Amortisation technischer Dämmungen
Geringinvestive Maßnahmen besitzen einen erheblichen Einspareffekt und sie machen sich bezahlt
Dass durch die energetische Sanierung von Altbauten Energie eingespart werden kann, ist unbestritten. Ausschlaggebend bei der Investitionsentscheidung dürfte jedoch die Frage sein, ob und wann sich die Maßnahme „rechnet“. Während die Wirtschaftlichkeit der Fassadendämmung derzeit kontrovers diskutiert wird, besteht bei Experten Einigkeit über andere Effizienzmaßnahmen. Das Dämmen der obersten Geschossdecke ist ebenso unbestritten wie die Effizienz und kurze Amortisation einer Dämmung der Anlagentechnik.
Nicht erst seit dem verheerenden Brand des Grenfell-Towers in London ist die Dämmung der Gebäudehülle in Verruf geraten. Auch Zweifel an der Wirtschaftlichkeit einer nachträglichen Fassadendämmung mehren sich. Angesichts deutlich gesunkener Energiepreise, einer nur geringen staatlichen Förderung von Wärmedämmmaßnahmen und steigenden Materialkosten rentieren sich umfassende Sanierungsmaßnahmen in der Tat weniger schnell als vor dem Einbruch des Rohölpreises prognostiziert. Hinzu kommt, dass viele Hausbesitzer auch die nicht unerheblichen Einschränkungen durch die Renovierungsarbeiten scheuen. Neben einer umfangreichen energetischen Gebäudesanierung gibt es jedoch eine Vielzahl an Einzelmaßnahmen, die sich nicht nur einfach umsetzen lassen, sondern sich auch innerhalb eines überschaubaren Zeitraums bezahlt gemacht haben.
Rohrleitungsdämmung in Altbauten
In Altbauten entstehen durch ungedämmte Rohrleitungen und Armaturen große Energieverluste. Der jährliche Wärmeverlust, der durch ungedämmte Verteilleitungen und Armaturen im Kellerbereich verursacht wird, kann bis zu einem Viertel des Jahres-Heizenergieverbrauchs eines Wohngebäudes betragen. Von den 39 Mio. Wohneinheiten in Deutschland befinden sich 75 % in Gebäuden, die vor 1979 – also vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung – errichtet wurden. Nach der Energieeinsparverordnung hätten nicht nur veraltete Heizungsanlagen bis zum 31. Dezember 2006 ausgetauscht, sondern auch Heizungs- und Warmwasserleitungen in nicht beheizten Räumen gedämmt werden müssen. Dieser Nachrüstverpflichtung sind jedoch längst nicht alle Hauseigentümer nachgekommen.
Wie die Firma Armacell bereits 2008 in einer Untersuchung zeigte, können allein durch die Dämmung zugänglicher Rohrleitungen im Keller eines 140 m² großen Einfamilienhauses jährliche Einsparungen von bis zu 556 Euro erreicht werden [1]. Die Amortisation solcher Maßnahmen ist immer auch abhängig vom Energiepreis und den Kosten für die Rohrdämmung (Material und Montagekosten). Während die Dämmstoffpreise seit 2008 um jährlich ca. 3 % gestiegen sind, schwankte der Heizölpreis seitdem erheblich. Nachdem er 2012 die Rekordmarke von 0,91 Euro/l erreichte, brach er Ende 2014 ein und 2016 kostete ein Liter Heizöl im Schnitt nur etwa 0,50 Euro. Derzeit steigt der Preis allerdings wieder und liegt 2017 bei durchschnittlich 0,57 Euro/l. Da die Rohrdämmung im Vergleich zu anderen energetischen Sanierungsmaßnahmen eine unschlagbar kurze Investitionsrentabilität (Return on Investment) besitzt, fallen diese Schwankungen jedoch nicht so sehr ins Gewicht und der Amortisationszeitraum wird auch bei günstigen Energiepreisen und höheren Kosten für die Rohrdämmung zwei bis maximal drei Heizperioden nicht überschreiten.
Auch in Neubauten lohnt sich die Rohrdämmung
Fälschlicherweise wird oft angenommen, eine gut isolierte Gebäudehülle verhindere bereits in ausreichendem Maße Energieverluste und Wärmeverluste der technischen Installationen würden nicht verloren gehen. Durch ungedämmte Rohrleitungen und Armaturen entstehen jedoch auch in modernen, gut gedämmten Häusern große Energieverluste. Wie eine weitere Armacell-Studie [2] zeigt, lassen sich auch hier erhebliche Energieeinsparungen durch eine optimale Dämmung von Heizungs- und Warmwasserrohrleitungen realisieren.
