IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/1999, Seite 62 ff.
SANITÄR-/HEIZUNGSTECHNIK
Flexible Rohrsysteme
Einsatz von Kunststoff-Verbundrohren in der Nahwärmeversorgung
Friedhelm Siebrasse*
Bis vor einigen Jahren war die Verlegung von Stahlrohrleitungen im Erdreich für die Nahwärmeversorgung Spezialisten vorbehalten. Das Herstellen der notwendigen Schweißverbindungen in engen Gräben, das nachträgliche Dämmen von Verbindungsstellen oder Abzweigen im Erdreich oder die Schaffung der notwendigen Dehnungsmöglichkeiten für die Rohrleitungen sind nur einige Punkte, die bei der Verlegung beachtet werden mußten. Heute vereinfachen flexible vorgedämmte Kunststoff-Rohrsysteme dem Heizungsbauer die Arbeit.
Nahwärmeversorgung ist die dezentrale Warmwasser- und Wärmeversorgung von Nebengebäuden, Gewächshäusern, Stallungen usw. von einem Hauptgebäude aus. Außerdem versteht man darunter die Versorgung mehrerer Häuser durch eine in der Nähe gelegene Heizzentrale oder ein Blockheizkraftwerk z.B. mit Kraft-Wärme-Kopplung. Bei Nahwärme-Systemen liegt die Wassertemperatur unter 95°C.
Tabelle 1: Übliche Rohrdimensionen für Warmwasser-Zentralheizungen
Dimension | Abmessung (mm) | Leistung (kW) | Bauart |
DN 20 | 25 X 20,4 | 10-30 | Einzel- oder Doppelrohr |
DN 25 | 32 X 26,0 | 20-60 | Einzel- oder Doppelrohr |
DN 32 | 40 X 32,6 | 40-90 | Einzel- oder Doppelrohr |
DN 40 | 50 X 40,8 | 40-140 | Einzel- oder Doppelrohr |
DN 50 | 63 X 51,4 | 70-230 | Einzel- oder Doppelrohr |
DN 65 | 75 X 61,2 | 100-330 | Einzelrohr |
DN 80 | 90 X 73,6 | 150-480 | Einzelrohr |
DN 90 | 110 X 90,0 | < 700 | Einzelrohr |
Tabelle 2: Durchmesserverhältnis Mantelrohr/Mediumrohr am Beispiel einer Einzelrohrleitung
Mantelrohrdurchmesser | DN 32 | DN 40 | DN 50 | DN 65 |
PE-Schaumdämmung | 160 mm | 160 mm | 160 mm | 200 mm |
PU-Schaumdämmung | 90 mm | 110 mm | 125 mm | 140 mm |
Die Anbindung der Gebäude wurde bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich durch vorgedämmte erdverlegte Stahlrohre vorgenommen. Diesen Typ von Rohren entwickelte man in den 60er Jahren in Dänemark. Man bekommt sie auch heute noch in 6 m Längen. Der Installateur verlegt sie im Graben, nivelliert sie durch Unterlage von Styroporstücken so aus, daß die Rohrenden genau voreinander liegen und verschweißt sie dann direkt im Graben. Für Umlenkungen werden Bögen zu Hilfe genommen. In langen Strängen müssen Kompensatoren eingebaut werden. Nach der Druckprobe werden die Schweißstellen und die eingefügten Komponenten nachgedämmt. Ein derart konstruiertes Rohrnetz verfügt korrekterweise über eine elektrische Leckagewarneinrichtung.
Nachteile des Systems sind:
- bei Langzeitbetrachtung evtl. Korrosionsschäden,
- zeitaufwendige und umständliche Montage auf der Baustelle durch: Ausnivellierung der Leitung vor dem Verschweißen, schwierige Schweißarbeiten im Graben (in Zwangslage), umständliches Handling der starren Rohrleitungen.
