Rohrabschottung – ein komplexer Vorgang
Eine der wesentlichen Maßnahmen im Rahmen des vorbeugenden baulichen Brandschutzes ist die Einteilung eines Gebäudes in Brandabschnitte. Ziel ist es, der Brandausbreitung, also der Ausbreitung von Feuer und Rauch, vorzubeugen und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten zu ermöglichen. Je nach Größe und Art der Nutzung eines Gebäudes müssen hierzu bestimmte Wände und Decken als feuerwiderstandsfähige Bauteile ausgebildet werden. Diese sind dann in der Lage, über einen festgelegten Zeitraum (in der Regel 30, 60 oder 90 Minuten) die Ausbreitung von Feuer und Rauch von einer Seite des Bauteils zur anderen zu verhindern.
Leitungen dürfen durch diese feuerwiderstandsfähigen Bauteile nur hindurchgeführt werden, wenn eine Brandausbreitung über die Leitungen für den entsprechenden Zeitraum nicht zu befürchten ist oder Vorkehrungen gegen die Brandausbreitung getroffen werden. Wie diese – recht allgemein formulierte – baurechtliche Forderung in die Praxis umzusetzen ist, wird in der Leitungsanlagenrichtlinie beschrieben.
Musterleitungsanlagenrichtlinie (MLAR) als Regelwerk
Unter Punkt 4 der MLAR-2005 „Die Führung von Leitungen durch raumabschließende Bauteile (Wände und Decken)“ werden die baulichen Maßnahmen beschrieben, die einer Brandausbreitung entgegenwirken. Leitungsanlagen im Sinne der MLAR-2005 sind dabei Anlagen aus elektrischen Leitungen und Rohrleitungen; dazu gehören neben deren Armaturen, Hausanschlusseinrichtungen, Messeinrichtungen, Steuer- und Regeleinrichtungen und Verteilern auch deren Dämmstoffe, Befestigungen und Beschichtungen.
Um eine Brandausbreitung zu verhindern, können Leitungen, die feuerwiderstandsfähige Wände und Decken queren, durch Abschottungen oder innerhalb von Installationsschächten oder -kanälen geführt werden. Insbesondere bei Deckendurchführungen ist eine geschossweise Abschottung zu bevorzugen, da sich in der Praxis häufig die Ausfädelung der Leitungen aus einem Schacht als problematisch erweist – insbesondere dann, wenn es sich um Schachtkonstruktionen in Leichtbauweise handelt.
Die MLAR unterscheidet grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Abschottung. Die eine ist die Wahl eines klassifizierten Systems, nachgewiesen durch ein Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (AbP) oder eine Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (AbZ). Die andere ist eine Durchführung mit einfachen Konstruktionen gemäß den sogenannten „Erleichterungen für einzelne Leitungen“. Während die Ausführung eines klassifizierten Systems im/in der jeweiligen AbP/AbZ beschrieben wird, werden die Konstruktionen gemäß Erleichterungen in der MLAR beschrieben.
Erleichterungen nach MLAR-2005
Für die vereinfachten Konstruktionen sind keine Verwendbarkeitsnachweise in Form eines AbP oder einer AbZ nötig. Die Erleichterung besagt, dass der Ringspalt zwischen der Leitung und dem durchdrungenen Bauteil über die gesamte Bauteiltiefe aufgefüllt werden muss – bei einer Spaltbreite von maximal 50 mm durch Mineralwolle mit einem Schmelzpunkt > 1000°C bzw. mit einem im Brandfall aufschäumenden Baustoff bei einer Breite von bis zu maximal 15mm. Diese Anwendung ist nur zugelassen für nichtbrennbare Rohrleitungen mit einem Außendurchmesser von maximal 160 mm und für brennbare Rohrleitungen sowie Installationsrohre für Elektroleitungen von maximal 32mm.
Die MLAR-2005 macht dabei genaue Angaben, wie groß der Mindestabstand zwischen den einzelnen Leitungen sein muss, damit diese noch als Einzelleitungsdurchführung gelten. Zwischen nichtbrennbaren Rohrleitungen ohne Isolierung entspricht dieser Mindestabstand 1 x dem Durchmesser der größten der beiden nebeneinanderliegenden Rohrleitungen, zwischen brennbaren Rohrleitungen 5 x dem Durchmesser der größten der beiden nebeneinanderliegenden Rohrleitungen.
Grundsätzlich kann der Ringspaltverschluss auch durch eine Vermörtelung erfolgen. Da bei Rohrleitungen in diesem Fall die Anforderungen an den Wärme- und Schallschutz nicht erfüllt werden, kommt diese Möglichkeit jedoch nur für Elektroleitungen in Betracht.
