Celler Stadtwerke installieren ersten universellen M-Bus-Funkreceiver für Stromzähler - Smart Metering in der Praxis
Smart Metering zieht seine Kreise. Spätestens mit der neuen Gesetzeslage zur Liberalisierung des Messwesens bei Strom und Gas hat das Thema volle Fahrt aufgenommen. Fest steht: Die Anforderungen, die das im Juni dieses Jahres auf den Weg gebrachte „Gesetz zur Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas“ stellt, sind mit herkömmlichen Messtechniken nicht mehr zu bewältigen. Es sind die automatisierten Systeme, denen nun die Zukunft gehört. Was diese Zukunft konkret bieten kann, sieht man derzeit in Celle. Dort haben die Celler Stadtwerke SVO Energie ein erfolgreiches Pilotprojekt mit Smart Metering gestartet.
Noch hält der Gesetzgeber sich mit der Vorgabe konkreter Systemaufbauten und Systemvorgaben zurück und überlässt es den einzelnen Marktteilnehmern, technisch und wirtschaftlich sinnvolle Systeme aufzubauen. Doch die Gesetzesbegründung spricht bereits sehr konkret von „intelligenten Zählern“, deren Einführung man fördern will und die binnen sechs Jahren möglichst flächendeckend zum Einsatz gebracht werden sollen. Für Neubauten und größere Renovierungen wurde der Einbau solcher Messeinrichtungen im neugefassten Paragraf 21 IIIb Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) bereits verbindlich vorgeschrieben.
Der Informationsbedarf in der Branche ist groß, die Skepsis auch. Dabei ist, was in Deutschland nun gesetzlich angelassen wurde, bei den europäischen Nachbarn längst Usus. So sind etwa in Italien bereits alle 27 Mio. Stromzähler gegen Smart Meter ausgetauscht worden, in den Niederlanden werden 2013 alle sieben Millionen Haushalte mit den intelligenten Zählern für Strom und Gas ausgerüstet sein. Viel Nachholbedarf also hierzulande.
Dass es auch anders geht, zeigen die Stadtwerke Celle SVO Energie (SVO), die sich frühzeitig den Herausforderungen der Zukunft gestellt und ein Pilotprojekt gestartet haben, das ihren Kunden ermöglicht, schon heute die Vorteile von intelligenten Zählern zu nutzen.
Ziel: Energieverbrauch besser steuern
Wie viel Strom habe ich gestern verbraucht? Ist mein Gasverbrauch im letzten Monat gestiegen? Wie viel macht es in Zahlen aus, wenn ich mein tägliches Vollbad durch eine Dusche ersetze? Fragen wie diese können Kunden des Celler Stadtwerks ganz leicht im Internetportal des Unternehmens abklären. Die Idee ist klar: je detaillierter einer über sein Energieverhalten Bescheid weiß, desto eher kann er es steuern. Mit dieser Idee kam die SVO 2007 zur EVB Energie AG (EVB), die daraufhin in Celle das Smart Metering System „Meterus“ installierte.
Damit die SVO-Kunden ihre tagesaktuellen Zählerstände online einsehen können, mussten zunächst die vorhandenen analogen gegen moderne digitale Zähler (Smart Meter) getauscht werden. Grund: Analoge Geräte für Strom, Gas und Wasser können ihre Zählerstände nicht automatisiert übertragen. Digitale Geräte sind im Vergleich dazu regelrechte Tausendsassas; sie können ihre Zählerstände in sehr kurzen Intervallen automatisch erfassen und übertragen. Konkret entschied man sich bei der SVO für den „Meterus“ Stromzähler der EVB, da er gleich eine Vielzahl an Funktionen und Möglichkeiten zur Datenübertragung bietet.
