Feuer und Rauch Einhalt gebieten - Brandschutz bei Leitungsanlagen: Abschottungen schützen Rohr- und Kabeldurchführungen
Elektrische Kabel und Rohrleitungen durchziehen Gebäude wie ein Spinnennetz. Ob Kälte-, Lüftungs-, Heizungs-, Sanitär-, Elektro- oder Fördertechnik: Die Menge an Leitungen aller Art in einem Gebäude steigt ständig, um die immer anspruchsvollere Infrastruktur funktionstüchtig zu halten. Gleichzeitig stellen diese Leitungen ein hohes Risiko für die Ausbreitung von Bränden dar, da sie zwangsläufig viele Brandabschnitte des Gebäudes durchqueren. Baulichen Maßnahmen zur feuerwiderstandsfähigen Ertüchtigung von Leitungsdurchführungen kommt deswegen eine zentrale Bedeutung zu.
Brände im Bereich elektrischer Anlagen führen als Brandverursacher mit weitem Abstand die Schadensstatistik an. Kein Wunder, entsteht beim Fließen von Strom naturgemäß immer Wärme. Bei Kurzschlüssen fließt ein besonders starker Strom, der zu hohen Temperaturen bis hin zu Lichtbögen führen kann und das Kabel schließlich zündet.
Elektrische Anlagen sind zudem häufig überlastet, weil sie von vorneherein nicht für eine Erweiterung angelegt waren. Ein zu geringer Sicherheitsabstand zu Wärmequellen oder eine unzureichende Isolierung bergen weitere Risiken: Das brennbare Material nimmt Schaden, wird porös und ist bei einem Kurzschluss höchst brandgefährdet. Ist erst einmal ein Feuer entstanden, breitet es sich in ungeschützten Kabelanlagen mit großer Geschwindigkeit über das ganze Gebäude aus.
Gleichzeitig bergen elektrische Kabel mit ihren brennbaren Isolierungen eine erhebliche Brandlast. Korrosive Gase aus der Verbrennung PVC-haltiger Isoliermaterialien können zu gravierenden Folgeschäden an konstruktiven Bauteilen führen.
Auch brennbare Rohre oder Dämmungen stellen ein hohes Risiko dar: Im Brandfall erweichen sie, verformen sich und brennen schließlich ab. Ohne Schutzmaßnahmen entstehen dabei je nach Rohrdurchmesser und Dämmstoffstärke große Öffnungen, durch die sich Feuer und Rauch nahezu ungehindert ausbreiten können.
Kleiner Defekt – großer Schaden
Kommt es zu einem Schadensfall, sind die Auswirkungen meistens gravierend. Im Februar 2012 kam es zu einem Brand in einem Mehrfamilienhaus in Buchholz. Das Wasser einer defekten Toilettenspülung im Erdgeschoss lief über einen Kabelschacht in den Keller und dort schließlich in den Stromverteilerkasten. Es kam zu einem Kurzschluss und so zum Ursprung des Schwelbrandes. Der Sachschaden wird mit ca. 50000 Euro angegeben. Die Bewohner konnten sich in Sicherheit bringen.
Auch 120 Gäste und das Personal des Ramada-Hotels in Aalen kamen Ende März 2012 glimpflich davon. Nachdem am Abend in einem Kabelschacht bei der Küche ein Schwelbrand ausgebrochen war, ließen Polizei und Feuerwehr das gesamte Hotel vorsorglich evakuieren. Die Hotelgäste mussten in anderen Häusern untergebracht werden. Im Hotel hatte es zuvor einen Wasserschaden im Bereich der Küche gegeben, weil ein Wärmegerät aufgestellt wurde. Isoliermaterialien in den Dehnfugen waren dann durch den Einsatz eines Wärmegerätes in Brand geraten.
Kleine Ursache, große Wirkung: Bei einem Brand im Januar 2010 wurde in Endingen am Kaiserstuhl ein historisches Weingut zerstört. Brandursache war ein Defekt an einer elektrischen Leitung im Geräteschuppen. Von dort war das Feuer auf den Gebäudekomplex, zu dem 13 Gebäude gehören, übergesprungen. 180 Helfer von Feuerwehr, DRK und Polizei waren im Einsatz, der Bahnverkehr war durch Löscharbeiten beeinträchtigt. Niemand wurde verletzt, aber der Sachschaden beträgt mindestens 1,5 Mio. Euro.
Diese Schadensereignisse zeigen: Ein kleiner Defekt kann verheerende Folgen haben und Betriebe an den Rand der wirtschaftlichen Existenz bringen.
