Ausgabe 4/2002, Seite 4 ff.


Sanitär


Neue technische Regeln nach der DIN EN 12056

Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden

Hans-Jörg Dannenmann*

Mit Veröffentlichung der Normenreihe DIN EN 12056 (Januar 2001), der Einführung der DIN 1986-100 (März 2002) und der Zurückziehung der DIN 1986 Teile 1 und 2 (Juni 2001) wurde in Deutschland eine neue Ära eingeleitet: Die Verlegung und Bemessung von Schmutz- und Regenwasserleitungen ist europäisch geregelt.

Die aktuelle Situation

Die Normenreihe DIN EN 12056 muss als "Grundnorm" verstanden werden, in der einiges im Detail nicht verbindlich geregelt ist. Deshalb hat man sich in Deutschland entschlossen, die noch offenen oder fehlenden Regelungen über eine Restnorm, DIN 1986 Teil 100, auszuarbeiten. In Deutschland gelten nun folgende Normen:

 DIN EN 12056 Teile 1 bis 5

 DIN 1986 Teile 3, 4, 30 und 100

Damit wird klar, dass es auch künftig keine einheitlichen Technischen Regeln in Europa zur Verlegung und Bemessung von Schmutz- und Regenwasserleitungen gibt. In Deutschland ist dies für den Praktiker eine nicht ganz einfache Angelegenheit, denn er muss sich einmal über den Sachverhalt in den europäischen Normen informieren und darüber hinaus noch prüfen, welche Festlegungen es in der nationalen Regelung gibt. Die wesentlichen Neuerungen innerhalb der DIN EN 12056 und der DIN 1986-100 sollen nachfolgend genannt und erläutert werden.

Wesentlich veränderter Anwendungsbereich

Die DIN EN 12056 gilt für Entwässerungsanlagen ausschließlich innerhalb von Gebäuden (Bild 1). Demgegenüber lag der Anwendungsbereich der bisher maßgeblichen DIN 1986 innerhalb und außerhalb von Gebäuden. Für Schwerkraftentwässerungsanlagen außerhalb von Gebäuden gelten die Normenreihen DIN EN 752 und DIN EN 1610. In Deutschland sind darüber hinaus ggf. noch die ATV-Richtlinien A 127, A 139 und A 142 zu beachten.

Bild 1: Anwendungsbereich mit den jeweils geltenden Regelwerken. Die Abbildung soll deutlich machen, dass bei einem Dachvorsprung von beispielsweise 1 m die vorgehängte Rinne und das Regenwasser-Fallrohr unter den Anwendungsbereich der DIN 12056 fallen. Ansonsten endet jedoch der Anwendungsbereich an der Gebäudeaußenwand.

Für Deutschland gilt System I

In Teil 2 der Norm 12056 sind vier Entwässerungssystemtypen festgelegt. In Deutschland ist aber nur das System I anzuwenden, d.h. Einzelfallleitungsanlagen mit teilbefüllten Anschlussleitungen, Füllungsgrad 0,5. Bei Wasser sparenden Klosettbecken (4-6 Liter Spülwassermenge) sind nach DIN 1986-100 ergänzende Festlegungen zu berücksichtigen.

Tabelle 1: Nennweiten (DN) mit entsprechendem Mindestinnendurchmesser (di min)

Nennweite
DN

Mindestinnen-
durchmesser di min (mm)

30

26

40

34

50

44

56

49

60

56

70

68

80

75

90

79

100

96

125

113

150

146

200

184

225

207

250

230

300

290

Neue Regelung für Nennweiten (DN)

Die Nennweite (DN) gibt den ungefähren äußeren Durchmesser in mm an. Dieser Nennweite ist ein Mindest-Innendurchmesser (di min) zugeordnet; alle Leistungsangaben der Norm beziehen sich darauf. Maßgeblich für die Berechnung ist der Innendurchmesser (Tabelle 1). Bietet ein Hersteller Rohre an, die einen größeren Innendurchmesser aufweisen, wird dieser für die Berechnung angesetzt.