Nach der Musterleitungsanlagenrichtlinie 2005 dürfen unmittelbar hinter der Bauteildurchführung auf einer Länge von mindestens 500mm nur nichtbrennbare Isolierungen eingesetzt werden. Rohre mit brennbaren Isolierungen können alternativ mit einem zusätzlichen Blechmantel gekapselt werden.
Für alle Leitungen, deren Außendurchmesser die oben genannten Maße überschreitet oder die nicht mehr als Einzelleitungen gelten, sind Abschottungen auf Grundlage eines AbP oder einer AbZ zu verwenden.
Verwendbarkeitsnachweise, Abschottungen mit AbP/AbZ
Zur Vermeidung einer Übertragung von Feuer und Rauch bei der Leitungsführung durch Wände und Decken können grundsätzlich immer klassifizierte Systeme verwendet werden. Sie bieten nicht nur den Vorteil, dass hiermit auch Abschottungen möglich sind, welche über die Erleichterungen nicht geregelt sind. Sie ermöglichen darüber hinaus eine bessere Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen gerade auch dann, wenn besondere Einbausituationen vorliegen. Darüber hinaus bieten sie ein höheres Sicherheitsniveau, da z.B. eine Sekundärbrandgefahr immer mit abgesichert wird.
Der Markt bietet eine Reihe brandschutztechnisch geprüfter Systeme, die sich grundsätzlich unterscheiden. In den AbP/AbZ werden die Einbaubedingungen detailliert geregelt, so z.B. in welches Bauteil eine Abschottung eingebaut werden darf und welche Leitungsarten verwendet werden dürfen. Um die Auswahl des richtigen Systems zu treffen, sollten daher Planer und Ausführende den Inhalt des Verwendbarkeitsnachweises kennen. Die in der Tabelle 1 aufgeführten Unterschiede und Anforderungen sind zu berücksichtigen und können Inhalt eines AbP oder einer AbZ sein.
Klassifizierte Rohrabschottungen gehören nicht zu den geregelten Bauprodukten bzw. Bauarten nach Bauregelliste A, T1. Sie werden nach allgemein anerkannten Prüfverfahren beurteilt und klassifiziert (DIN 4102-11 oder DIN EN 1366-3) und benötigen als Verwendbarkeitsnachweis ein Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis. Für Systeme, bei denen der Verschluss des Rohrquerschnittes auf der Verwendung dämmschichtbildender Baustoffe beruht, ist als Verwendbarkeitsnachweis eine Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung notwendig.
Dokumentation und Kennzeichnung
Schon zu Beginn einer Baumaßnahme sollte der Verwendbarkeitsnachweis eines Systems vorliegen und durch den Verarbeiter auf Verlangen vorgelegt werden können. Bei der Bauabnahme schließlich muss der Unternehmer für alle eingesetzten Bauprodukte bzw. Bauarten mit AbP eine schriftliche Übereinstimmungserklärung abgeben, mit der er bestätigt, dass die Ausführung gemäß den Vorgaben des Prüfzeugnisses erfolgt ist. Eine Kennzeichnung ist nicht vorgeschrieben.
Bei Bauprodukten und Bauarten hingegen, die als Verwendbarkeitsnachweis eine AbZ benötigen, ist neben einer Übereinstimmungserklärung auch eine Kennzeichnung der Abschottung vorgeschrieben. Die Praxis zeigt jedoch: Eine Kennzeichnung ist in jedem Fall sinnvoll, auch wenn keine Kennzeichnungspflicht besteht, also auch für Abschottungen nach AbP. So kann jederzeit festgestellt werden, welches System wann und durch wen eingebaut wurde. Dies ist besonders dann von Vorteil, wenn später an gleicher Stelle zusätzliche Leitungen verlegt werden sollen. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass eine Kennzeichnung zu einem bedachteren Umgang mit den Abschottungen durch nachfolgende Gewerke und die Nutzer des Gebäudes beiträgt.
Abschottung von nichtbrennbaren Rohren mit Mineralwolle-Rohrschalen
Zur Erstellung einer klassifizierten Rohrabschottung für nichtbrennbare Rohre wird im Bereich der Durchführung häufig eine hochverdichtete Mineralwolle-Rohrschale eingesetzt. Der restliche Ringspalt wird dann in ganzer Bauteildicke hohlraumfüllend dicht mit formbeständigen, nichtbrennbaren Baustoffen wie z.B. Mörtel, Beton oder Gips verschlossen. Bei der Verwendung der Mineralwolle-Rohrschale „Conlit 150 U“ ist sogar der Einbau in eine Kernbohrung passend zum Außendurchmesser der Rohrschale möglich. Eine Vermörtelung ist dann nicht mehr notwendig.
