Absicherung auf vielen Ebenen
Brandschutzanforderungen in der Bauausführung
Die steigenden Anforderungen an die technische Gebäudeausrüstung und die notwendigen Brandschutzmaßnahmen erfordern von der Planungsphase bis zur Bauausführung von allen am Bau Beteiligten umfassendes Wissen. Wenn Mängel nicht rechtzeitig erkannt werden, lassen sich Korrekturen meist nur mit größerem Aufwand durchführen. Der nachfolgende Beitrag gibt allgemeine Hinweise zum Brandschutz in der Bauausführung und zeigt Praxisbeispiele auf.
Der Weg von der Idee bis zur Fertigstellung eines Bauwerks ist meist einem ständigen Wandel unterworfen. Bauwerke sind grundsätzlich Unikate, deren Planung und Ausführung zuerst vom Willen des Erbauers, später vom Anspruchsdenken des Nutzers abhängig ist. Alle Initiativen unterliegen jedoch dem Baurecht, das neben den Normen- und Regelwerken zunehmend komplexer erscheint. Viele am Bau Beteiligte sind nicht mehr in der Lage, alle Regelungen zu überblicken oder sogar einzuhalten.
Rechtlich betrachtet ist der Brandschutz Teil des öffentlichen (Bau-)Rechts, aber auch Teil des privaten (Bau-)Rechts und Teil des Strafrechts. Das öffentliche Baurecht umfasst hier vor allen Dingen die Bauordnungen, die Sonderverordnungen bei Parkhäusern, Garagen, Krankenhäusern, Schulen, aber auch die Musterleitungsanlagenrichtlinie (MLAR) [1]. Das private Baurecht ergibt sich durch die Vertragsgestaltung der Werkverträge nach BGB, VOB/B bzw. VOL/B. Zuletzt wirkt sich das Strafrecht bei Verletzungen der Sicherheitsanforderungen, bei Fahrlässigkeit und Vorsatz aus.
Probleme in der Bauausführung ergeben sich hauptsächlich dann, wenn Maßnahmen zur Sicherheit von Gebäuden und Nutzern vorgesehen werden sollen. Die dafür notwendigen Bauelemente verursachen beim Investor Kosten, die er vordergründig nicht gewinnbringend umsetzen kann. Nicht selten wird dann der Versuch von Bauherrn unternommen, den Unternehmen solche „Zusatzarbeiten“ mit juristischen Tricks kostenfrei unterzuschieben oder diese erst gar nicht zu beauftragen. Vor diesem Hintergrund ist es für Planer, Bauleiter und Handwerker wichtig, erforderliche Brandschutzmaßnahmen zu erkennen und ggf. den Auftraggeber darüber zu informieren sowie Bedenken bei Mängeln in der Bauplanung/-ausführung anzumelden.
Flucht- und Rettungswege
Jeder Nutzungsbereich (Wohnung, Büro, usw.) muss über zwei unabhängig voneinander verlaufende Wege evakuiert werden können (Ausnahmen sind Hochhäuser mit Sicherheitstreppenhäusern). Diese Wege werden in den Plänen des Brandschutzkonzeptes grün eingetragen. Die Flure und Treppenräume müssen in der Regel mindestens 90 Minuten dem Feuer widerstehen und in dieser Zeit auch raucharm bzw. rauchfrei bleiben. Dazu sind die umschließenden Bauteile (Decken, Wände, Böden) entsprechend feuerbeständig auszuführen. Der TGA-Planer und der ausführende Installateur müssen in der Lage sein, diese Wege in den Plänen zu erkennen. Im anderen Fall ist die Mitwirkung des Auftraggebers anzufordern, der nach den Bauordnungen [2] die originäre Pflicht hat, alle für die Ausführung erforderlichen Unterlagen zu beschaffen und den Auftragnehmern vorzulegen. Alternativ kann der Auftraggeber diese Leistungen auch Dritten oder den Auftragnehmern übertragen. Dann müssen diese Firmen jedoch auch die notwendigen Fachkenntnisse haben, oder sich diese durch weitere Untervergaben einholen. In diesen Fällen kommt es zur Haftungsverlagerung, weg vom Auftraggeber, hin zum Auftragnehmer.