Bild 2: Mindestgefälle in Abhängigkeit des jeweiligen Leitungsbereiches
(1) Unbelüftete Anschlussleitung: mind. 1%
(2) Belüftete Anschlussleitung: mind. 0,5%
(3) Grund- und Sammelleitungen für Schmutzwasser > DN 110: mind. 0,5%
(3) Grund- und Sammelleitungen für Schmutzwasser DN 90: mind. 1,5%
(4) Grund- und Sammelleitungen für Regenwasser: mind. 0,5%

Mindestgefälle

Das vorgegebene Mindestgefälle wurde in DIN EN 12056 gegenüber DIN 1986 für fast alle Leitungsbereiche reduziert. Damit verbunden ist die Reduzierung der Fließgeschwindigkeit in Grund- und Sammelleitungen von bisher 0,7 m/s auf 0,5 m/s (Mindestwerte). Vor allem Anschlussleitungen können mit deutlich geringerem Gefälle verlegt werden, als bisher (Bild 2 und Tabelle 2).

Tabelle 2: Mindestgefälle

Leitungsbereich

Mindest-
gefälle

Hinweis auf Norm und Abschnitt

Unbelüftete Anschlussleitungen

1%

DIN EN 12056-2, Tabelle 5
DIN 1986-100, Abschnitt 8.3.2.2

Belüftete Anschlussleitungen

0,5%

DIN EN 12056-2, Tabelle 8

Grund- und Sammelleitungen

- für Schmutzwasser
- für Regenwasser (Füllungsgrad 0,7)

 

0,5%
0,5%

 

DIN 1986-100, Abschnitt 8.3.4 und 8.3.5
DIN 1986-100, Abschnitt 9.3.5.2

Grund- und Sammelleitungen DN 90 (Klosettbecken mit Spülwasservolumen 4,5-6,0 l)

1,5%

DIN 1986-100, Tabelle A.2

Ergänzender Hinweis: Fließgeschwindigkeit in Grund- und Sammelleitungen für Schmutzwasser und Regenwasser mindestens 0,5 m/s.

Materialeinsparung durch Belüftungsventile

Als Ersatz für Umlüftungen oder eine indirekte Nebenlüftung können zum Abbau von Unterdruck im Leitungssystem auch Belüftungsventile eingebaut werden. Dabei muss jedoch in jedem Falle ein Hauptlüftungssystem vorhanden sein (Bild 3). In Ein- und Zweifamilienhäusern können Belüftungsventile für Fallleitungen eingesetzt werden, wenn mindestens eine Fallleitung als Hauptlüftung über Dach geführt wird. Mit Verwendung von Belüftungsventilen ist eine deutliche Materialeinsparung verbunden. Zudem entfällt die problematische Dachdurchführung.

Bild 3: Belüftungsventil als Ersatz für eine Umlüftung oder eine indirekte Nebenlüftung.

Schmutzwasserleitungen DN 90

Unter wassersparenden Klosettbecken versteht man solche mit Spülwasservolumina von 4 bis 6 l. Hier sind ergänzende Festlegungen zu berücksichtigen (DIN 1986-100). Zu beachten ist u.a., dass der Anschlusswert DU für ein Klosett mit 4 bis 4,5 l Spülwasservolumen 1,8 l/s beträgt, für ein Klosett mit 6 l Spülwasservolumen 2,0 l/s. Für alle Leitungsarten kann so die Nennweite DN 90 eingesetzt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Selbstreinigungsfähigkeit bei Abflussleitungen DN 90 wesentlich besser ist, als bei DN 100. In Verbindung mit den ergänzenden Festlegungen in DIN 1986-100 ist deshalb die Dimension DN 90 zu verwenden (Tabelle 3).

Tabelle 3: Mindestgefälle bei Verwendung von Schmutzwasserleitungen DN 90

Leitungsart

Mindestgefälle %

Einzelanschlussleitungen unbelüftet

1,5

Einzelanschlussleitungen belüftet

0,5

Sammelanschlussleitungen unbelüftet

1,0

Sammelanschlussleitungen belüftet

0,5

Grund- und Sammelleitungen

1,5

Beim Einsatz von wassersparenden Klosetts kann auch die Dimension DN 80 verwendet werden. Die Anwendungsgrenzen sind jedoch gegenüber DN 90 zusätzlich reduziert (DIN 1986-100). Außerdem besteht die Gefahr eines hydraulischen Abschlusses in der Fallleitung, wenn z.B. das Spülwasservolumen des Spülkastens oder Druckspülers nachträglich erhöht wird.

Neue Kurzzeichen

Im Zusammenhang mit den Bemessungsgrundlagen wurden neue Kurzzeichen eingeführt, die in der Regel aus der englischen Sprache abgeleitet sind:

DU (design unit) = Anschlusswert (bisher AWs)

Qww (Quantity of waste water) = Schmutzwasserabfluss (bisher Vs)

Qtot = Gesamtschmutzwasserabfluss

Qc = Dauerabfluss (bisher Vc)

Qp = Pumpenförderstrom (bisher Vp)

Qtot = Gesamtschmutzwasserabfluss (Qww + Qc + Qp)

Die Formel für die Bemessung des Schmutzwasserabflusses in einem Teil oder der gesamten Entwässerungsanlage ist gleich geblieben.