Wesentliche Anforderungen an Abschottungen
Der Gesetzgeber ist sich dieser Risiken bewusst und hat entsprechende Vorsorge geschaffen: Nach der Musterbauordnung (MBO) und den Bauordnungen der Länder (LBO) dürfen „… Leitungen durch raumabschließende Bauteile, für die eine Feuerwiderstandsfähigkeit vorgeschrieben ist, nur hindurchgeführt werden, wenn eine Brandausbreitung ausreichend lang nicht zu befürchten ist oder Vorkehrungen hiergegen getroffen sind…“. Diese Vorkehrungen sind Kabel- bzw. Rohrabschottungen, die als bauliche Maßnahmen im Bereich von Leitungsdurchführungen einen Brand auf einen möglichst kleinen Raum begrenzen und damit wirksam die Ausbreitung von Feuer und Rauch im Gebäude verhindern.
Kabel- und Rohrabschottungen sind ungeregelte (nicht genormte) Bauarten im Sinn der Bauregelliste und damit zulassungspflichtig. Der Nachweis erfolgt im Falle der Kabel- und reaktiven Rohrabschottungen durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen (abZ) und bei nicht reaktiven Abschottungen für Rohrleitungen durch allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse (abP). Diese Nachweise können ausschließlich auf Basis von Prüfzeugnissen anerkannter Materialprüfanstalten über die Prüfung von Kabelabschottungen nach DIN 4102 Teil 9 bzw. von Rohrabschottungen nach DIN 4102 Teil 11 erworben werden. In den bauaufsichtlichen Zulassungen und Prüfzeugnissen sind immer auch die zulässigen Randbedingungen beschrieben, z.B. Angaben zur Art der verwendbaren Leitungen, Verarbeitung und Montage, Maximalgröße des Durchbruchs oder Abstände zu anderen Installationen. Nur wenn diese Bedingungen eingehalten werden, ist ein ausreichender Brandschutz gegeben.
Widerstand dem Feuer
Gemäß Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) müssen Kabel- und Rohrabschottungen den gleichen Feuerwiderstand besitzen, wie die raumabschließenden Bauteile selbst. Kabelabschottungen werden nach DIN 4102 Teil 9 entsprechend ihrer Feuerwiderstandsdauer in die Feuerwiderstandsklassen S30 bis S180 eingestuft. Für Rohrabschottungen gilt Teil 11 der DIN 4102, der eine Klassifizierung in die Feuerwiderstandsklassen R30 bis R120 vorsieht. Die Feuerwiderstandsdauer muss in Brandversuchen nach DIN 4102 Teil 2 nachgewiesen werden, wobei die Kriterien für Kabel- und Rohrabschottungen ähnlich sind. Die Anforderung der jeweiligen Feuerwiderstandsklasse ist erfüllt, wenn während der Feuerwiderstandsdauer das Austreten von Feuer und Rauch verhindert werden und die Oberflächentemperatur der feuerabgekehrten Seite um nicht mehr als 180 K über die Ausgangstemperatur ansteigt.
Im Zuge der europäischen Harmonisierung erfolgt die Klassifizierung und Prüfung von Bauprodukten zukünftig nach der Norm DIN EN 13501 (Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten) sowie diversen europäischen Prüfnormen. Die für Abschottungen maßgeblichen Eigenschaften sind Raumabschluss (E) und Isolation (I), sodass sich die europäischen Klassifizierungen sowohl für Kabel- als auch für Rohrabschottungen aus dem Kürzel „EI“ und der Feuerwiderstandsdauer in Minuten zusammensetzen.
Abschottungen für alle Fälle
Abschottungen sind in den verschiedensten Ausführungen für die unterschiedlichsten Anwendungsgebiete erhältlich (Tabelle 1). Damit sind nahezu alle Kombinationen von Leitungen und Einbausituationen beherrschbar. Häufig kommen intumeszierende (dämmschichtbildende) Materialien zum Einsatz. Diese schäumen im Brandfall ab etwa 180°C auf und expandieren auf ein Mehrfaches ihrer Ausgangsgröße. Dadurch schließen sie zuverlässig durch das Feuer entstehende Hohlräume und verhindern so die Ausbreitung von Rauch und Feuer.
Mörtelschotts werden aus speziellen Brandschutzmörteln hergestellt, die eine hohe Wärmedämmung besitzen und während des Aushärtens nicht schrumpfen. Im Gegensatz zu normalem Maurermörtel haben sie auch im ausgehärteten Zustand eine geringe Festigkeit, sodass z.B. Nachbelegungen ohne kritische mechanische Belastung der Kabel möglich sind.
Brennbare Rohre werden meistens mit Rohrmanschetten geschützt. Sie bestehen aus einem Stahlblechmantel mit einer in der Hitze aufschäumenden Einlage. Je weiter das Rohr im Brandfall abschmilzt und abbrennt, desto mehr dehnt sich die Intumeszenzeinlage der Manschette aus und verschließt die sich bildende Öffnung simultan. Bei nicht brennbaren Rohren (außer Glas und Aluminium) entstehen im Brandfall keine Hohlräume. Hier reicht es in der Regel, die Weiterleitung hoher Temperaturen zu begrenzen, beispielsweise durch eine Dämmung aus nicht brennbaren Mineralfasern (Schmelzpunkt über 1000°C) mit definiertem Raumgewicht oder vorgefertigten Halbschalen.