Neben der im Brandfall möglichen Weiterleitung von Feuer und Rauch durch die Bauteilöffnung gibt es bei nichtbrennbaren Rohrleitungen eine weitere Gefahr, die mithilfe der Abschottung eingegrenzt werden muss. Eine Wärmeweiterleitung über die metallische Rohrleitung auf die brandabgewandte Seite kann dort zur Entstehung von Sekundärbränden beitragen. Dort können dann z.B. brennbare Dämmstoffe auf den Rohrleitungen in Brand geraten. Deshalb fordert die Prüfung für Rohrabschottungen nach DIN 4102-2, dass auf der feuerabgekehrten Seite die Oberflächentemperatur an der Rohrleitung an keiner Stelle um mehr als 180K über die Anfangstemperatur ansteigen darf. Abschottungslösungen aus Rohrschalen benötigen deshalb in einer bestimmten Länge der Durchführung auf beiden Seiten der Rohrleitung eine nichtbrennbare Dämmung.
Abschottung von brennbaren Rohrleitungen mit Mineralwolle-Rohrschalen
Auch bei brennbaren Versorgungsleitungen sind Abschottungen mit Mineralwolle-Rohrschalen möglich. Diese werden in der Regel mittig im Bauteil in einer bestimmten Länge eingesetzt, die ausreicht, um ein Ersticken des Brandes im Inneren der Schale herbeizuführen, sodass auf der brandabgewandten Seite die Rohrleitung unzerstört bleibt. Feuer und Rauch können somit nicht austreten. Eine Gefahr von Sekundärbränden durch Wärmeweiterleitung über die Rohrleitung besteht aufgrund der sehr viel schlechteren Wärmeleitung der Kunststoffrohre nicht. Diese Systeme sind in der Regel bis zu einem Rohraußendurchmesser von 110 mm einsetzbar.
Bei Entwässerungssystemen allerdings kann diese Methode nicht eingesetzt werden. Da diese in der Regel über Dach entlüftet werden – sie also offene Systeme sind – entsteht nach dem Wegbrennen der Leitung ein Kamineffekt, durch den heiße Rauchgase in die Leitung eingesogen werden. Infolgedessen wird die Leitung auch auf der brandabgewandten Seite zerstört und es kommt zur Weiterleitung von Feuer und Rauch. Hier ist deshalb nur der Einsatz von Brandschutzmanschetten möglich. Diese sind so konstruiert, dass das Material im Brandfall aufschäumt und sich so gezielt an der Bauteilöffnung ausbreitet, was auch bei größeren Rohrquerschnitten zu einem vollständigen Verschluss der Bauteilöffnung führt.
Funktionale Schnittstellen
Bei der Auswahl des richtigen Abschottungssystems müssen neben den brandschutztechnischen weitere Anforderungen beachtet werden. So ist es mitunter notwendig, sich schon in einer frühen Planungsphase auf ein Abschottungssystem festzulegen, um sicherzustellen, dass nicht nur alle in dem/der jeweiligen AbP/AbZ genannten Einbaubedingungen erfüllt werden, sondern die gewählten Systeme auch die bauphysikalischen Anforderungen an den Wärme- und Schallschutz erfüllen. Betrachtet man allein diese Anforderungen, sind nahezu alle Leitungen in der Haustechnik zu dämmen.
Für den Bereich des Wärmeschutzes gilt, dass bei warmgehenden Leitungen zusätzlich Wärmeverluste zu reduzieren sind. Dies geschieht zum einen aus wirtschaftlichen Gründen – die Kosten für den Betrieb einer Anlage lassen sich dadurch erheblich reduzieren – zum anderen aufgrund gesetzlicher Anforderungen. Für alle Heizungsrohrleitungen und Warmwasserleitungen gelten die Anforderungen an die Wärmedämmung nach Tabelle 1 im Anhang 5 der EnEV, auch für den Bereich der Bauteildurchführung.
Zur Vermeidung von Tauwasserbildung sind Leitungen mit kalten Medien ebenfalls durchgängig zu dämmen. Dies gilt häufig auch für Entwässerungsleitungen. Wobei die Dämmung stets – auch im Bereich von Stößen, Durchdringungen und Endstellen – diffusionsdicht auszuführen ist. Kalte Trinkwasserleitungen müssen auch aus Gründen der Trinkwasserhygiene vor Erwärmung geschützt werden. Denn neben der Sicherstellung einer Mindestwasserwechselrate ist die Dämmung solcher Rohrleitungen eine zusätzliche Möglichkeit, Verkeimungen zu vermeiden. Immer dann, wenn warmgehende Leitungen neben kaltgehenden Trinkwasserleitungen im selben Hohlraum, Schacht, Kanal oder oberhalb von Unterdecken nebeneinander verlegt werden, kann auf diese Maßnahme nicht verzichtet werden.