Bei Anwendung der Berechnungsformel ist - wie bisher - zu beachten: Sofern der ermittelte Schmutzwasserabfluss Qww kleiner ist als der größte Anschlusswert eines einzelnen Entwässerungsgegenstandes, ist grundsätzlich der entsprechende Anschlusswert des Entwässerungsgegenstandes zu verwenden.

Die vorgenannten Berechnungsgrundlagen beziehen sich - wie bereits bisher - jedoch nur auf Grund- und Sammelleitungen und auf Fallleitungen. Für Anschlussleitungen sind für die Bemessung die entsprechenden Tabellen in DIN 1986-100 zu verwenden.

Erweiterte Anschlusswerte

Besonders zu beachten ist, dass es für Klosettbecken drei verschiedene Anschlusswerte gibt. Sonst hat sich nichts Wesentliches geändert. In Deutschland ist die Tabelle 4 der DIN 1986-100 anzuwenden und nicht die Tabelle 2 der DIN EN 12056-2. Die Bemessung von Anschlussleitungen ist dadurch wesentlich einfacher als bisher.

Tabelle 4: Anwendungsgrenzen für unbelüftete Einzelanschlussleitungen (entspricht Tabelle 5 in DIN EN 12056-2)

Anwendungsgrenzen

System I

maximale Leitungslänge (l)

4,0 m

maximale Umlenkungen 90°

3*

maximale Höhendifferenz (H)
(mit 45° oder mehr Neigung)

1,0 m

Mindestgefälle

1%

* Anschlussbogen nicht eingerechnet

Unbelüftete und belüftete Anschlussleitungen

Bei Planung und Verlegung von Anschlussleitungen ist zu unterscheiden zwischen Einzel- und Sammelanschlussleitungen und zwischen belüfteten und unbelüfteten Einzel- oder Sammelanschlussleitungen (Tabellen 4 und 5).

Tabelle 5: Anwendungsgrenzen für belüftete Einzelanschlussleitungen (entspricht Tabelle 8 in DIN EN 12056-2)

Anwendungsgrenzen

System I

maximale Leitungslänge (l)

10,0 m

maximale Umlenkungen 90°

keine Begrenzung

maximale Höhendifferenz (H)
(mit 45° oder mehr Neigung)

3,0 m

Mindestgefälle

0,5 %

Sammelanschlussleitungen

In DIN 1986-100, Abschnitt 8.3.2.2 wurden zusätzlich die Anwendungsgrenzen für unbelüftete Sammelanschlussleitungen aufgenommen (Bild 4).

Bild 4: Anwendungsgrenzen für unbelüftete Sammelanschlussleitungen und Erläuterung der maximal zulässigen Leitungslängen: Wenn die Anschlussleitung D die maximal zulässige Länge von z.B. 4 m aufweist, darf die Länge der Leitungen A bis C insgesamt 6 m betragen. Innerhalb dieses Bereiches können die einzelnen Leitungsabschnitte eine variable Länge aufweisen. (E = maximal 4 m).

Zusammenführung von Schmutz- und Regenwasserleitungen

Regenwasser und Schmutzwasser müssen innerhalb von Gebäuden getrennt geführt werden. Eine Zusammenführung ist nur außerhalb des Gebäudes zulässig. Eine Ausnahme ist bei Grenzbebauung möglich, hier ist die Zusammenführung von Schmutz- und Regenwasserleitungen innerhalb des Gebäudes, jedoch unmittelbar an der Grenzbebauung zulässig.


Fachbroschüre zur neuen europäischen Entwässerungsnorm

Geberit hat zur Normenreihe DIN EN 12056 mit dazugehöriger deutscher Restnorm DIN 1986-100 eine Fachbroschüre herausgegeben. Unter anderem erläutert sie ausführlich die Dimensionierung und Verlegung von Schmutz- und Regenwasserleitungen. Außerdem werden die Regelungen für Entwässerungsleitungen DN 90 vorgestellt, mit denen erweiterte Anwendungsbereiche erschlossen werden können. Das Heft gibt es kostenlos unter
Tel.: 07552/934430 oder Fax: 07552/93499430.


*) Hans-Jörg Dannenmann, Mitarbeiter der Firma Geberit GmbH, Pfullendorf.


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