Ein Beispiel: „Meterus“ kann nicht nur anschaulich die verschiedenen Tarifmodelle abbilden, die von der SVO angeboten werden, der Smart Meter bietet darüber hinaus aufgrund seiner vier Tarifregister auch noch sehr viel Raum, neue Tarifmodelle zu entwickeln. Dies ist nicht zuletzt in Bezug auf das EnWG insofern wichtig, als dass das Gesetz in Hinblick auf die Versorgung mit Elektrizität vorschreibt, dass bis zum 30. Dezember 2010 Tarife eingeführt sein müssen, die dem Kunden einen Anreiz bieten, Energie einzusparen und seinen Energieverbrauch bewusst zu steuern. (Für die Versorgung mit Gas erwarten Experten in den nächsten Jahren eine ähnliche gesetzliche Regelung.) Gedacht sind lastvariable (z.B. eine Flatrate mit Leistungsbegrenzung) oder tageszeitabhängige Tarife, die der Kunde nach seinem ganz persönlichen Stromverbrauch auswählt. Mit „Meterus“ haben die Stadtwerke Celle dafür heute bereits die technischen Voraussetzungen.
Neu aufgenommen in das EnWG wurde darüber hinaus ein Wahlrecht für den Endverbraucher, was die Abrechnungsintervalle betrifft (Paragraf 40 II S. 2). Verbraucher haben nun die Wahl, monatlich, vierteljährlich oder halbjährlich abgerechnet zu werden. Obwohl der Gesetzestext derzeit noch offen lässt, ob diese Wahlfreiheit mit zusätzlichen Kosten verbunden sein darf – immerhin erhöht sich bei monatlicher Abrechnung der Verwaltungsaufwand nicht unbeträchtlich – , ist damit, Experten zufolge, wohl kaum zu rechnen. Auch in diesem Punkt gilt: diese Vorschriften für die Versorgung mit Elektrizität werden sicherlich bald allgemein auf die Versorgung mit netzgebundener Energie ausgedehnt werden. So oder so: Lastvariable oder tageszeitabhängige Tarife, kurze Abrechnungsintervalle und Informationstransparenz über den tatsächlichen Energieverbrauch erfordern eine Vielzahl von Messwerten aus kurzen Messintervallen. Dies leistet Smart Metering problemlos.
Vorteile für den Kunden
Doch die Vorteile, die der Smart Meter den Celler Kunden bringt, sind nicht nur Zukunftsmusik. Schon heute zeigt der Zähler auf seinem digitalen Display nicht nur den Zählerstand an, sondern auch die aktuelle Stromabnahme des Haushalts. Der Kunde erkennt so auf einen Blick, wie stark sein Energieverbrauch steigt, wenn er dieses oder jenes Gerät einschaltet. Ebenso kann er kontrollieren, ob unbekannte Verbraucher aktiv sind oder wie hoch der Verbrauch seiner Geräte im Standby-Betrieb wirklich ist. Damit die Kunden ihre Verbrauchswerte auch detailliert analysieren können, wird der Zählerstand täglich vom Stromzähler zur „Meterus“ Middleware übertragen – diese Übertragung erfolgt automatisch. Dazu benötigt der Stromzähler keine zusätzlichen Leitungen oder Telefonverbindungen, er überträgt die Daten kostenneutral über die Stromleitung. Zusätzliche Geräte wie Modems oder Router oder weitere Montagearbeiten sind für diese Datenübertragung also nicht erforderlich. Das senkt die Betriebskosten des Stromzählers merklich.
Noch mehr Transparenz
Besonders interessant an dem Celler Projekt ist auch, dass die Verbrauchtransparenz beim Strom nicht aufhört. Auch die Zählerstände der Gas- und Wasserzähler werden zur „Meterus“-Datenbank übertragen, und zwar über den Stromzähler. Möglich macht dies eine standardisierte M-Bus-Schnittstelle, an die Zähler der anderen Sparten zur Übermittlung ihrer Zählerstände an den Stromzähler angeschlossen werden können. Hier galt es im Projekt jedoch eine besondere Herausforderung zu lösen. Denn nicht immer waren Strom-, Gas- und Wasserzähler in unmittelbarer Nähe montiert, und die Kabelverbindung zwischen den Zählern hätte nur durch bauliche Maßnahmen am Objekt realisiert werden können. Deshalb entschied sich die SVO dafür, im Bedarfsfall eine Funkverbindung zwischen den einzelnen Zählern einzusetzen, die flexibel genug ist, die Gas- und Wasserzähler verschiedener Hersteller an den Stromzähler anschließen zu können.
