ankommenden und abgehenden Volumenströme können diese vollständig unabhängig voneinander, ohne wechselseitige Beeinflussung und in allen Betriebszuständen gleichbleibend stabil bewegt werden, auch bei hohen Druck- oder Temperaturdifferenzen. Sowohl die Erzeuger- als auch die Verbraucherseite lassen sich durch die präzise Temperaturvorhaltung mit der jeweils optimalen Arbeitstemperatur bzw. den gewünschten Soll-Vorlauftemperaturen ansteuern; die Energie der Rückläufe kann wiederum aktiv durch Einbindung in eine niedrigere Temperaturstufe genutzt werden.
Auf diese Weise ist eine Zuschaltung der zwei Ölkessel-Anlagen mit jeweils 1 MW Leistung nur noch zur Abdeckung von Spitzenlasten und für Hochtemperatur-Abfragen erforderlich. Die Effektivität des neuen Versorgungskonzepts spiegelt sich in der Verbrauchsbilanz des fossilen Energieträgers: 180 000 von ehemals 500 000 l Heizöl spart der Gebäudebetreib jährlich ein. Dies entspricht 36 % und einer CO2-Reduktion von 478,8 t.
Betriebssicherheit und Präzision speziell in komplexen Umgebungen
Bivalente Energielösungen können eine sinnvolle Interimslösung im Transformationsprozess darstellen und dort hohe Effizienzverbesserungen erzielen, wo der Einsatz konventioneller Primärenergien noch nicht vollständig durch erneuerbare Energien abgelöst werden kann.
„Ähnlich wie das Energieoptimierungsprojekt Davos gibt eine Vielzahl erfolgreich umgesetzter Zortström-Lösungen ein Beispiel dafür, dass solche Anforderungen auch in komplexen Versorgungsumgebungen (bezogen auf Größe, Alter, Objekteigenschaften sowie die Art und Anzahl der Erzeuger und Abnehmer) unkompliziert und gewinnbringend erfüllt werden können“, erklärt abschließend Ing. Christian Zortea-Soshko, Geschäftsführung/Leitung Technik und CEO von Zortea.