- Die Trassenführung kann nicht unmittelbar geändert werden, wenn dies erforderlich ist. Beispiel: Während der Erdarbeiten wird erkannt, daß sich (dem Planer nicht bekannte) Hindernisse im Erdreich befinden.
- Längere Trassen müssen zum Ausgleich der Längenausdehnung bei unterschiedlichen Temperaturen mit Kompensatoren und Fixpunkten versehen werden.
Kunststoff-Nahwärmerohre
Die vor einigen Jahren neu auf den Markt gekommenen vorgedämmten Kunststoff-Verbundrohrsysteme bieten demgegenüber deutliche Vorzüge:
- gutes Langzeitverhalten/sehr hohe Standzeit,
- weil der Werkstoff nicht korrodieren kann, sind keine Leckagewarneinrichtungen erforderlich,
- selbst lange Trassen (bis 150 m) müssen keine Stoßstellen im Erdreich haben,
- der Graben kann schmaler ausgekoffert werden - kürzere Stränge können notfalls von einem Mann verlegt werden,
- Bögen sind für die Verlegung nicht erforderlich. Hindernisse im Erdreich (Baumwurzeln, Findlinge oder Reste alter Fundamente) können flexibel umgangen werden,
- bei fachgerechter Verlegung (Schlangenlinie) ist das Material selbstkompensierend.
Kunststoff-Verbundrohre erlauben, im Gegensatz zu Rohrleitungen aus Stahl- oder Kupferrohr, stoßstellenfreie Trassen in einem Stück, je nach Dimension, von bis zu 150 m. |
Komponenten
Kunststoff-Nahwärmerohre sind Verbundrohre, die aus folgenden drei Komponenten bestehen:
1. Dem wasserführendem Rohr
Werkstoff: PE-X, vernetzt und mit einer Sauerstoff-Diffusions-Sperrschicht ausgestattet.
2. Der Dämmung aus Kunststoff-Isolierschaum
Werkstoff: PE- oder PU-Schaum.
3. Dem PE-Mantelrohr
Werkstoff: Polyethylen.
Es gibt sie für Vorlauftemperaturen bis 95° C von DN 20 bis DN 90. Damit kann der Bereich 10 kW bis 700 kW Heizleistung abgedeckt werden (siehe Tabelle 1). Bei kleineren Anlagen (bis DN 50) bietet es sich an, Duo-Rohre zu verlegen. Vor- und Rücklauf befinden sich hierbei in einem gemeinsamen Mantelrohr.
DVGW/KTW-Zulassungen erlauben zudem den Einsatz in Brauchwasser-Versorgungsanlagen.
Seit kurzer Zeit gibt es auch Quattro-Rohre, in welchen Heizungs-Vor- und Rücklauf, Brauchwasser-Hauptleitung und Zirkulation enthalten sind. Sie konnten sich bislang nicht richtig durchsetzen. Einer der Gründe dürfte der zu große Biegeradius sein. Für bestimmte Einsatzfälle, z.B. enge Platzverhältnisse sind sie jedoch die erste Wahl.
Eigenschaften
Bei immer mehr Zentralheizungsanlagen wird das Rohrnetz aus Kunststoffrohren hergestellt, häufig aus PE-X-Rohr. Hierbei handelt es sich um vernetztes HD-Polyethylen. Durch die in den 60er Jahren von Thomas Engel entwickelte chemische Vernetzung wird der Werkstoff PE zusätzlich noch:
- flexibler,
- unempfindlicher gegen Spannungsrisse,
- höher wärmebeständig,
- mechanisch belastbarer.
Beim Durchleiten warmen Wassers können Sauerstoffmoleküle durch die Wandung des Rohres diffundieren und das Wasser mit Sauerstoff anreichern. Um dies zu unterbinden, ist auf dem Mediumrohr als Sauerstoffsperrschicht - gemäß DIN 4726 - außen eine 0,1 mm dicke EVOH-Schicht (Ethylvinylalkohol = modifiziertes Polyethylen) aufgebracht. Die Druckbeständigkeit der Mediumrohre ist bei 95°C Wassertemperatur wie folgt ausgelegt:
- Rohre für Warmwasser-Zentralheizung max. 6 bar,
- Rohre für Brauchwasser-Versorgung max. 10 bar.