Brandabschnitte
Auch die einzelnen Nutzungsbereiche,
- jede Wohnung (mit mehreren Zimmern),
- jede Firma (mit mehreren Büroräumen) innerhalb eines Gebäudes,
müssen gegeneinander abgeschottet werden. Hierzu sind die Bauteile, die diese selbstständigen Nutzungsbereiche umschließen, zu konditionieren (F 30-A, F 60-AB, F 90-A, BW). Welche Bauart vorzusehen ist, hängt entsprechend der Musterbauordnung bzw. den Länderbauordnungen von der jeweiligen Nutzung und von der Gebäudegröße ab.
Da das Bauordnungsrecht ein Landesrecht darstellt, muss bei der Planung und Ausführung darauf geachtet werden, in welchem Bundesland das Objekt steht. Selbst für erfahrene Planer und Handwerker der TGA sind die jeweiligen Anforderungen nicht leicht zu überblicken und so ohne Angaben (mittels eines Brandschutzkonzeptes) meist nicht lösbar. Auch hier gilt wieder, dass der Auftraggeber das Brandschutzkonzept zur Verfügung stellen oder beauftragen muss. Hilfe und Antworten zu den jeweiligen Anforderungen können mitunter auch durch die Fachliteratur geboten werden (z. B. [3]).
Leitungsführungen der TGA
Hier setzt die eigentliche Arbeit des technischen Ausbaus ein. Grundsätzlich sind in Brandwänden bzw. Trennwänden Öffnungen unzulässig [2]. Wenn Öffnungen konstruktionsbedingt sein müssen, sind folgende besondere Maßnahmen erforderlich, um ein Durchbrennen und Rauchweiterleiten durch diese raumabschließenden Bauteile zu verhindern:
Die Öffnungen müssen feuerbeständig, dicht- und selbstschließende Abschlüsse haben. Im Bereich der TGA sind diese Maßnahmen hauptsächlich in der MLAR [1] und der MLüAR [4] geregelt.
Unter Ziffer 4.1.2 der MLAR wird bestimmt, dass die Leitungen durch Abschottungen geführt werden müssen, die mindestens die gleiche Feuerwiderstandsfähigkeit haben, wie die der raumabschließenden Bauteile.
Die Abstände der Leitungen regeln sich nach den jeweiligen Zulassungen der Schotts oder sind mit 50 mm anzusetzen.
Bei dem Verlegen von Leitungen sollte daher immer sowohl bei der Planung als auch bei der Ausführung vor Ort geprüft werden, ob nicht durch geänderte Trassenführungen teilweise komplizierte und/oder teure Zusatzmaßnahmen vermieden werden können. Ein zusätzlicher Umweg kann so vielleicht Kosten und Schwachstellen vermeiden.
Bescheinigungen und Kennzeichnungen
In Bild 1 ist zu erkennen, dass die Rohrleitungen und auch die elektrischen Leitungen mit Elementen umschlossen sind, die durch Zulassungsbescheide die Wirksamkeit im Brandfall bescheinigt bekommen haben. Diese Kennzeichnungen gehören zum Standard des Nachweises über die Gebrauchsfähigkeit, die durch den ausführenden Handwerker zu erstellen sind. Nach den gängigen Regelwerken, wie die Bauordnungen oder die VOB, hat der Unternehmer spätestens zur Abnahme dem Auftraggeber die Qualität der Baustoffe nachzuweisen. Dies geschieht meist, indem er einen Ordner mit Kopien der Produktzertifizierungen/-bescheinigungen übergibt. Zusätzlich muss der Unternehmer – nicht nur nach der EnEV [5] – vermehrt Unternehmererklärungen über die vereinbarte Beschaffenheit, die Gebrauchsfähigkeit und die Einhaltung diverser Vorschriften abgeben (Bild 2).
