Baurechtsreport 2024
Die Rekordzahl an Mängeln erfordert ein Umdenken, sagt der TÜV-Verband
Mehr als 70 % aller sicherheitstechnischen Einrichtungen in Gebäuden weisen Mängel auf. Das geht aus dem Baurechtsreport des TÜV-Verbandes für das Jahr 2023 hervor. TÜV SÜD hat die Mängel im Bereich des technischen Brandschutzes genauer betrachtet. Das Ergebnis: Durch planungs- und baubegleitende Prüfungen sowie fachgerechte Wartung und Instandhaltung könnten Mängel wirksam reduziert werden.
Der Baurechtsreport des TÜV-Verbandes erfasst gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen von sicherheitsrelevanten Anlagen in sogenannten Sonderbauten. Dazu gehören unter anderem Hochhäuser, Schulen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Hotels oder Hochhäuser. Im Jahr 2023 wiesen demnach 27,1 % der geprüften Brandschutzanlagen „wesentliche Mängel“ und 43,9 % „geringfügige Mängel“ auf. Nur 29 % der Anlagen – und damit weniger als ein Drittel – waren mängelfrei. „Die Ergebnisse sind besorgniserregend“, sagt Stefan Veit, Experte für anlagentechnischen Brandschutz bei der TÜV SÜD Industrie Service GmbH. Vor allem deshalb, weil die Zahl der Anlagen mit wesentlichen Mängeln trotz wiederkehrender Prüfungen seit Jahren auf einem hohen Niveau verharrt. „Diese Mängel beeinträchtigen die Betriebssicherheit und Wirksamkeit der betroffenen Anlagen“, so Veit. „Sie gefährden damit auch die Sicherheit der Gebäude und der Menschen in den Gebäuden.“
Auf der Suche nach den Ursachen
Um den Ursachen für die Mängel auf die Spur zu kommen, wertete Veit mehr als 600 Prüfberichte von wiederkehrenden Prüfungen an Brandmelde- und Alarmierungsanlagen aus. „Dabei standen nicht die absoluten Mängelzahlen im Vordergrund“, erklärt Veit. „Es ging vor allem darum, Hintergründe der Mängel und Trends zu erkennen und zu verifizieren.“ Eine wichtige Erkenntnis der Untersuchung besteht darin, dass die häufigsten Mängel nicht auf technische Defekte, sondern auf organisatorische Probleme wie fehlende Unterlagen oder fehlende Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen zurückzuführen waren. Das betraf beispielsweise Mängel in der technischen Dokumentation oder der fehlenden Anpassung an bauliche Veränderungen.
Auch bei Mängeln mit mittlerer Häufigkeit spielten technische Defekte von Komponenten nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen verzeichneten die Prüfberichte viele Mängel bei Brandfallsteuerungen, an Kabel- und Leitungsanlagen und bei der Spannungsversorgung der Anlagen. „Solche Mängel sind entweder auf Fehler bei der Planung und Errichtung oder auf fehlende beziehungsweise nicht fachgerechte Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zurückzuführen“, erklärt Veit. Dass die Berichte vergleichsweise wenig Mängel aufgrund technischer Defekte von Komponenten enthielten, führt der TÜV SÜD-Experte vor allem darauf zurück, dass solche Mängel in modernen Anlagen durch automatische Prüfeinrichtungen sowie technische Maßnahmen zur Fehler-Erkennung diagnostiziert werden und in der Regel im Rahmen der regelmäßigen Instandhaltungsmaßnahmen durch qualifizierte Fachfirmen mit geringem Aufwand zu beheben sind.
Eine zunehmende Herausforderung für alle Beteiligten ist nach Aussage von Stefan Veit die Planung, Projektierung, Programmierung und Inbetriebnahme von Brandfallsteuerungen. „Der Aufwand nimmt mit der Zahl der vernetzten Gewerke und der Zahl der verschiedenen Steuerszenarien für das Zusammenwirkungen der einzelnen Anlagen in unterschiedlichen Situationen exponentiell zu“, betont der TÜV SÜD-Experte. Die Schwierigkeiten beginnen bereits bei der Anforderungsanalyse, weil Vorgaben aus verschiedenen Rechtsgebieten und Regelwerken zu berücksichtigen und in einem gemeinsamen Steuerungskonzept der sicherheitsrelevanten Anlagen abzubilden sind. Die vernetzten Anlagenfunktionen müssen übergreifend geprüft werden, weil Einzelprüfungen innerhalb der Gewerke anfällig für Lücken sind und bei unzureichender Abstimmung und Koordination ein Sicherheitsrisiko verursachen. Die Empfehlung von Veit: Um das bestimmungsgemäße Zusammenwirken über technische und auftragsbezogene Gewerke- und Anlagengrenzen hinweg zu gewährleisten, sind ein koordiniertes Inbetriebnahme-Management und eine separate Prüfung erforderlich, die neben baurechtlichen Anforderungen auch sicherheitsrelevante Systemfunktionen aus weiteren relevanten Rechtsgebieten wie der Betriebssicherheitsordnung berücksichtigt.
Deutlich weniger Mängel durch unabhängige Prüfungen
In seiner Untersuchung hat Veit die allgemeine Auftrittshäufigkeit von Mängeln bei Brandmeldesystemen mit der Mängelhäufigkeit an Systemen verglichen, bei denen in der Planungs- und Erreichungsphase unabhängige Prüfungen zur Qualitätssicherung durchgeführt wurden. Das Ergebnis ist eindeutig: Durch die frühzeitige Einbindung von unabhängigen Sachverständigen in die Planung und Errichtung der Systeme lässt sich die Anzahl der Mängel deutlich reduzieren, wodurch kostenintensive Rück- und Umbaumaßnahmen vermieden werden. Im laufenden Betrieb ist ein fachgerechtes Wartungs- und Instandhaltungsmanagement erforderlich, um den Zustand und die Effizienz der Anlagen zu erhalten. Dazu gehört auch die regelmäßige Begehung der sicherheitstechnischen Anlagen bzw. ein gewerkeübergreifender „Brandschutz-Check“ durch unabhängige Sachverständige. „Die nachhaltig hohe Zahl von Mängeln an sicherheitstechnischen Anlagen erfordert ein Umdenken im Betrieb der Anlagen“, betont Veit. Dafür ist nach Einschätzung des Experten neben dem Einsatz moderner Technik mit automatischen Prüfeinrichtungen insbesondere die risikoorientierte Planung von Instandhaltungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der erforderlichen Personalqualifikationen entscheidend.