Die Verbindung der PE-X-Rohre geschieht ausschließlich mittels Klemmverschraubungen. Sie bestehen aus Messing oder Rotguß und verfügen als zusätzliches Dichtelement über einen gekammerten O-Ring.
Duo-Rohr mit gewelltem Mantelrohr von der Rolle. Die Rohre können exakt in der erforderlichen Länge bestellt werden. Materialreste entfallen so weitgehend. |
Dämmung
Die Wärmedämmung erdverlegter PE-X-Rohrleitungen erfolgt hauptsächlich mit PE-Schaum oder PU-Schaum. Der PU-Schaum hat geringere Wärmeleitfähigkeit, dies bedeutet, daß mit PU-Schaum gedämmte Verbundrohre dünner sind als mit PE-Schaum gedämmte Rohrleitungen (siehe Tabelle 2).
Tabelle 3 gibt Aufschluß über die Wärmeverluste einer erdverlegten Nahwärmeleitung unter der Berücksichtigung folgender Parameter:
Tabelle 3: Wärmeverlust für das Rohrpaar (Vor- und Rücklauf) in Watt pro Stunde bei 1 m Leitungslänge
DN | Watt |
20 | 21 |
25 | 26 |
32 | 27 |
40 | 28 |
50 | 32 |
65 | 34 |
80 | 37 |
90 | 41 |
- Systemtemperatur 90/70°C
- Erdreichtemperatur 5°C
- lichter Rohrleitungsabstand 10 cm
- Überdeckungshöhe 80 cm
- Temperatur Erdreich 5°C,
- Temperatur Vorlauf 90°C,
- Temperatur Rücklauf 70°C,
- Verlegertiefe 80 cm.
Mantelrohr
Häufig wird das Mantelrohr aus schwarzem Polyethylen hergestellt, teilweise auch aus blauem PVC. Es gibt grundsätzlich zwei unterschiedliche Mantelrohre:
Gewelltes Mantelrohr läßt sich etwas leichter biegen. Wegen der Wellform benötigt man bei gleicher Stabilität zu glattem Mantelrohr eine geringere Wandungsdicke.
Glattes Mantelrohr läßt sich bei der Grabenverlegung besser ziehen. Es strahlt wegen seiner insgesamt geringeren Oberfläche weniger Wärme ab, es läßt sich außerdem preiswerter produzieren.
Biegeradius
Der Biegeradius wird hauptsächlich durch das oder die Mediumrohre bestimmt. Da alle PE-X-Rohrhersteller ähnliche Mediumrohre einsetzen, gibt es keine gravierenden Unterschiede. Keiner der Rohrhersteller teilt zu der Angabe des Mindest-Biegeradius mit, welcher Kraftaufwand notwendig ist, um diesen zu erreichen. Insofern lassen sich die Werbeargumente der Rohrleitungshersteller bezüglich Flexibilität nicht vergleichen. Teilweise wird suggeriert, die flexiblen Rohrleitungen ließen sich ähnlich einem Schlauch verlegen. Diese Aussage ist jedoch etwas übertrieben.
Mindestabstandsmaße des Herstellers Uponor für die Erdverlegung von Nahwärmerohren. |
Erdverlegung / Hauseinführung
Der Graben muß so tief ausgekoffert werden, daß noch eine Mindestüberdeckung - je nach Hersteller - von 40 bis 60 cm erreicht wird. Die Rohrleitung wird im Graben in einem Sandbett verlegt. Wichtig ist, daß dafür nichtbindiger Sand, Körnung 0-3 mm, genommen wird. Dies hat nicht nur Einfluß auf die Druckbelastung, sondern dient auch der Frostsicherheit. Sinnvoller ist natürlich eine möglichst große Überdeckung von 80 bis 120 cm. Nur dieser Bereich ist wirklich frostsicher. In etwa 20 bis 30 cm Tiefe wird ein Trassierband verlegt, um bei späteren Erdarbeiten darauf hinzuweisen, daß sich hier eine erdverlegte Leitung befindet.