Es setzt sich heute zunehmend durch, dass alle Bescheinigungen gleichzeitig mit der Beauftragung bzw. spätestens mit dem Einbau vorzulegen sind. Diese Situation wird sich vermutlich leider auch verstärken, da es fortlaufend Auftragnehmer gibt, die unzutreffende Erklärungen abgeben oder andere, minderwertige Materialien einbauen. Und die Überprüfung anlässlich der Abnahme wäre dann bereits zu spät.
Für die Bescheinigungen kommen entsprechend der verwendeten Komponenten, Geräte und Materialien zwei unterschiedliche Nachweise zum Einsatz: „Allgemeine Bauaufsichtliche Prüfzeugnisse“ (ABP) und „Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassungen“ (ABZ).
Alle Bauelemente unterliegen den bauordnungsrechtlichen Bezeichnungen (siehe Kasten Bezeichnungen zur Widerstandsdauer). Hinzu kommen die Bezeichnungen der einzelnen Elementformen entsprechend DIN 4102 (Tabelle 1).
Erleichterungen nach MLAR
Die MLAR gibt eine Reihe von Erleichterungen an. So sind unter der Ziffer 4.1.1 der MLAR die Ausnahmen für Wohnungen in kleinen Gebäuden (Gebäudeklasse 1 und 2) und für Nutzungseinheiten mit weniger als 400 m² aufgeführt. Darüber hinaus werden unter den Ziffern 4.2 und 4.3 für die Leitungsabstände sowie für die Anforderungen an die Dichtungsstoffe weitere Erleichterungen angegeben. Dazu jeweils ein Beispiel:
Erleichterungen für die Leitungsdurchführung durch feuerhemmende Wände
Abweichend von Abschnitt 4.1.2 der MLAR dürfen durch feuerhemmende Wände elektrische Leitungen bzw. Rohrleitungen aus nichtbrennbaren Baustoffen – auch mit brennbaren Rohrbeschichtungen bis 2 mm Dicke – geführt werden, wenn der Raum zwischen den Leitungen und dem umgebenden Bauteil aus nichtbrennbaren Baustoffen mit nichtbrennbaren Baustoffen oder mit im Brandfall aufschäumenden Baustoffen vollständig ausgefüllt wird. Bei Verwendung von Mineralfasern müssen diese eine Schmelztemperatur von mindestens 1000 °C aufweisen. Bei Verwendung von aufschäumenden Dämmschichtbildnern und von Mineralfasern darf der Abstand zwischen der Leitung und dem umgebenden Bauteil nicht mehr als 50 mm betragen. Hiervon ausgenommen sind notwendige Treppenräume und Räume zwischen notwendigen Treppenräumen und den Ausgängen ins Freie.
Erleichterungen für einzelne Leitungen
Abweichend von Abschnitt 4.1 dürfen folgende einzelne Leitungen ohne Dämmung in gemeinsamen Durchbrüchen für mehrere Leitungen durch Wände und Decken geführt werden:
- elektrische Leitungen,
- Rohrleitungen mit einem Außendurchmesser bis 160 mm aus nichtbrennbaren Baustoffen – ausgenommen Aluminium und Glas – auch mit Beschichtung aus brennbaren Baustoffen bis zu 2 mm Dicke,
- Rohrleitungen für nichtbrennbare Medien und Installationsrohre für elektrische Leitungen mit einem Außendurchmesser bis 32 mm aus brennbaren Baustoffen, Aluminium oder Glas.
Häufige Fehler
Es ist wichtig, dass bereits zu Beginn der Arbeiten die richtige Ausführung von Abschottungsmaßnahmen kontrolliert wird. In Fällen, wo nicht diese Vorgehensweise durchgeführt wird, können häufig folgende Fehler festgestellt werden:
- Verwendung falscher Dämmstoffe mit Schmelztemperatur < 1000 °C,
- Verwendung von Dämmstoffen oder Bauprodukten ohne gültigen Verwendbarkeitsnachweis,
- nicht vollständige Ausfüllung des Raums zwischen den Leitungen und den umgebenen Bauteilen mit Zementmörtel,
- unzureichende Abstände gemäß den Erleichterungen der MLAR bzw. den Verwendbarkeitsnachweisen,
- falsche Verwendung von Baustoffen und Dämmstoffen,
- Nichteinhaltung der Vorgaben des jeweiligen Verwendbarkeitsnachweises.