Untersuchungsgegenstand war ein frei stehendes, gut gedämmtes Standard-Einfamilienhaus mit einer Nettogrundfläche von 160 m² in ausgewählten europäischen Ländern (Schweden, Polen, Deutschland, Großbritannien, Italien, Spanien). Dabei wurden regional unterschiedliche Bauweisen berücksichtigt. Bei der Berechnung wurden internationale und europäische Normen bzw. Vornormen zur Energiebilanz von Gebäuden zugrunde gelegt. In der Studie wurden drei Szenarien mit unterschiedlichen Rohrdämmungsniveaus miteinander verglichen:
- optimale Dämmung: mit einer Dämmschichtdicke, die ungefähr dem einfachen Rohrdurchmesser bei Heizungsleitungen und dem 1,5-Fachen bei Warmwasserleitungen entspricht,
- nicht optimale Dämmung: 50 % der Dämmschichtdicken der optimalen Dämmung,
- schlechte / fehlende Rohrdämmung: durch 2 mm dicke Dämmung simuliert.
Die Untersuchungsergebnisse zeigten, dass Wärmeverluste aus Rohrleitungen in gut gedämmten Gebäuden nicht komplett rückgewonnen, sprich zur Beheizung des Gebäudes genutzt werden können. Im milden europäischen Klima weisen schlecht gedämmte Rohrleitungen jährlich nicht rückgewinnbare Wärmeverluste von bis zu 40 % des Nettoheizwärmebedarfs auf. Erstaunlicherweise liegen die Wärmeverluste in südlichen Regionen mit bis zu 60 % sogar noch höher als in Nord- und Mitteleuropa. Dies lässt sich dadurch erklären, dass nicht rückgewinnbare Wärmeverluste vorrangig aus Warmwasserrohrleitungen im Sommer entstehen. Wärmeverluste aus Brauchwarmwasserleitungen gehen im Sommer zu 100 % verloren, daher sollten diese Leitungen besonders gut gedämmt werden.
Hohe Amortisationszeiten bei Fassadendämmung
Dass die Dämmung der thermischen Hülle die Energieverluste eines Gebäudes reduziert, ist eine bauphysikalische Tatsache. Die Energiekennwerte des Hauses verbessern sich, Heizkosten sinken und CO2-Emissionen werden reduziert. Fallende Energiepreise lassen jedoch immer mehr Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Fassadendämmung aufkommen. Wann werden die Investitionskosten, die sich in der Regel auf viele Tausend Euro belaufen, durch eingesparte Heizkosten wieder eingespielt? Ist es heute, wo sich der Rohölpreis nahezu halbiert hat, überhaupt noch möglich, dass sich eine Fassadendämmung innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens rechnet?
Laut einer Untersuchung der dena aus dem Jahr 2011 können bei einer Sanierung eines Einfamilienhauses (Baualtersklasse 1969 – 1977, 144 m² Wohnfläche) auf Neubaustandard durch die Außendämmung rund 30 % Energie eingespart werden. Die Gesamtkosten für eine Modernisierung der Fassade betragen bei diesem Beispielgebäude rund 20 000 Euro. Davon entfallen auf die Dämmung der Außenwand 8000 Euro. Durch die Maßnahme können die Heizkosten pro Jahr um ca. 550 Euro gesenkt werden. Unter Berücksichtigung der Zins-und Energiepreisentwicklung rechnet sich die Dämmung der Außenwand nach 14 Jahren [3].
In ihrer Untersuchung unterscheidet die dena zwischen den ohnehin notwendigen Maßnahmen und Kosten für eine Instandsetzung der Fassade (Instandhaltungskosten) und den energieeffizienzbedingten Mehrkosten, die aus der Modernisierung mit einem Wärmedämmverbundsystem entstehen. Zu den Instandhaltungskosten zählen das Abschlagen des Altputzes, das Herstellen eines tragfähigen Untergrunds sowie eventuell erforderliche Demontagen und Erneuerungen von einzelnen Elementen wie Außenleuchten, Steckdosen, Briefkästen, Klingelanlagen und Ähnlichem. Dazu kommen Kosten für z. B. neue Fallrohre, Balkongeländer oder Fenstergitter, Kosten für den Grund- bzw. Armierungsputz sowie den Deckputz mit allen Nebenarbeiten. Die energieeffizienzbedingten Mehrkosten resultieren aus dem Dämmstoff, den Sockelschienen, Maßnahmen zur Verringerung von Wärmebrückeneffekten, der Verdübelung, systemgerechten Fensterbänken sowie einer eventuell erforderlichen Vergrößerung von Dachüberständen und Nebenarbeiten wie z. B. dem Versetzen von Elektroanschlüssen.
Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden nur diese Kosten, nicht die ohnehin anfallenden Instandhaltungskosten, berücksichtigt. Die energiebedingten Mehrkosten betragen in den Berechnungen der dena rund ein Drittel der Gesamtkosten. Weiter wurde die Energiekostenersparnis berechnet, die erforderlich ist, um unter Beachtung der ökonomischen Mindestanforderungen des Eigentümers die zusätzlichen energiesparenden Investitionen über den Betrachtungszeitraum gerade zu erwirtschaften. Untersucht wurde also der „Break-Even“ für den Investor mit einem Kapitalwert gleich null. Ist die Energiekostenersparnis größer als der Break-Even, rechnen sich die zusätzlichen Maßnahmen. Beim Kriterium „Kosten der eingesparten kWh Endenergie“ ist der über die gesamte Nutzungsdauer eines Gebäudes erwartete mittlere Energiepreis entscheidend.