Darüber hinaus sind bei der Auswahl eines Abschottungssystems die Anforderungen an den Schallschutz zu beachten. Die Übertragung von Geräuschen aus Rohrleitungen auf angrenzende Bauteile ist ebenso zu vermeiden wie eine Schallübertragung über den Ringspalt der Durchführung ins Bauteil. Des Weiteren kann durch eine Streckenisolierung die Geräuschübertragung an die Umgebung über den Luftschall deutlich reduziert werden.
Als besonders leistungsfähig haben sich in der Praxis Abschottungen mit aluminiumkaschierten Mineralwolle-Rohrschalen bewährt. Mit ihnen sind sowohl wärme- und schallschutztechnische Anforderungen als auch die an den Tauwasserschutz und die Trinkwasserhygiene leicht zu erfüllen.
Gewerkeschnittstellen
Bei der Erstellung von Rohrleitungsdurchführungen sind je nach Größe des Bauvorhabens und der Organisation des Bauablaufes eine Reihe von Gewerken beteiligt. Dies stellt hohe Anforderungen an die Bauleitung. Um Fehler in der Ausführung zu vermeiden, ist eine gründliche Planung und gute Baukoordination notwendig. Ein reibungsloser Bauablauf ist gewährleistet und teure Nachträge werden vermieden, wenn schon im Leistungsverzeichnis alle Anforderungen klar beschrieben werden.
Bereits bei der Erstellung der Bauteilöffnung muss die Planung der brandschutztechnischen Maßnahmen abgeschlossen sein. Bei der Montage der Rohrleitungssysteme müssen die erforderlichen Abstände zwischen den Rohrleitungen bekannt sein. Diese ergeben sich aus den Anforderungen des Verwendbarkeitsnachweises für die Abschottung und den für die Dämmung der Rohrleitungen notwendigen Materialstärken. Auch für ausreichenden Montageraum ist zu sorgen. Wenn in bestimmten Fällen der Einbau mehrerer Abschottungen nebeneinander ohne Mindestabstände zulässig ist, sollte genügend Raum z.B. zum Aufbringen der Mineralwolle-Rohrschalen oder zum Einbringen des Mörtels eingeplant werden. Die DIN 4140 „Dämmarbeiten an betriebstechnischen Anlagen in der Industrie und in der technischen Gebäudeausrüstung – Ausführung von Wärme- und Kältedämmungen“ macht hierzu klare Vorgaben.
Für fast alle Wanddurchführungen ergeben sich Anforderungen an die Befestigung der Rohrleitung aus dem/der AbP/AbZ des Abschottungssystems. Häufig bleibt dies bei der Montage der Rohrleitungen unberücksichtigt. Dann müssen zusätzliche Rohrabhängungen teuer und aufwendig nachgerüstet werden.
Werden Dämmarbeiten und Abschottungsmaßnahmen getrennt vergeben, so sind die Systemgrenzen klar zu definieren. Unter Umständen kann es günstiger sein, beide Maßnahmen gemeinsam zu vergeben. Häufig wird auch die Herstellung des abschließenden Bauteilverschlusses separat vergeben. Den Ausführenden ist dann oft nicht bewusst, dass sie an der Erstellung einer Abschottung auf Grundlage eines/einer AbP/AbZ beteiligt sind. Auch hierin liegen nicht selten Ausführungsfehler begründet.
Online-Planungstool
Einen Überblick über die brandschutztechnischen Anforderungen an Rohrleitungsanlagen sowie eine ausführliche Beschreibung der Abschottungssysteme bietet der aktuelle Planungs- und Montagehelfer für Rohrleitungsanlagen der Deutschen Rockwool. Darin werden auch alle weiteren normativen Anforderungen an den Wärme-, Tauwasser- und Schallschutz beschrieben. Ergänzend zum Planungs- und Montagehelfer bietet die Rockwool Internetseite ein hilfreiches Planungstool: Mit der Online-Software Plantec werden zunächst alle wichtigen Einflussgrößen projektspezifisch abgefragt. Als Ergebnis wird das passende Abschottungssystem angezeigt, welches dann auch alle neben dem Brandschutz geltenden Anforderungen berücksichtigt. Anschließend können daraus Ausschreibungstexte mit allen für eine Angebotsabgabe wichtigen Angaben erstellt werden.
Autoren: Dipl.-Ing. (FH) Michael Kaffenberger-Küster, Technischer Berater Haustechnik/Brandschutz Deutsche Rockwool; Dipl.-Ing. (FH) Harald Heermann, Produktmanager Haustechnik Deutsche Rockwool
Bilder: Deutsche Rockwool
www.rockwool.de