Fazit: Die Abnahme durch den Auftraggeber kann verweigert werden, wenn die Abnahmekontrolle durch einen Sachverständigen Risiken aufdeckt, die sogar zu einer Nutzungsuntersagung durch das Bauamt führen kann.
Bezeichnungen zur Widerstandsdauer
F 30: feuerhemmend
F 60: hochfeuerhemmend
F 90: feuerbeständig
F 120: hochfeuerbeständig
(als neuer Begriff)
…
Immer in Verbindung mit:
A = aus nicht brennbaren Stoffen
AB = aus in den wesentlichen Teilen nicht brennbaren Stoffen
B = aus brennbaren Stoffen
Muster für eine Übereinstimmungserklärung
(Erforderlich bei klassifizierten Rohrabschottungen der Feuerwiderstandsklasse R mit einem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis als Verwendbarkeitsnachweis)
- Name und Anschrift des Unternehmens, das die Rohrabschottung hergestellt hat: …
- Baustelle bzw. Gebäude: …
- Datum der Herstellung: …
- Feuerwiderstandsklasse R 30, R 60, R 90 bzw. R 1201)
Hiermit wird bestätigt, dass die Rohrabschottung „ …“ hinsichtlich aller Einzelheiten fachgerecht und unter Einhaltung aller Bestimmungen des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses Nr. P-1234/5678-MPA … vom … hergestellt und eingebaut wurde.
Für die nicht vom Unterzeichner selbst hergestellten Bauprodukte oder Einzelteile wird dies ebenfalls bestätigt, aufgrund
- der vorhandenen Kennzeichnung der Teile entsprechend den Bestimmungen des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses1)
- eigener Kontrollen1)
- entsprechender schriftlicher Bestätigungen der Hersteller der Bauprodukte oder Teile, die der Unterzeichner zu seinen Akten genommen hat1)
1) Nichtzutreffendes streichen
Ort, Datum Stempel und Unterschrift
(Diese Bescheinigung ist dem Bauherrn zur Weitergabe an die zuständige Bauaufsichtsbehörde auszuhändigen.)
Seminar: Brandschutz in der Bauausführung
Am 7. und 8. Oktober 2014 führt die Technische Akademie Esslingen (TAE) das Seminar „Brandschutz in der Bauausführung“ in Ostfildern durch. Mit den Themen wie Regelwerke im Überblick, rechtliche Grundlagen, Brandschutzplanung, Bauüberwachung sowie Schäden und Sanierungen präsentiert Dipl.-Ing. Dietrich Hinz zahlreiche Punkte des baulichen Brandschutzes. Die Teilnehmer des Seminars können die Schwerpunkte der Themen mitbestimmen und eigene Problemfälle diskutieren.
Die Teilnahmegebühr beträgt 950 Euro. Die Anmeldung kann per Telefon (0711 34008-23), per E-Mail (anmeldung@tae.de) oder über das Internet (www.tae.de) mit der Veranstaltungsnummer 33100.00.008 und dem Titel „Brandschutz in der Bauausführung“ erfolgen. Weitere Informationen gibt es bei der TAE unter der Telefon-Nummer 0711 34008-99.
Literatur:
[1] Musterleitungsanlagenrichtlinie – kurz MLAR, gültig seit 17. November 2005
[2] Musterbauordnung bzw. Länderbauordnungen
[3] Wellpott/Bohne „Technischer Ausbau von Gebäuden“, Kohlhammerverlag
[4] Musterlüftungsanlagenrichtlinie – kurz MLüAR
[5] Energieeinsparverordnung 2014
[6] Geräte- und Produkthaftungssicherungsgesetz (GPSG)
[7] Merkblätter des Verbands Deutscher Sachversicherer (VdS)
Autor: Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dietrich Hinz, Ascha
Bilder: Priv.-Doz. Dipl.-Ing Dietrich Hinz