Erster universeller M-Bus-Funkreceiver
Die Entwicklung dieses Funksystems übernahm die Firma Hydrometer GmbH aus Ansbach. Hydrometer bietet seit Jahren erfolgreich innovative Wasserzähler an und ist Experte auf dem Gebiet der funkgestützten Datenübertragung von Energiezählern. In Zusammenarbeit mit der EVB wurde der neue Funkempfänger „M-Bus-Receiver E“ entwickelt, der es dem „Meterus“-Stromzähler ermöglicht, kabellos die Zählerstände von bis zu vier weiteren Zählern zu empfangen und die Daten an die „Meterus“ Middleware zu übertragen. Über die „Meterus“-Schnittstelle können dann verschiedene Anwender – je nach Berechtigung – auf die Zählerdaten zugreifen. Sobald sich ein Kunde im Internet-Kundenportal der Celler Stadtwerke anmeldet, wird seine Berechtigung geprüft, auf bestimmte Zählerdaten zugreifen zu dürfen. Ist er berechtig, werden ihm anhand der Gerätenummer des jeweiligen Zählers seine konkreten Verbrauchswerte im Portal angezeigt.
„Unsere Kunden erhalten durch die neue Smart Metering Technologie einen doppelten Vorteil. Durch die Visualisierung des eigenen Verbrauchsverhaltens können sie zum einen ihren Verbrauch gezielter senken. Und zum anderen sind zum Ablesestichtag keine Terminvereinbarungen, das Betreten der Wohnungen oder Verbrauchschätzungen mehr notwendig. Aber auch die SVO profitiert von dem neuen System. Von der Zählerstands-erfassung vor Ort bis zur Verbrauchsabrechnung können jetzt alle Prozesse automatisiert ablaufen.“, zeigt sich Helmut Mitschke, Projektverantwortlicher bei der SVO, vom Smart Metering überzeugt. „Ein weiterer großer Vorteil von ‚Meterus’ ist, dass es uns durch die Lieferung von tagesgenauen Daten, Kundenberatung, Lieferantenwechselprozesse und Energiemengenbilanzierungen erleichtert.“ Und Mitschke nennt noch einen weiteren Grund, der für „Metrus“ spricht: „Die intelligenten Zähler versetzen uns in die Lage, die zu liefernde Leistung zu begrenzen – z.B., wenn ein Kunde seine Rechnung nicht zahlt.“
In der Tat haben intelligente Zähler zuletzt nicht nur handfeste Vorteile, was die Transparenz des Energieverbrauchs betrifft, sondern sie erleichtern auch das Forderungsmanagement. So können etwa die Monatsabschläge den Verbräuchen aktuell angepasst werden. Da Smart Metering ein automatisiertes und vor allem promptes Sperrinkasso ermöglicht, verbessert sich die Zahlungssicherung, und es erhöht sich die Zahlungsmoral. Überhaupt hat Smart Metering auch positive Auswirkungen auf die Liquidität des Energieversorgers, denn „dass wir die elektrische Anlage bei Wohnungsleerständen nun absolut zeitnah abschalten beziehungsweise bei Vermietung wiederum absolut zeitnah freischalten können, gibt uns neuen finanziellen Spielraum“, fügt Mitschke abschließend hinzu.
Fit für die Zukunft
Bis Ende Oktober 2008 soll die komplette Installation der neuen Zähler im Testgebiet abgeschlossen sein. Der SVO werden dann auf Basis der Erfahrungen aus diesem Projekt Informationen zur Verfügung stehen, wie sie als Energielieferant nicht nur den Anforderungen des Energiewirtschaftsgesetzes begegnen, sondern auch seine Möglichkeiten voll ausschöpfen können. Visionen jedenfalls gibt es in Celle genug. So könnte das Stadtwerk anhand Smart-Metering-Daten seinen Kunden ganz konkret Möglichkeiten aufzeigen, wo und wie sie Energie sparen. Oder ihnen Tarife anbieten, die auf ihr individuelles Verbrauchsverhalten abgestimmt sind. Fest steht: Smart Metering bietet einem Stadtwerk ein handfestes Instrument, seine Position im Wettbewerb um den Kunden zu stärken.