Tabelle 4: Biegeradien unterschiedlicher Abmessungen
Dimension | Biegeradius |
1 X DN 20 / AD 128 | 0,25 m |
2 X DN 20 / AD 160 | 0,50 m |
1 X DN 25 / AD 128 | 0,30 m |
2 X DN 25 / AD 160 | 0,60 m |
1 X DN 32 / AD 160 | 0,35 m |
2 X DN 32 / AD 160 | 0,80 m |
1 X DN 40 / AD 160 | 0,45 m |
2 X DN 40 / AD 200 | 1,00 m |
1 X DN 50 / AD 160 | 0,55 m |
1 X DN 65 / AD 200 | 0,80 m |
1 X DN 80 / AD 200 | 1,10 m |
1 X DN 90 / AD 200 | 1,20 m |
(AD: Außendurchmesser)
Im Graben erfolgt die Verlegung möglichst in Schlangenlinien. Dies dient der Kompensierung von Längenveränderungen bei Erwärmung bzw. Abkühlung der Rohrleitungen. Bei längeren Trassen ist auf die Veränderung der Länge bei unterschiedlichen Temperaturen besonderes Augenmerk zu legen! Man hilft sich z.B. mit einer zur Wand abgewinkelten Hauseinführung, wodurch die achsial wirkenden Kräfte der Rohrleitung, die auch durch Bodensetzung und beim Verdichten entstehen, möglichst außerhalb des Gebäudes auftreten. Zur Hauseinführung mauert man das Verbundrohr üblicherweise ein. Bei außen glattem Nahwärmerohr schiebt man vorher einen Neopren-Gummiring, welcher 12 bis 22 mm dick ist, über das Mantelrohr. Für außen gewellte Nahwärmerohre gibt es Futterrohre als Mauerdurchbruchshülse, welche aber keinen Schutz gegen drückendes Wasser bieten.
Bei schwierigen Bodenverhältnisen, z.B. wenn drückendes Wasser vorhanden ist, baut man eine Mauerdurchführung (z.B. von Deuma, Hauff, o.ä.) ein. Durch diese wird nur das Mediumrohr geführt. Die Dämmung und das Mantelrohr enden vor der Durchführung. Nachteil dieser Lösung: Es entsteht eine Kältebrücke. Hier muß der verantwortliche Planer oder SHK-Fachbetrieb entscheiden, welche Art der Durchführung gewählt wird. Auf jeden Fall sollte im Bereich der Hauseinführung mit nichtbindigem Material angefüllt werden.
Einsatzgebiete
Der zur Zeit häufigste Einsatzfall ist die Versorgung von Nebengebäuden, welche zentral von einem Hauptgebäude aus mit Wärme versorgt werden. Häufig werden aber auch Reparaturen an bestehenden Stahl-Rohrleitungen mit Kunststoffrohr ausgeführt. Das defekte Teilstück wird herausgetrennt und durch ein vorgedämmtes flexibles Kunststoffrohr ersetzt. Auch in der Landwirtschaft werden Gewächshäuser/ Stallungen häufig von einer Heizzentrale aus mit Warmwasser versorgt. Der Anschluß erfolgt meist mit erdverlegten Rohrleitungen. Bei Vorlauftemperaturen unter 95° C bietet sich auch hier der Einsatz von PE-X-Rohr an.
*) Friedhelm Siebrasse, verantwortlich für den Vertrieb von Kunststoff-Verbundrohr-Systemen bei der Fa. Kahmann & Ellerbrock, Bielefeld
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