Wirtschaftlichkeit einer Fassadendämmung
Die dena weist ausdrücklich darauf hin, dass Wirtschaftlichkeitsrechnungen keine exakten Werte für zukünftige Kosten und künftige Nutzen von Investitionen liefern können, da alle Aussagen mit Unsicherheiten behaftet sind (z. B. Festlegung Kalkulationszins, Energiepreise, Energiepreissteigerung, usw.). In der Tat setzen alle Wirtschaftlichkeitsrechnungen steigende Energiepreise voraus. Ausgehend von 7 Cent/kWh entwirft die dena Szenarien mit einer Energiepreissteigerung von 2 %, 3 % und 4,0 %. Fallende Energiepreise wurden dagegen nicht in Betracht gezogen – angesichts der Tatsache, dass die Heizölpreise im Jahr der Untersuchung ihren bisherigen Höchststand erreichten, ist dies durchaus verständlich.
Wie Beispielrechnungen zeigen, die die „Welt“ auf Basis einer Studie des Umweltinstituts München [5] gemacht hat, amortisiert sich unterhalb eines Heizölpreises von 70 Euro je 100 Liter keine Wärmedämminvestition innerhalb von 20 Jahren [6]. Zitiert wird das Beispiel einer Fassadensanierung eines Einfamilienhauses aus den 1960er-Jahren und der Montage einer Standard-Wärmedämmung. Angenommen wurde ein Heizölpreis von 62 Euro pro 100 Liter sowie eine Investition von 150 Euro/m² Fassade, von denen 50 Euro Instandhaltungskosten abgezogen wurden. Wie sich zeigte, „rechnet“ sich die Investition frühestens nach 22 Jahren – unter der Voraussetzung, dass es zwischenzeitlich keine Schäden gibt, die Energiepreise kontinuierlich steigen und sich das Heizverhalten der Bewohner nicht ändert.
Selbstverständlich stellen Kostenrechnungen nur ein Entscheidungskriterium bei der Betrachtung energetischer Modernisierungsmaßnahmen dar. Andere, finanziell nicht quantifizierbare Faktoren wie der Wohnkomfort sowie volkswirtschaftliche und ökologische Kriterien sind bei der Beurteilung ebenfalls entscheidend. Unter rein betriebswirtschaftlichen Betrachtungen – zu den gesunkenen Ölpreisen, gestiegenen Material- und Montagekosten kommen die immer noch fehlenden steuerlichen Anreize für Wärmedämmmaßnahmen – wird die Fassadendämmung als energetische Sanierungsmaßnahme jedoch zunehmend unattraktiver. Das zeigt sich auch in den Beratungsgesprächen der Energieberater, bei denen es jetzt häufig um andere Einzelmaßnahmen geht. „Warum pflücken wir nicht mit einfachen Mitteln die niedrig hängenden Früchte?“, fragt Karim El Ansari, Architekt aus Herborn [7]. „Die Einspareffekte einer Fassadendämmung werden oft überschätzt, die einer effizienteren Anlagentechnik und einer Dämmung der obersten Geschossdecke hingegen unterschätzt.“
Literatur:
[1] Jarek Chmielarski: Energieeinsparpotenziale durch Optimierung der Rohrleitungsdämmung von Heizungsanlagen in Bestandsgebäuden. In: Heizungsjournal 9/2008
[2] Jarek Chmielarski: Energieeinsparpotenziale durch optimale Rohrleitungsdämmung. Ein europäischer Vergleich. In: Heizungsjournal 12/2009
[3] dena Faktencheck zur Monitor-Sendung: „Brandgefährliche Fassadendämmung“ vom 13.01.2014: http://www.dena.de/fileadmin/user_upload/Nachrichten/2013/Faktencheck_Daemmung_Monitor.pdf
[4] dena-Sanierungsstudie. Teil 2: Wirtschaftlichkeit energetischer Modernisierung in selbstgenutzten Wohngebäuden (2011): http://www.dena.de/fileadmin/user_upload/Presse/Meldungen/2012/12-03-26_dena-Sanierungsstudie_Einfamilienhaeuser.pdf
[5] http://www.umweltinstitut.org/themen/energie-und-klima/wirtschaftlichkeitsberechnungen/wirtschaftlichkeit-waermedaemmung.html
[6] Michael Fabricius: Wärmedämmung ist Verlustgeschäft. Fallende Energiepreise machen einen Strich durch wirtschaftlich sinnvolle Kalkulationen. In: Welt vom 10.04.2015. http://www.welt.de/print/die_welt/finanzen/article139354313/Waermedaemmung-ist-Verlustgeschaeft.html
[7] Zitiert nach: Ralph Diermann: Lohnt sich das? In: Süddeutsche Zeitung vom 13. März 2015
http://www.energie-journalist.de/dokumente/upload/sz-warmedaemmung.pdf
Autorin:
Michaela Störkmann, Armacell Technical Manager EMEA