Autoren: Ingo Tiede, Florian Gottschling, Sina Luckhardt
Ingo Tiede ist Geschäftsbereichsleiter Zählermanagement bei der EVB Energie AG. Dem selben Unternehmen gehören Florian Gottschling (Legal Advisor) und Sina Luckhardt (Marketing) an. Die EVB Energie AG, Velbert, ist ein führender Anbieter von Smart Metering-Lösungen für Energieversorger und Messstellenbetreiber. Als Value Added Reseller von Echelon-Zählern vertreibt die EVB nicht nur ein weltweit am meisten eingesetztes Smart Metering-Produkt, sondern erweitert es auch um Funktionen und Dienstleistungen.
EU-Richtlinie für Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen
Steigende Energiepreise haben Themen rund um den besseren und effizienteren Einsatz von Energie auf die politische Agenda gebracht. In den letzten Jahren führte dies auf allen politischen Ebenen zur Auseinandersetzung mit der Frage, wie die vorhandene Energie unter Beibehaltung des gegenwärtigen Lebensstandards effizienter verteilt werden kann.
Die „EU-Richtlinie für Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen“ von 2006 gab dabei den Weg vor. Nicht durch staatliche vorgeschriebene Verhaltensweisen und Verbote sollte der Verbraucher angeregt werden, Energie einzusparen, sondern durch Information über den eigenen Verbrauch.
Die EU-Richtlinie formulierte dies noch recht wolkig: „Damit die Endverbraucher besser fundierte Entscheidungen in Bezug auf ihren individuellen Energieverbrauch treffen können, sollten sie mit ausreichenden Informationen über diesen Verbrauch und mit weiteren zweckdienlichen Informationen versorgt werden, wie etwa Informationen über verfügbare Energieeffizienzmaßnahmen, Endverbraucher-Vergleichsprofile…“, und weiter „Die Verbraucher sollten zusätzlich aktiv ermutigt werden, ihre Zählerstände regelmäßig zu überprüfen.“
Unterstellt wird, dass ein Verbraucher, der genauere Informationen über seinen Energiekonsum hat, allein schon aus finanziellem Eigeninteresse dazu neigen wird, grundsätzlich weniger Energie zu verbrauchen. Eine bessere Information des Verbrauchers über sein Verbrauchsverhalten soll nach Vorstellung der EU unter anderem durch individuelle Zähler erreicht werden, „die den tatsächlichen Energieverbrauch des Endkunden und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegeln.“ Diese Formulierung findet sich nun auch genau so in der letzten Aktualisierung des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG), die der Bundestag im Juni 2008 beschlossen hat.
Messzugangsverordnung
Das Bundeskabinett hat am 18. Juni 2008 für die noch verbliebenen Vorhaben
(2. Paket) des Integrierten Energie- und Klimaprogramms (IEKP) die Gesetzes- und Verordnungstexte verabschiedet. Im Bereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ist dies u.?a. die Verordnung zum Erlass von Regelungen über Messeinrichtungen im Strom- und Gasbereich, kurz Messzugangsverordnung. Danach soll das Messwesen auch mit Blick auf die Verbreitung intelligenter Stromzähler vollständig liberalisiert werden. Ziel ist es, bessere Informationen, Transparenz und Steuerungsmöglichkeiten für den Verbraucher zu haben, um Energieeinsparungen und Energieeffizienz zu unterstützen. Der Kunde kann künftig seinen Messstellenbetreiber und seinen Zähler selbst auswählen.
Energiewirtschaftsgesetz (EnEW)
Mit der zweiten Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) setzt die Bundesregierung das EU-Gemeinschaftsrecht für die leitungsgebundene Energieversorgung in nationales Recht um. Zweck des EnWG ist die „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas“ (Paragraf 1 Abs. 1 EnWG).
Smart Metering in Kürze
Smart Metering steht für digitales, intelligentes Zählerwesen, das multidirektional Verbrauchsdaten erfassen, speichern, weitergeben und über eingespeiste Befehle selbstständig steuern kann. Dafür benutzen sogenannte Advanced Metering Managementsysteme (AMM, erweiterte Zählermanagementsysteme) eine Middleware. Eine Middleware ist eine Software zur Steuerung der intelligenten Zähler, die über freie Schnittstellen mit der bestehenden Softwarelandschaft eines Energieversorgers oder Messstellenbetreibers verbunden werden kann.