Kabelvollbandagen schützen einzelne Kabel oder ganze Kabelbündel auch zwischen raumabschließenden Bauteilen vor einer Brandeinwirkung von außen oder von innen. Sie bestehen aus einem vorgefertigten, nicht brennbaren Glasfasergewebe mit einem Dämmschichtbildner, der im Brandfall aufschäumt und eine Brandweiterleitung verhindert. Bei einem Umgebungsbrand wird verhindert, dass das innen liegende Kabel den Brand weiterleitet. Eigentümer und Betreiber von Immobilien und Produktionsanlagen erzielen dadurch deutliche Vorteile wie eine schnelle Wiederaufnahme der Stromversorgung, Verringerung des Produktionsausfalls oder Reduzierung der Brandlast.
Sicherheit und Wirtschaftlichkeit
Für einen sicheren Brandschutz ist das Einhalten von Gesetzen und Normen grundlegende Voraussetzung, für einen wirtschaftlichen Gebäudebetrieb jedoch nicht ausreichend. Die Auswahl der Abschottungen je nach Einbausituation hat großen Einfluss auf eine platzsparende Verlegung der Leitungen und damit für eine optimierte Nutzfläche. Eine hohe Leitungsdichte kann beispielsweise durch Rohrabschottungen erzielt werden, deren Zulassung keinen Abstand zu anderen Durchführungen fordert. Aus Platzgründen werden Rohrleitungen bereits in geringem Abstand zu Wänden oder Decken häufig bogenförmig verlegt. Auch dafür muss die Rohrabschottung zugelassen und anwendbar sein.
Ein weiterer Kostenfaktor bei der Erweiterung und Sanierung von Gebäuden und gebäudetechnischen Installationen ist die wirtschaftliche Nachbelegung von Rohr- und Kabelabschottungen. Insbesondere elektrische Kabel werden bedingt durch den schnellen technischen Fortschritt häufig nachinstalliert. Eine zeitsparende Montage sowie eine durch „Nullabstände“ möglichst große Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Fläche (maximal 60% der Schottfläche) kann erhebliche Kosten einsparen.
Die Vielzahl der möglichen Kombinationen von Kabeln, Isolierungen, Rohren, Dämmstoffen und Abschottungen in den unterschiedlichsten Einbausituationen erfordert sorgfältige Planung und geschultes Fachpersonal. Nur so sind die zuverlässige Verhinderung der Brand- und Rauchausbreitung im Falle eines Falles sowie eine wirtschaftliche Gebäudenutzung gewährleistet.
Brandschutz bei Mischinstallationen von Abwasserrohren
Seit 1. Januar 2013 gelten neue Prüfvorschriften bei der Mischinstallation von nichtbrennbaren, gusseisernen Fallrohren mit brennbaren Anschlussrohren aus Kunststoff. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) verlangt seitdem eine brandschutztechnische Prüfung bei offenen Gussrohren. Das bisher übliche allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis (abP) wurde durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) ersetzt. Daraus resultieren erhöhte Brandschutzanforderungen, die in der Praxis auf verschiedene Art und Weise umsetzbar sind:
- Einsatz von Brandschutzmanschetten an den Guss- und/oder den Kunststoffrohren, die im Brandfall die Rohröffnung durch aufschäumendes Material verschließen,
- Streckenisolierung des Gussrohres mit nichtbrennbaren Materialien, die im Brandfall eine unzulässige Temperaturerhöhung im Anschlussrohr verhindern. Hierbei müssen mindestens 50 cm der Anschlussleitung in Guss ausgeführt sein.
- Komplette Ausführung als Gussrohrinstallation. Hierbei sind die Abstandsregeln der Musterleitungsanlagenrichtlinie (MLAR) zu beachten oder Systeme mit abP oder abZ einzusetzen, die teilweise auf einen Nullabstand geprüft sind.
Bei allen Lösungen sind die jeweiligen abP bzw. abZ vor der Verwendung genau zu prüfen. So erfordern einige Systeme zwingend eine Vorwandinstallation.
Die IKZ-HAUSTECHNIK hat dazu einen ausführlichen Artikel veröffentlicht. Er findet sich unter dem Titel „Geänderter Verwendbarkeitsnachweis bei Mischinstallationen von Abflussrohren“ in Heft 3/2013 oder im Internet unter www.ikz.de.
Autor: Dr. Wolfram Krause, Geschäftsführer des bvfa – Bundesverband Technischer Brandschutz e.V.
Bilder: bvfa
www.bvfa.de